Inspiration 2/2018 dt
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GIPFELTREFFEN GIULIANO CAMERONI<br />
WETTKAMPF IST<br />
NICHT MEIN DING<br />
Der 20-jährige Tessiner Giuliano Cameroni ist einer der stärksten<br />
jungen Kletterer der Welt. Beim Bouldern am Teufelsstein bei<br />
Göschenen verrät er, warum er kein guter Wettkampfkletterer ist –<br />
und trotz aller Faszination für den Sport niemals im Leben Free<br />
Solo klettern würde.<br />
INTERVIEW REMO SCHLÄPFER<br />
Giuliano, an welchen ersten Klettermoment<br />
kannst du dich erinnern?<br />
Als ich sechs Jahre alt war, nahmen<br />
mich meine Mutter und mein Vater<br />
mit zum Bouldern in Chironico. Ich<br />
sah, wie eine Gruppe von Leuten<br />
einen Plattenboulder probierte, der<br />
ungefähr mit der Schwierigkeit 6a+<br />
bewertet ist. Mir gefiel der Boulder, so<br />
wagte ich ebenfalls einen Versuch –<br />
mit Erfolg. Ich durchstieg ihn und war<br />
ziemlich erstaunt, dass nicht alle der<br />
Gruppe den Boulder klettern konnten.<br />
In meiner kindlichen Naivität dachte<br />
ich, wenn ich das kann, dann müssen<br />
es die anderen doch auch können.<br />
Seither sind 14 Jahre vergangen.<br />
Was war bisher der grösste Moment,<br />
den du beim Klettern erlebt hast?<br />
Das war wohl der Durchstieg des<br />
Boulders «Dreamtime» in Cresciano<br />
im Tessin. Fred Nicole hat ihn im<br />
Jahr 2000 erstbegangen, er ist einer<br />
der berühmtesten Boulder der Welt.<br />
Für mich war es aber vor allem<br />
eine traumhafte Linie. Und ich war<br />
motivierter als je zuvor, Zeit in einen<br />
Boulder zu investieren. Ziemlich viel<br />
Zeit. An 25 Tagen, über zwei Jahre<br />
verteilt, feilte ich an den einzelnen<br />
Bewegungen von «Dreamtime», bis<br />
ich die für mich optimale Lösung<br />
gefunden hatte und die äusseren<br />
Bedingungen wie Temperatur und<br />
Feuchtigkeit perfekt waren.<br />
Deine Mutter kletterte als eine der<br />
ersten Frauen eine 8a. Dein Vater<br />
prägte die Tessiner Kletterszene mit<br />
zahlreichen Erstbegehungen. Wie<br />
haben deine Eltern dich beeinflusst?<br />
Klar, ohne meine Eltern würde ich<br />
heute wohl nicht klettern. Als Familie<br />
waren wir fast jedes Wochenende<br />
draussen in der Natur auf der Suche<br />
nach neuen Blöcken und eröffneten<br />
neue Boulder. Das machte mir bereits<br />
als Kind riesig Spass. Obwohl meine<br />
Eltern passionierte Kletterer waren,<br />
FOTO: ZVG<br />
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