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Vogelwarte Band 44 - 2006 - DO-G

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52 Deutsche Ornithologen-Gesellschaft<br />

Nordsee- als auch an der Ostseeküste in einer Phase sehr milder<br />

Winter zwischen Ende der 1980er und Mitte der 1990er<br />

Jahre deutlich zu. Dies deutet daraufhin, dass neben anderen<br />

Gründen die zunehmend milden Winter zu einer Verlagerung<br />

der Winterquartiere nach Nordosten führten. Dieselbe<br />

Tendenz zeigte die Krickente am nordöstlichen Rand ihrer<br />

Mittwinterverbreitung im ostdeutschen Binnenland. Eine<br />

drastische Bestandsabnahme ab Anfang der 1990er Jahre,<br />

als deren Ursache die seitdem steigende Wasserqualität vor<br />

allem an der Elbe vermutet wird, unterbrach jedoch die Entwicklung.<br />

Beim Gänsesäger wurde deutlich, dass die Vögel in<br />

kalten Wintern zu einem teilweise großräumigen Ausweichen<br />

gezwungen werden. In diesen Wintern liegen die Rastbestände<br />

im Nord- und vor allem im Südwesten deutlich über denen<br />

milder Winter. Am Beispiel des Zwergtauchers konnte gezeigt<br />

werden, dass die Ausprägung des Winters sich offensichtlich<br />

auch auf die Bestände des darauf folgenden Herbstes auswirkt.<br />

Hier sollten weitere Analysen zur Populationsdynamik durch<br />

Verknüpfung des umfangreichen Datenmaterials mit anderen<br />

Monitoringprogrammen ansetzen.<br />

Winkel W (Cremlingen): Brutphänologie von Höhlenbrütern<br />

in Abhängigkeit von Klimaveränderungen.<br />

Zur Zeit wird intensiv darüber diskutiert, ob bzw. in welcher<br />

Weise sich die vorausgesagte Klimaerwärmung auch auf die<br />

Brutbiologie von Vögeln auswirkt. Da langfristige phänologische<br />

Datenreihen weitgehend fehlen, können meist nur mehr<br />

oder weniger plausible Szenarien spekulativ erörtert werden.<br />

Im Höhlenbrüterprogramm des Instituts für Vogelforschung<br />

„<strong>Vogelwarte</strong> Helgoland“ wird bereits seit den 1950er Jahren,<br />

insbesondere aber seit 1970, in Waldgebieten bei Braunschweig<br />

(und seit 1974 auch bei Lingen im Emsland) die Brutbiologie<br />

von in Höhlen nistenden Singvögeln erfasst. Von 1970-2004<br />

liegen z.B. Daten zur Gelegegröße, zum Schlüpftermin und<br />

zum Ausfliegeerfolg von rund 15 000 Bruten der Kohlmeise,<br />

8500 der Blaumeise, 6500 der Tannenmeise, 1900 des Kleibers<br />

und 16 000 des Trauerschnäppers vor. Die bisherigen<br />

Analysen zeigen unter anderem eine gesicherte Verfrühung<br />

im Bruttermin verschiedener Meisenarten, Kleiber und Trauerschnäpper,<br />

was mit langfristig wärmeren Frühjahrstemperaturen<br />

einhergeht. Im Verlauf der Untersuchungsperiode nahm<br />

außerdem der Bruterfolg bei mehreren Höhlenbrüter-Arten<br />

signifikant zu. Befunde am Trauerschnäpper lassen allerdings<br />

vermuten, dass Klimaveränderungen in der Vogelwelt Mitteleuropas<br />

unter Umständen auch zu funktionellen Störungen<br />

im Ökosystem führen können.<br />

Sitzung „Vogelschutz / Artenschutz“<br />

Vorträge<br />

Gottschalk T, Ekschmitt K & Wolters V (Giessen): Die Reform<br />

der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) – Eine Chance für<br />

die Vogelwelt?<br />

Seit 1. Januar 2005 gilt in 10 Europäischen Ländern eine neue<br />

Agrarpolitik. Hauptbestandteil der Reform ist eine produktionsunabhängige<br />

einzelbetriebliche Zahlung anstelle einer<br />

allgemeinen Preisstützung von Agrarprodukten (sogenannte<br />

„Entkopplung“). Die möglichen Auswirkungen dieser Reform<br />

auf den Vogelartenreichtum wurden am Beispiel des Lahn-<br />

Dill Berglandes, einer marginalen Landschaft in Hessen mit<br />

Hilfe des GIS-basierten faunistischen Modells GEPARD (Ge-<br />

ographically Explicit Prediction of Animal Richness Distributions)<br />

simuliert. Hierbei fanden Karten der heutigen und der<br />

zukünftigen Landnutzung und ebenso Daten zu Topographie,<br />

Böden und Landschaftsindices Verwendung. Die Karten der<br />

zukünftigen Landnutzung nach Umsetzung der Reform der<br />

GAP stammen von einem sozioökonomischen Modell. Die<br />

Landnutzungsdaten wurden auf vier verschiedenen räumlichen<br />

Skalenebenen mittels Generalized Linear Model (GLM)<br />

analysiert. Als weiterer Datensatz dienten Brutvogeldaten, die<br />

mit Hilfe von Distance Sampling auf je 50 Grünland- und<br />

Ackerstandorten aufgenommen wurden. Als Ergebnis liefert<br />

das Modell GEPARD u.a. räumliche Verbreitungskarten des<br />

Artenreichtums sowohl für die aktuelle Landnutzung als auch<br />

für zukünftige Landnutzungsformen. Während insektivore<br />

und omnivore Vogelarten von der GAP Reform profitieren<br />

nimmt der Artenreichtum granivorer Arten ab. Diese Entwicklung<br />

hängt vor allem mit der aus der Agrarreform resultierenden<br />

Reduzierung des Ackeranteils und einer Zunahme<br />

der Grünlandnutzung zusammen.<br />

Hennicke J, Hennig V & James D (Hamburg, North Christmas<br />

Islands/Australien): Die Ernährungsökologie des bedrohten<br />

Abbott-Tölpels – erste Informationen als Grundlage für einen<br />

effektiven Artenschutz.<br />

Der Abbott-Tölpel (Papasula abbotti), eine endemische Art<br />

der Weihnachtsinsel im Indischen Ozean, ist einer der bedrohtesten<br />

Seevögel der Welt. Seine Population wird auf nur noch<br />

5000 Individuen geschätzt und nimmt ab. Als Hauptbedrohung<br />

der Tiere wird Überfischung und Langleinenfischerei<br />

vermutet. Allerdings ist kaum etwas über die Ökologie des<br />

Tölpels bekannt und Grundlagen für einen effektiven Schutz<br />

auf See sind praktisch nicht existent. In dieser Studie gelang<br />

es erstmals, die Ernährungsökologie des Tölpels im Detail zu<br />

untersuchen. Während der Brutzeit 2004 konnten mit Hilfe<br />

von GPS- und GPS-Druck-Loggern Daten über Habitatnutzung,<br />

Aktivitätsmuster und Tauchverhalten dieser Tierart<br />

gewonnen werden. Diese erstmaligen Informationen über<br />

die Tierart sollen präsentiert und erste Konsequenzen für die<br />

fischereiliche Nutzung des Seegebiets um die Weihnachtsinsel<br />

dargestellt werden. Die Studie wurde durch Fördermittel der<br />

<strong>DO</strong>-G substantiell unterstützt.<br />

Nipkow M (Bonn): Prioritäre Arten für den Vogelschutz<br />

in Deutschland.<br />

Rote Listen gefährdeter Vogelarten zeigen bis heute nur selten<br />

eine Trendumkehr. Trotz vielfältiger Schutzbemühungen<br />

schreitet der Verlust an Arten und Individuen in der Gesamtbilanz<br />

weiter voran. Unter den Brutvögeln Deutschlands gelten<br />

nur noch <strong>44</strong> Prozent als ungefährdet. Angesichts dessen ist der<br />

Naturschutz mehr denn je gefordert, Kräfte zu bündeln und<br />

seine Effizienz zu steigern, um für die Erhaltung der Artenvielfalt<br />

maximal viel erreichen zu können. Diskussionen um<br />

Vogelarten mit hoher Schutzpriorität werden in verschiedenen<br />

Ländern intensiv geführt, unter anderem in der Schweiz, in<br />

Großbritannien und Frankreich – in Deutschland auch auf der<br />

Ebene von Bundesländern wie in Niedersachsen. Vielen der<br />

bisherigen Ansätze ist gemeinsam, dass sie neben einer Beurteilung<br />

des (nationalen) Gefährdungsgrades auch die (internationale)<br />

Bestands- und Arealsituation der Arten berücksichtigen.<br />

Sagt doch die Einstufung einer Rote-Liste-Art noch wenig<br />

darüber aus, was ihr Bestandsrückgang oder Verschwinden<br />

für die Erhaltung der Art insgesamt bedeutet. Eine Analyse<br />

prioritärer Vogelarten kann jedoch nur dann ihren Sinn und

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