stahlmarkt 4.2018 (April)
Rohre,Profile, Flansche & Co. - wire & Tube 2018, Schneiden, Schweißen, Additive Fertigung, Qualität, Messen, Prüfen, Inspizieren
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46 K <br />
Stahlrohrindustrie im Umbruch?<br />
Robuste Ökonomie bei handelspolitischem Gegenwind<br />
Anlässlich der Branchenmesse »Tube« in Düsseldorf erläutert<br />
Dr. Dirk Bissel, Vorsitzender der Wirtschaftsvereinigung Stahlrohre e.V.<br />
und Geschäftsführer der Vallourec Deutschland GmbH, die Situation der<br />
Stahlrohrbranche.<br />
Die Stahlrohrproduktion ist auch nach<br />
dem Ölpreisschock weiterhin rund zur Hälfte<br />
von den Öl- und Gasmärkten abhängig.<br />
Der Bedarf an Bohrrohren und Leitungsrohren<br />
für Öl und Gas sowie für Leitungen<br />
zur Verarbeitung von Kohlenwasserstoffträgern<br />
in der Chemie sowie für Einsätze in der<br />
konventionellen und nuklearen Energieerzeugung<br />
ist weltweit immer noch bestimmend<br />
für die Stahlrohrindustrie, trotz der<br />
besonders in Europa deutlich spürbaren<br />
Auswirkungen der Energiewende. Zwar ist<br />
zusätzlicher Stahlrohrbedarf in den Wachstumsmärkten<br />
Wind- und So larenergie entstanden,<br />
die Branche hat jedoch mit strukturellen<br />
Problemen und handelspolitischen<br />
Verwerfungen zu kämpfen.<br />
Herr Dr. Bissel, seit fast einem Jahr sind<br />
Sie nun Vorsitzender des Vorstandes der Wirtschaftsvereinigung<br />
Stahlrohre e.V. Wie ha -<br />
ben Sie die Stahlrohrindustrie in dieser Zeit<br />
erlebt?<br />
Sicherlich prägend war die Entwicklung<br />
hin zu einer weiteren Normalisierung der<br />
Nachfragesituation auf dem Energierohrmarkt.<br />
Die Stahlrohrproduktion konnte sich<br />
im Jahr 2017 weiter von den Marktverwerfungen<br />
erholen, die der Einbruch der Rohölpreise<br />
von deutlich über 100 auf kurzzeitig<br />
bis unter 30 USD je Barrel in den Jahren<br />
2014 und 2015 ausgelöst hat. Weltweit lag<br />
die Stahlrohrproduktion im letzten Jahr bei<br />
167 Mill. t. Hersteller in den USA und in<br />
Europa konnten ihre Produktion besonders<br />
deutlich steigern, was nicht überraschen<br />
kann, da auf diesen Märkten die Abhängigkeit<br />
von den Rohölmärkten nach wie vor<br />
sehr groß ist und die Einbrüche hier zuvor<br />
entsprechend massiv ausgefallen sind. Wir<br />
sehen aber vor allem bei der Produktion<br />
nahtloser Stahlrohre weiterhin eine Gegenbewegung<br />
in Richtung einer Normalisierung,<br />
keinen Boom.<br />
Das heißt aber immerhin, die Krise ist<br />
überstanden, die Hersteller sind über den<br />
Berg?<br />
Es waren ja nicht alle Regionen und Produktmärkte<br />
gleichermaßen von der Ölpreisthematik<br />
betroffen und entsprechend unterschiedlich<br />
sind auch noch heute die Lagebeurteilungen.<br />
Das Linepipegeschäft ist schon<br />
immer ein Objektgeschäft gewesen. Hier<br />
gab es Unternehmen, die die Krise deutlich<br />
weniger zu spüren bekommen haben als<br />
andere. Das gilt sowohl für die Großrohrindustrie,<br />
die Rohre mit Durchmessern von<br />
über 16“ herstellt, wie für die Produzenten<br />
mittlerer Leitungsrohre.<br />
Mit dem Anstieg der Rohölpreise bei<br />
gleichzeitig immer effizienter werdenden<br />
Fördertechniken der Frackingindustrie in<br />
den USA sprangen die zuvor fast zum Erliegen<br />
gekommenen Förderaktivitäten der<br />
Energiekonzerne ab Ende 2015 wieder an.<br />
So konnten vor allem die Nahtlosrohrhersteller<br />
die Produktionseinbrüche der letzten<br />
Jahre wenigstens teilweise wieder ausgleichen.<br />
Die Hersteller nahtloser Stahlrohre<br />
haben auf dem Weg über den Berg inzwischen<br />
ein gutes Stück zurückgelegt, aber<br />
oben angekommen sind sie noch nicht. Die<br />
Präzisrohrindustrie hat von der starken konjunkturellen<br />
Entwicklung und der konstanten<br />
Nachfrage aus der Automobilindustrie<br />
und dem Maschinenbau profitiert. Hier<br />
könnte man eher von einer Gratwanderung<br />
auf hohem Niveau sprechen.<br />
Dr. Dirk Bissel<br />
Sie sprechen von einer Gratwanderung<br />
auf hohem Niveau? Wie ist das zu verstehen?<br />
Das Bild der Gratwanderung trifft auf<br />
unsere Industrie insgesamt zu. Die Mengenkonjunktur<br />
hat sich erholt oder befindet sich<br />
weiterhin auf gutem Niveau. Aber sowohl<br />
marktgegebene als auch externe Einflüsse<br />
können die mühsam erreichten Erfolge<br />
schnell wieder zunichte machen. Marktgegeben<br />
ist das Problem der Überkapazitäten.<br />
In unserer Industrie haben in den letzten<br />
Jahren teilweise massive Fehlallokationen<br />
stattgefunden. In fast allen Teilen der Welt<br />
besteht ein Überangebot an Produktionskapazitäten.<br />
Dies führt zu einem mitunter ruinösen<br />
Wettbewerb, der am Ende nicht nur<br />
unsere eigene Industrie bedroht sondern<br />
auch für unsere Kunden keine Vorteile mehr<br />
bringt. Wir wissen, dass unsere Abnehmer<br />
unsere hohe und gleichbleibende Qualität<br />
und Liefertreue zu schätzen wissen. Sie wollen<br />
Planungssicherheit. Und die können nur<br />
wirtschaftlich gesunde Lieferanten bieten.<br />
Teilweise wurden die vom Markt nicht be -<br />
nötigten Kapazitäten inzwischen reduziert,<br />
aber bei Weitem nicht alle Hersteller haben<br />
schon ihren Teil dazu beigetragen, dieses<br />
Problem anzugehen.<br />
Warum ist es so schwer, das Thema Ka -<br />
pazitätsanpassungen anzugehen, und wo<br />
sind die Grenzen der Anpassungsmöglichkeiten?<br />
Die Grenzen der Möglichkeiten zur<br />
Kapazitätsreduzierung sind vor allem in der<br />
<strong>stahlmarkt</strong> <strong>4.2018</strong>