4. Ausgabe Dezember [PDF, 3.33 MB] - Staufen
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Das Haus im Gässli<br />
«Das typologisch hochinteressante<br />
Doppel-Bauernhaus, dessen stattliche<br />
äussere Erscheinung mit den eher<br />
kleinbäuerlichen Raumverhältnissen<br />
eigentümlich kontrastiert, ist für die<br />
ländliche Baukultur des Aargaus von<br />
herausragendem Zeugenwert». So beschreibt<br />
das Kurzinventar der Denkmalpflege<br />
Kanton Aargau, P. Räber, das<br />
1775 erbaute Haus im Gässli.<br />
Schon seit wir in <strong>Staufen</strong> leben, fasziniert<br />
mich dieses Haus. Als das Thema «Häuser»<br />
für den <strong>Dezember</strong> Usrüefer feststand, war<br />
es mir ein Anliegen, das Haus unserer<br />
Leserschaft vorzustellen. Beim recherchieren<br />
kam mir die Diplomfacharbeit von Stephan<br />
Ochsner und Katalin Ilosvay, die mir Isidor<br />
Frey zur Verfügung gestellt hat, zu Hilfe.<br />
Über die Architektur<br />
Das Bauernhaus im Gässli ist ein<br />
Vielzweckbau und war von Anfang an als<br />
Doppelbauernhaus konzipiert.Es besteht<br />
aus zwei Wohnteilen, zwei Ställen, zwei<br />
Futtertenns und einem gemeinsamen<br />
Tenn in der Mitte. Doppelwohnhäuser<br />
entstanden vor allem in der Zeit nach<br />
1700, als die Bevölkerungszunahme und<br />
behördliche Vorschriften die Menschen zu<br />
einer extremen Ausnützung des Landes<br />
zwangen. Konstruiert ist der Bau als<br />
Hochstudhaus. Das ausladende, über den<br />
Giebellauben abgewalmte Rafendach<br />
kennzeichnet den weitgehend erhaltenen<br />
Fachwerkbau als einstiges Strohdachhaus.<br />
Geschichte<br />
Bauherren waren die Brüder Rudolf und<br />
Iacob Rohr von <strong>Staufen</strong>. Der Hausbau war<br />
gut geplant, meist verwandte Handwerker<br />
wurden frühzeitig beauftragt. So der Hafner<br />
Hans Friedrich Rohr, der in eine Kachel<br />
des Ofens die Jahreszahl 1774 eingeritzt<br />
hat, obwohl der Bau erst ein Jahr später<br />
fertiggestellt wurde. Sehr selten in der<br />
12<br />
Region ist die Inschrift am südlichen Tenntor:<br />
Die Jahreszahl 1775, die Namen der<br />
beiden Bauherren und des Zimmermannmeisters<br />
Iacob Friedrich von Dinticken,<br />
zudem die auf beiden Toren aufgemalten<br />
Zimmermannswerkzeuge. Sie sind als feierlicher<br />
Abschluss des Hausbaus zu verstehen.<br />
Nicht nur diese Zeichen zeugen von Meister<br />
Iakob Friedrichs aussergewöhnlichem<br />
Können, das Dachgebälk zeigt ihn als<br />
Handwerker, der viel Wert auf die ästhetische<br />
Erscheinung seines Werkes legte.<br />
Viele Generationen lebten nach den Brüdern<br />
Rohr in diesem denkmalwürdigen<br />
Haus. Alte Staufner Geschlechter wie Furter<br />
und Sandmeier sind im Brandkatastereintrag<br />
zu finden.<br />
Mit gestiegenen Komfortansprüchen<br />
wurden in beiden Hausteilen Mitte des<br />
20. Jahrhunderts ein Bad und eine Toilette<br />
eingebaut und die Infrastruktur der Küche<br />
erneuert.<br />
Der heutige Zustand des Hauses und der<br />
unmittelbaren Umgebung lassen darauf<br />
schliessen, dass sich die Bewohner wohl<br />
fühlen und die Idylle des alten Baus zu<br />
schätzen wissen.<br />
Vor dieser Arbeit konnte ich nur ahnen,<br />
welche baugeschichtliche Kostbarkeit in<br />
unserem Dorf steht, jetzt hoffe ich, dass<br />
ein gütiges Schicksal dieses besondere<br />
Haus vor dem Zerfall bewahrt.<br />
Corinne Willi<br />
Fotos Mi