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occasional papers - Geschwister-Scholl-Institut für ...

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30<br />

viduum die Mittel, seine Anlagen nach allen Seiten hin auszubilden<br />

(...)”. 44<br />

Die Geschichte bewegt sich also auf das Auftreten des “totalen Individuums”<br />

oder – in anderen Zusammenhängen – des “sozialistischen<br />

Menschen” zu. Der Mensch muß sich vollständig von seiner Entfremdung<br />

erholen, um das vollkommen freie und unabhängige Individuum<br />

zu werden, das er seinem Wesen nach ist. Die “Befreiung<br />

vom Eigentum” wird der letzte Akt in diesem Drama sein. Auf einer<br />

aufschlußreichen Seite hat Marx die Verbindung zwischen dieser<br />

Vorstellung von Geschichte und seiner ursprünglichen Revolte gegen<br />

Gott formuliert. Ein Wesen, sagt er, “gilt sich erst als selbständiges,<br />

sobald es auf eignen Füßen steht, und es steht auf eignen Füßen,<br />

sobald es sein Dasein sich selbst verdankt”. Ein Mensch, der<br />

durch die Gnade von jemand anderem lebt, ist abhängig – und ich<br />

lebe am vollständigsten durch die Gnade von jemand anderem, wenn<br />

er “mein Leben geschaffen hat”, wenn die Quellen meines<br />

Lebens außer mir liegen. Der Glaube an die Schöpfung ist die Quelle<br />

des Gefühls der Abhängigkeit; und diese Vorstellung der<br />

“Schöpfung”, überlegt Marx betrübt, ist ziemlich tief im Bewußtsein<br />

des Menschen verwurzelt. Die Idee, daß die Natur durch<br />

sich selbst ist, ebenso wie die Vorstellung, daß der Mensch durch<br />

sich selbst existiert, ist “ihm unbegreiflich, weil es allen<br />

Handgreiflichkeiten des praktischen Lebens widerspricht”.<br />

Der Mensch erkennt sich selbst als ein Glied in der Seinskette und<br />

fühlt sich unvermeidlich genötigt zu fragen, woran diese Kette auf-<br />

44 Ebd.: S. 57–64. Der Leser sollte hierzu auch das Kapital (Band I, 4.<br />

Ausgabe, 1890), S. 39–46, vergleichen. Der Gedanke ist wesentlich derselbe<br />

wie in Die Deutsche Ideologie. Es finden sich dort jedoch so berühmte<br />

Formulierungen wie der “Fetischcharakter der Warenwelt” (S. 39), der sehr<br />

aufschlußreiche Vergleich von postrevolutionärer industrieller Gesellschaft<br />

mit der Situation des vielseitigen Robinson (S. 45) und die Überlegungen<br />

zum Christentum als der ideologischen Umgebung, in der die Vorstellung<br />

des bornierten Individuums gedeihen kann (S. 45f.).

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