occasional papers - Geschwister-Scholl-Institut für ...
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20<br />
Proletariat. Die Philosophie kann sich nicht verwirklichen ohne die<br />
Aufhebung des Proletariats, das Proletariat kann sich nicht aufheben<br />
ohne die Verwirklichung der Philosophie.” 31<br />
Der Glaube an die Übersetzung der Philosophie in die Realität durch<br />
das deutsche Proletariat wird unterstützt durch eine historische<br />
Überlegung zur deutschen Reformation. Der Glaube an eine Revolution,<br />
die mit der Spekulation anhebt, macht im Licht der deutschen<br />
Vergangenheit Sinn. “Deutschlands revolutionäre Vergangenheit<br />
ist nämlich theoretisch, es ist die Reformation. Wie damals<br />
der Mönch, so ist es jetzt der Philosoph, in dessen Hirn die<br />
Revolution beginnt.” Luthers Reformation war die erste Stufe einer<br />
deutschen Revolution. Luther brach den Glauben an die Autorität,<br />
aber er hat die Autorität des Glaubens an seine Stelle gesetzt. Er hat<br />
den Menschen von der äußeren Religiosität befreit, aber er hat die<br />
Religiosität zum inneren Kern (“substance”) des Menschen gemacht.<br />
Der Protestantismus brachte somit zwar nicht die wahre<br />
Lösung, aber sicherlich enthüllte er die wahre Aufgabe, d.h. den<br />
Kampf gegen den priesterlichen Kern des Menschen. “Die radikalste<br />
Tatsache der deutschen Geschichte”, der Bauernkrieg, zerbrach an<br />
der Mauer der neuen protestantischen Theologie. Heute, wo diese<br />
Theologie selbst zusammengebrochen ist, wird der anachronistische,<br />
politische Staat durch die neue Philosophie zerschlagen werden. 32<br />
Diese Passagen zeigen, daß sich Marx des Zusammenhangs zwischen<br />
seinem eigenen Denken und dem deutschen Protestantismus<br />
vollkommen bewußt war. Es gibt in der Tat eine erkennbare Sinnlinie<br />
(“intelligible line of meaning”), die von Luthers Zerstörung<br />
kirchlicher Autorität, über die Zerstörung dogmatischer Symbole in<br />
der Generation von Strauss, Bruno Bauer und Feuerbach bis zu der<br />
Zerstörung “aller Götter”, d.h. aller autoritativen Ordnung bei Marx,<br />
verläuft. Wäre es falsch zu sagen, der Weg des Protestantismus führe<br />
31 Ebd.: S. 621.<br />
32 Ebd.: S. 615.