Vogelwarte Band 44 - 2006 - DO-G
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50 Deutsche Ornithologen-Gesellschaft<br />
und aus dem Vergleich mit natürlicheren Nistplatzangeboten<br />
in Amselhabitaten.<br />
Tanneberger F, Hans J & Flade M (Greifswald, Brodowin):<br />
Die Westpommersche Population des Seggenrohrsängers<br />
(Acrocephalus paludicola): Habitatveränderung und Restaurationspotential.<br />
Der Seggenrohrsänger (Acrocephalus paludicola) ist die einzige<br />
global bedrohte Singvogelart des europäischen Festlands und<br />
ist in großen Teilen seines ehemaligen Verbreitungsgebiets<br />
ausgestorben. Die Weltpopulation wird gegenwärtig auf 12,000<br />
– 20,000 singende Männchen geschätzt. In Deutschland kommen<br />
Seggenrohrsänger nur noch im Nationalpark „Unteres<br />
Odertal“ vor und sind dort akut vom Aussterben bedroht.<br />
Diese Seggenrohrsänger gelten als Teil einer zusammenhängenden<br />
deutsch-polnischen Population entlang des Odertals<br />
(„West-Pommersche Population“). Sie wird aufgrund genetischer<br />
Unterschiede zur Kernpopulation im Länderdreieck<br />
Polen-Weißrussland-Ukraine als letzter Rest einer einstmals<br />
großen westlichen Population angesehen. Ihr Bestand ist in<br />
diesem Jahr mit 75-82 singenden Männchen alarmierend gering.<br />
Für einen wirksamen Schutz fehlen bisher Kenntnisse<br />
zur Habitatpräferenz dieser Teilpopulation.<br />
In einem seit 2004 an der Universität Greifswald laufenden<br />
Promotionsvorhaben werden aktuell vom Seggenrohrsänger<br />
besiedelte und kürzlich aufgegebene Flächen im Odertal verglichen<br />
und die Wiederherstellbarkeit ehemaliger Habitate<br />
untersucht. Es wird angestrebt, für das Odertal 1. die Schlüsselfaktoren<br />
der Habitatwahl von Seggenrohrsängern zu identifizieren,<br />
2. eine räumliche Darstellung potentieller Lebensräume<br />
zu geben sowie 3. konkrete Managementempfehlungen für<br />
diese auszuarbeiten. Dafür werden u.a. Vegetationsstruktur,<br />
Streueigenschaften, Nahrungsangebot, Landschaftsstruktur<br />
und Nutzungsregime untersucht. Die bisherigen Ergebnisse<br />
lassen darauf schließen, dass Wasserregime, Nutzung in den<br />
Vorjahren und die daraus resultierenden Eigenschaften der<br />
Streu wesentlichen Einfluss auf die Ansiedlung von Seggenrohrsängern<br />
haben. Entsprechende Managementempfehlungen<br />
werden in einem polnisch-deutschen LIFE-Projekt 2005-<br />
2010 getestet werden.<br />
Tappe K & Nottmeyer-Linden K (Hiddenhausen, Werther):<br />
Aktionsräume und Zeitbudgets von Feldsperlingen während<br />
der Jungtieraufzucht auf einem Obsthof in Ostwestfalen.<br />
Auf einem Obsthof in Hiddenhausen, Kreis Herford (NRW)<br />
stehen 123 Nistkästen zur Verfügung, die neben Kohl- und<br />
Blaumeisen auch von Feldsperlingen genutzt werden. In einer<br />
Untersuchung, 1999 von der Biologischen Bundesanstalt in<br />
Münster begonnen, wurden in den Jahren 2003, 2004 und<br />
2005 im Rahmen einer wissenschaftlichen Arbeit der Universität<br />
Bielefeld Aktionsräume und Zeitbudgets dort brütender<br />
Feldsperlinge über Telemetrie erfasst. Für die Zeit der Jungtieraufzucht<br />
konnten Aktionsräume von 9,5 - 28,7 ha festgestellt<br />
werden. Die dabei von den Feldsperlingen zurückgelegten<br />
Wegstrecken lagen zwischen 3,5 und 912m. Die angeflogenen<br />
Areale, meistens Hecken, Getreidefelder und Obstanlagen<br />
unterscheiden sich stark individuell. Die Untersuchung soll<br />
im Rahmen einer Promotion weitergeführt werden.<br />
Woog F & Ramanitra N (Stuttgart, Antananarivo/Madagaskar):<br />
Ortstreue madagassischer Regenwaldvögel.<br />
Oft wird angenommen in den Tropen vorkommende Vogelarten<br />
seien ortstreu. Dies ist jedoch nicht immer der Fall. Zu<br />
madagassischen Waldvögeln liegen hierzu kaum Daten vor.<br />
Durch Abholzung und Brandrodung sind die Wälder Madagaskars<br />
bereits auf weniger als 5 % ihrer ursprünglichen Fläche<br />
geschrumpft. Zu wissen, wie sich die in den verbleibenden<br />
Regenwaldgebieten überlebenden Arten verhalten, ist für<br />
deren Schutz von großer Bedeutung.<br />
In zwei aufeinander folgenden Jahren (Oktober 2003 zur Vorbrutzeit<br />
und November 2004 zu Beginn der Brutzeit) fingen und<br />
beringten wir Vögel in einem Regenwaldgebiet in der Nähe von<br />
Andasibe (Perinet) im Osten Madagaskars (1000–1200 m ü. N.).<br />
Wir wählten fünf Gebiete aus, die bis zu 2 km voneinander entfernt<br />
liegen und sich im Grad ihrer Abholzung, ihrer Nutzung<br />
und dem Anteil eingeschleppter Pflanzen unterscheiden.<br />
Von 373 im Jahr 2003 beringten Vögeln fingen wir 39 Individuen<br />
aus 12 Arten im Folgejahr wieder. Unabhängig vom<br />
Habitat waren die meisten Vögel sehr ortstreu, jedoch nicht<br />
alle. Innerhalb der zwei vierwöchigen Untersuchungsperioden<br />
änderten einige Vögel ihren Aufenthaltsort im Wald, andere<br />
wechselten vom Wald zu degradierten Flächen. Darunter<br />
befanden sich auch Arten, die Beeren von eingeschleppten<br />
Pflanzen fressen. Kehren Vögel von den degradierten Flächen<br />
in den Primärwald zurück, tragen sie zur Ausbreitung der zum<br />
Teil invasiven Pflanzenarten bei. Diese stellen eine oft unterschätzte<br />
Bedrohung für die endemischen Inselökosysteme dar.<br />
Zur Klärung der Ortstreue während anderer Jahreszeiten sind<br />
längerfristige Studien notwendig.<br />
Symposium „Klimaforschung und Avifaunistik“<br />
Vorträge<br />
Anthes N (Tübingen): Einfluss von Klimaschwankungen auf<br />
die Jahresrhythmik und Biologie von Vögeln.<br />
Einführend zum Symposium „Avifaunistik und Klimaforschung“<br />
beleuchtet dieser Vortrag den aktuellen Kenntnisstand<br />
bezüglich der Fähigkeit von Vögeln, flexibel auf Klimaschwankungen<br />
zu reagieren. Dabei soll insbesondere die<br />
Vielschichtigkeit der notwendigen Anpassungen z.B. in verschiedenen<br />
Lebensabschnitten der Vögel deutlich gemacht<br />
werden. Anhand ausgewählter Studien wird unter anderem<br />
aufgezeigt, wie Bruttermine und Gelegegrößen an Klimaschwankungen<br />
angepasst werden müssen; welche Anpassungen<br />
der nachbrutzeitlichen Mauser sowie des Abzugtermins in<br />
die Winterquartiere erforderlich sind; wie die Lage der Überwinterungsquartiere<br />
durch großklimatische Schwankungen<br />
beeinflusst wird; ob und wie Vögel bereits im Winterquartier<br />
flexibel auf klimatische Änderungen im Brutgebiet reagieren<br />
können; welchen Engpässen Zugvögel bei einer flexiblen<br />
Anpassung ihrer Ankunftstermine im Brutgebiet unterliegen;<br />
oder welche großräumigen Auswirkungen auf Areale und<br />
Bestandsentwicklungen der betroffenen Arten zu erwarten<br />
sind. Dieser knappen Einführung folgen im Rahmen des Symposiums<br />
detaillierte Darstellungen einzelner Punkte anhand<br />
aktueller avifaunistischer Arbeiten aus Mitteleuropa.<br />
Fiedler W (Radolfzell): Wissenschaftliche Vogelberingung<br />
und ihr Beitrag zur Klimafolgenforschung.<br />
Die Beringung – und damit die individuelle Kennzeichnung<br />
– ist nach wie vor die Grundvoraussetzung für zahlreiche<br />
Fragen zu Zugwegen und Winterquartieren und damit auch<br />
für Fragen nach deren Änderungen bzw. den daraus resultierenden<br />
Konsequenzen. Aus bestehenden Datenbeständen