Vogelwarte Band 44 - 2006 - DO-G
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54 Deutsche Ornithologen-Gesellschaft<br />
bestätigt oder als Fehlbeobachtungen erkannt werden. Der<br />
vor allem auch in 2004 weiterhin festgestellte kontinuierliche<br />
Rückgang der Art ist alarmierend und erfordert international<br />
koordinierte Schutzbemühungen und das Ausarbeiten eines<br />
Artenschutzprogramms, das alle Anrainerstaaten entlang des<br />
Zugweges mit einbezieht.<br />
Poster<br />
Bellebaum J, Tanneberger F, Fartmann T, Just P & Helmecke<br />
A (Broderstorf, Greifswald, Münster, Göttingen, Bölkendorf):<br />
Zwischen Nestverlust und Habitatverlust – Veränderungen<br />
des Lebensraums bedrohen Seggenrohrsänger in Deutschland.<br />
Die Population des Seggenrohrsängers Acrocephalus paludicola<br />
entlang der unteren Oder in Polen und Deutschland<br />
stellt eine genetisch eigenständige „Pommersche Population“<br />
dar. Diese Population geht seit 15 Jahren deutlich zurück und<br />
brütet heute ausschließlich auf genutzten Nasswiesen und -<br />
weiden. Wegen des massiven Arealverlustes der Art in Mitteleuropa<br />
durch Entwässerungen und Nutzungsintensivierungen<br />
der letzten 50 Jahre sind Erhalt und Wiederherstellung ihrer<br />
Brutgebieten eine vordringliche Aufgabe. Am letzten deutschen<br />
Brutplatz im Nationalpark „Unteres Odertal“ haben wir<br />
untersucht, welche Rolle Veränderungen in der Habitatqualität<br />
für den auch hier anhaltenden Rückgang spielen. Wir haben<br />
Monitoringergebnisse mit Daten zur Struktur und Zusammensetzung<br />
der Vegetation und zur Landnutzung verglichen.<br />
Die Vegetationsstruktur der vom Seggenrohrsänger besiedelten<br />
Flächen hat sich demnach wesentlich verändert, vorrangig<br />
durch Änderungen der Grünlandnutzung. Dadurch hat sich<br />
die Eignung der traditionell besiedelten Flächen deutlich verringert.<br />
Daraus schließen wir, dass sinkende Habitatqualität<br />
neben Brutverlusten durch Mahd in der Brutzeit im Moment<br />
das wichtigste Problem beim Schutz dieses Seggenrohrsängervorkommens<br />
ist und dass die Landnutzung einen Schlüsselfaktor<br />
darstellt.<br />
Braun M (Bessenbach): Ökologie und Nischenexpansion<br />
des Halsbandsittichs (Psittacula krameri SCOPOLI, 1769)<br />
in Heidelberg.<br />
Seit dem 20. Jh. etablierten sich weltweit in Städten Bestände<br />
des Halsbandsittichs (Psittacula krameri). In Heidelberg<br />
traten Halsbandsittiche zuerst 1972 auf. Die Erstbrut wurde<br />
1990 nachgewiesen. Nach der Brutsaison 2003 wurden am<br />
Schlafplatz in Heidelberg zwischen 116 und 503 Halsbandsittichen<br />
gezählt. Der Anteil der Männchen innerhalb der Population<br />
lag bei etwa 20 %. Halsbandsittiche zeigten spätestens<br />
seit 2001 in Heidelberg eine ökologische Nischenexpansion.<br />
Zusätzlich zu Baumhöhlen (86 % in Platane Platanus x hispanica)<br />
wurden auch Höhlungen in der Wärmedämmung von<br />
Fassaden bebrütet. Dies ist der erste Nachweis über Bruterfolg<br />
dieser Art in Wärmedämmung. 2003 brütete bereits die<br />
Hälfte der untersuchten Paare (n = 24) in solchen Fassaden.<br />
Die Reproduktionsrate lag bei 2,0 ausgeflogenen Jungtieren<br />
pro Brutpaar. P. krameri interessierte sich nur für angebotene<br />
Nistkästen, wenn die benachbarten Fassadenhöhlen versiegelt<br />
wurden. Als Urheber für neue Fassadenlöcher konnten in<br />
der Studie keine Halsbandsittiche, sondern nur ein Buntspecht<br />
(Picoides major) nachgewiesen werden. Bruthöhlen<br />
lagen in Bäumen mit 13,0 (± 4,7) m durchschnittlich höher<br />
als in Fassaden mit 8,3 (± 3,5) m. In Heidelberg wurden<br />
42 Nahrungspflanzen für P. krameri nachgewiesen, wovon<br />
50 % nicht einheimische Arten waren. Zwischen Mai und<br />
September 2003 lebten die Vögel zu 90 % frugivor, nur zu<br />
10 % von anderen Pflanzenteilen. Ein negativer Einfluss auf<br />
die heimische Avifauna konnte nicht beobachtet werden,<br />
obwohl möglicherweise mit dem Star eine Konkurrenz um<br />
Bruthöhlen besteht.<br />
Laich W (Stuttgart): Vögel in Steinriegelhecken – kann sporadischer<br />
Vogelfang wertvolle Aussagen erbringen?<br />
Hecken galten lange Zeit als Hindernisse bei der modernen<br />
Landbewirtschaftung und wurden rigoros bei Flurbereinigungen<br />
beseitigt. Ein 1994 auf 5 Jahre angelegtes Projekt<br />
der drei deutschen <strong>Vogelwarte</strong>n Helgoland, Hiddensee und<br />
Radolfzell brachte Aufschluss über die Nutzung unterschiedlicher<br />
Heckentypen durch Brutvögel. In Absprache mit der<br />
<strong>Vogelwarte</strong> Radolfzell werden seit 14 Jahren bei Weissach<br />
(BB) - im PLENUM-Gebiet „Heckengäu“ – an einer landschaftstypischen<br />
Steinriegelhecke ganzjährig Kleinvögel in Japannetzen<br />
gefangen und beringt. Die etwa 80 m lange mobile<br />
Fanganlage wird halbkonstant, d.h. immer am gleichen Ort,<br />
aber in Abhängigkeit von Wetter und Anwesenheit sporadisch<br />
betrieben. Die so gewonnenen Daten ergeben dennoch<br />
ein beachtliches Artenspektrum und sie dienen vor allem<br />
der Aufklärung von Bevölkerung, Naturschutzgruppen und<br />
Behörden.<br />
Ullrich T (Herbolzheim): Zwei Dinge, die Sie für Naturschutz<br />
und Artenvielfalt in Fluss- und Bachwäldern unternehmen<br />
können – Ergebnisse der Waldschutzgebietsforschung.<br />
Die forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Freiburg<br />
führte mehrjährige ornithologische Untersuchungen in einem<br />
Bannwald (so werden die Wald- Totalreservate oder<br />
„Urwälder von morgen“, in Baden- Württemberg genannt)<br />
in der Rhein- Altaue am Oberrhein durch. Parallel zu den<br />
Vogeldaten stehen genaue Waldstrukturdaten zur Verfügung,<br />
was den Vergleich zu bewirtschafteten Wäldern verbessert. Im<br />
Bannwald kamen – neben Altbaumbewohnern der Stammklettergilde<br />
– signifikant mehr Sommergoldhähnchen und<br />
Eisvögel vor. Dies steht in Zusammenhang mit bestimmten<br />
Waldstrukturen: Im Bannwald tritt deutlich mehr Efeu auf<br />
(jeder achte Baum ist mit einem beachtlichen Efeu berankt),<br />
da dieser im Wirtschaftwald oft entfernt wird. Damit soll<br />
dort die Stammstruktur des Rankbaumes optisch schöner<br />
bleiben, damit beim Verkauf des Stammes ein höherer Preis<br />
erzielt werden kann. Der Efeu ermöglicht in diesem reinen<br />
Laubwaldgebiet das Vorkommen des Sommergoldhähnchens.<br />
Durch den freien Wuchs im Bannwald können in diesem Naturraum<br />
mehr Sommergoldhähnchen Reviere bilden. Durch<br />
den Sturm Lothar 1999 gab es im gesamten Waldgebiet viele<br />
Wurzelteller durch umgestürzte Bäume. Durch Aufarbeitung<br />
des Holzes im Wirtschaftswald klappen diese zurück. Nicht so<br />
im Bannwald. Dort sind bis heute gewässernahe Wurzelteller<br />
Brutplatz des Eisvogels. Im Gebiet fehlen Uferanrisse mangels<br />
Gewässerdynamik weitgehend, wodurch die Wurzelteller fast<br />
essentiell für das Brutvorkommen des Eisvogels sind. Aus den<br />
Ergebnissen kann die Empfehlung für Wirtschaftswälder abgeleitet<br />
werden, dort den Efeu regelmäßig zu erhalten. Gleiches<br />
gilt auch für den gezielten Erhalt von aufgeklappten Wurzeltellern.<br />
Nicht nur die genannten Vogelarten profitieren von<br />
diesen im mitteleuropäischen Urwald wahrscheinlich nicht<br />
seltenen Strukturen.