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occasional papers - Geschwister-Scholl-Institut für ...

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46<br />

Ebene einer dämonisch verschlossenen Existenz dar. Marx wußte,<br />

daß er ein Gott war, der eine Welt erschafft. Er wollte kein Geschöpf<br />

sein. Er wollte die Welt nicht aus der Perspektive der kreatürlichen<br />

Existenz sehen – obwohl er zugab, daß der Mensch Schwierigkeiten<br />

hat, aus dem alten Trott herauszukommen. Er wies die großen Zerrissenheiten<br />

des Seins, die in der Erfahrung gegeben sind, zurück –<br />

die Zerrissenheiten von Mensch und Welt, von immanentem Sein<br />

und transzendenter Realität, von Mensch und Gott, Subjekt und<br />

Objekt, Aktion und Kontemplation, die Zerrissenheiten, die auf das<br />

Mysterium der Schöpfung hinweisen. Er wollte die Welt vom Standpunkt<br />

der coincidentia oppositorum aus sehen, das heißt vom Standpunkt<br />

Gottes aus. Er erreichte diese Sicht in den Thesen durch die<br />

Konstruktion des hermetisch versiegelten Existenzstroms, in dem die<br />

Gegensätze ineinander verwandelt werden. Er schuf das Symbol der<br />

verschlossenen Welt, in der Subjekte Objekte und Objekte eine subjektive<br />

Tätigkeit sind; wo die Dinge sind, was sie sind, und zur selben<br />

Zeit ihr Gegenteil sind. Kurzum: Bei der Beschreibung seines<br />

Existenzstroms wendete er die Methoden der Spekulation an, die die<br />

Mystiker bei der Übersetzung der Gotteserfahrung in eine weltimmanente<br />

Sprache anwenden. Nach den Maßstäben mystischer<br />

Spekulation ist die Konstruktion einwandfrei. Sie ist wahrscheinlich<br />

der beste Weltfetisch (“world fetish”), der jemals von einem Menschen<br />

entworfen wurde, der Gott sein wollte.<br />

Wir müssen uns die volle Bedeutung dieses Unterfangens vergegenwärtigen.<br />

Das Schauspiel eines Menschen, der sich derartige dämonische<br />

Extravaganzen leistet, mag abscheulich sein, aber die<br />

abscheulichen und vielleicht komischen Aspekte machen die Aufführung<br />

in sozialer Hinsicht nicht weniger gefährlich. Es gibt eine<br />

beträchtliche Anzahl von Menschen, die Götter sein wollen. Während<br />

Marx im Hinblick auf die Fähigkeiten des Durchschnittsmenschen,<br />

sich an seinen eigenen Hosenträgern (“boot straps”)<br />

selbst zur Göttlichkeit hochzuziehen, völlig zu Recht pessimistisch

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