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Inspiration 2/2018 dt

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GIPFELTREFFEN<br />

hatte ich aber nie das Gefühl oder<br />

den Druck, dass ich ebenfalls klettern<br />

müsse. Doch sie haben ihre Begeisterung<br />

für den Sport an mich weitergegeben<br />

und mich stets unterstützt.<br />

Das spürt man. Du scheinst vor Motivation<br />

und Begeisterung fürs Klettern<br />

zu sprudeln. Kannst du dir ein Leben<br />

ohne Klettern überhaupt vorstellen?<br />

Bouldern hat in meinem Leben einen<br />

sehr hohen Stellenwert. Allerdings<br />

gab es auch Phasen, in denen ich nur<br />

selten am Fels anzutreffen war.<br />

Mit 16 Jahren bin ich oft Skateboard<br />

gefahren. Doch ziemlich schnell habe<br />

ich gemerkt, dass es mir am meisten<br />

Spass macht, in den Wäldern des<br />

Tessins neue Felsblöcke zu suchen<br />

und zu klettern.<br />

Hast du darüber nachgedacht, voll<br />

und ganz auf die Karte «Bouldern»<br />

zu setzen?<br />

Klettern zu meinem Beruf zu machen,<br />

ist für mich ganz klar ein Ziel.<br />

Ich möchte so viel wie möglich klettern<br />

und dem Sport etwas zurückgeben,<br />

indem ich neue Routen eröffne<br />

und Gebiete entdecke. Auf der<br />

Fahrt hierher zum Interview habe<br />

ich auch mit meinem Vater über<br />

die Zukunft gesprochen. Wir waren<br />

uns einig, dass es wohl langweilig<br />

und eintönig wird, wenn man nur<br />

noch klettert und jeden Tag am Fels<br />

verbringt. Ich beginne im Herbst ein<br />

Studium, auch um für den Moment<br />

vorzusorgen, an dem ich die Lust<br />

am Klettern verliere. Aber wir sprechen<br />

hier wirklich von der Zukunft.<br />

Nach Abschluss des Studiums werde<br />

ich sicherlich zuerst ein Leben<br />

als Profiathlet verfolgen.<br />

Aber Profikletterer haben auch<br />

gewisse Zwänge gegenüber ihren<br />

Sponsoren. Du musst spektakuläre<br />

Linien oder hohe und riskante Boulder<br />

begehen, die sich vermarkten<br />

lassen. Was würdest du nie machen,<br />

wo liegen für dich die Grenzen?<br />

Ich habe bereits einige Highballs 1<br />

erstbegangen, weil es einfach<br />

wunderschöne Felsformationen und<br />

Boulderrouten waren. Doch wenn<br />

ich riskante Boulder klettere, bin<br />

ich nicht auf der Suche nach dem<br />

Adrenalinkick. Wenn der Ausstieg<br />

eines Felsblocks hoch ist, übe ich<br />

diese Bewegungen zehn, vielleicht<br />

zwanzig Mal, um wirklich sicherzustellen,<br />

dass ich nicht stürze. Was<br />

ich sicher nie machen würde, ist<br />

Free-Solo-Klettern. Ich will mein<br />

Leben beim Klettern nicht aufs<br />

Spiel setzen.<br />

1<br />

Unter einem Highball versteht man eine Boulder ­<br />

route, bei der der Ausstieg so hoch liegt, dass man<br />

nicht mehr abspringen oder stürzen sollte.<br />

Giuliano und Samuel Ometz entfliehen<br />

am Gotthardpass der sommerlichen<br />

Hitze der tiefer gelegenen Gebiete.<br />

FASZINATION<br />

FELS<br />

Giuliano Cameroni, 1997 in<br />

Montagnola bei Lugano geboren,<br />

klettert seit seiner Kindheit. Im<br />

Alter von 16 Jahren schrieb der<br />

Tessiner mit der Begehung des<br />

Boulders «The story of the two<br />

worlds» (Fb 8c) Klettergeschichte.<br />

Er war der jüngste Kletterer,<br />

dem ein Boulder in dieser<br />

Schwierigkeitsklasse gelang.<br />

Die Faszination für die Vertikale<br />

hat Giuliano Cameroni bis heute<br />

nicht verloren. «Dolce Vita» ist<br />

für den 20-Jährigen, wenn der<br />

Tag mit einem guten Cappuccino<br />

um 10 Uhr beginnt, er möglichst<br />

viel Zeit am Fels verbringen<br />

kann und den Tag mit einem guten<br />

Glas Wein ausklingen lässt.<br />

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