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Der Burgbote 1969 (Jahrgang 49)

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verbergen, dann machen wir alles Mögliche<br />

und Unmögliche — letzteres Ist der häufigere<br />

Fall — dafür verantwortlich. Als Entschuldi<br />

gungsgründe, also als Blitzableiter, müssen<br />

dann die Erbanlagen Insbesondere „der alte<br />

Adam" — sozusagen als selbstgezimmerte<br />

Vererbungslehre — herhalten. Diese Blltzableltertheorle<br />

Ist nicht nur In der großen<br />

Politik zu Hause, sondern sie feiert auch<br />

sonst In Beruf und Familie wahre Triumphe.<br />

So bleibt auch der Alltag und dabei auch die<br />

eigene Familie von einer Blltzablelterfunktlon<br />

nicht verschont. Bemerkt man bei seinen<br />

eigenen Kindern Fehler, so sucht man nicht<br />

bei sich sondern bei dem anderen Ehegatten<br />

oder — das Ist etwas taktvoller — In dessen<br />

Ahnengalerle die Schuld dafür. Je nach den<br />

Zelten ändern sich die Akteure In diesem<br />

Satyr- und Komödiantenspiel. Früher einmal<br />

dienten die „Dienstmädchen" als Blitzableiter<br />

der „gnädigen Frau", heute sind da die Rollen<br />

vertauscht. Anders ausgedrückt: „Die Raum<br />

pflegerin" beherrscht dank Ihrem Seltenheits<br />

wert die Familie.<br />

Damit sind wir bei der zweiten Sorte von<br />

Blitzableitern angelangt, die nicht von der<br />

Ursache sondern von der Wirkung ausgehen.<br />

Hier wird Immer „der Andere" - z. B. der<br />

politisch anders Denkende, leider oft als poli<br />

tischer „Gegner" bezeichnet — oder der Mit<br />

arbeiter — leider oft sehr taktlos als „Unter<br />

gebener" bezeichnet — dafür verantwortlich<br />

gemacht, daß einem etwas schief gegangen<br />

Ist. „Du hast sicher wieder den Hausschlüssel<br />

verlegt", sagt die Mutter zur Tochter, und da<br />

bei befand sich dieser Schlüssel In der Hand<br />

tasche der Mutter. So wird auch oft ein auf<br />

gespeicherter Zorn an dem „Anderen" — das<br />

sollte auch schon mal der hieran völlig un<br />

schuldige Ehegatte sein — ausgelassen.<br />

Für solche Fälle gibt es In Österreich und zwar<br />

Im Wiener Prater einen wunderschönen Blitz<br />

ableiter In Gestalt des sog. Watschenmannes.<br />

Dort kann man für wenig Geld dieser Figur<br />

In Menschengestalt Ohrfelgen also Watschen<br />

verpassen, soweit die Kräfte und das Geld —<br />

die Gebühr für diese Kopfarbelt richtet sich<br />

nach der Zahl der Watschen — reichen. <strong>Der</strong><br />

Kopf dieses stillen Dulders Ist welch — Holz<br />

wolle mit Stoff überzogen -, so tut man sich<br />

bei diesem Werk der modernen Nächstenliebe<br />

nicht weh. <strong>Der</strong> Watschenmann merkt nichts<br />

und hat dazu Im Gegensatz zu den Menschen<br />

nicht die Möglichkeit zu widersprechen und<br />

dadurch den Zorn welter zu erhöhen. Er Ist<br />

eben nur — und das Ist gerade seine Stärke —<br />

Blitzableiter. Für den Alltag müßte man In<br />

seiner unmittelbaren Umgebung etwas Ähn<br />

liches haben!<br />

Es gibt noch ein weiteres Rezept, das zu<br />

weilen noch besser praktikabel Ist. Dieses<br />

Rezept beherrschen auch die Österreicher, die<br />

übertiaupt nachahmenswerte Lebenskünstler<br />

sind, besonders gut. Zudem Ist dieses Re<br />

zept charmant — küß die Hand, gnäd'ge<br />

Frau! —, In<br />

Noten verpackt durch Johann<br />

Strauß, der ganzen Welt zur Nachahmung<br />

empfohlen: „Glücklich Ist, wer vergißt, was<br />

doch nicht zu ändern Ist!" Die Befolgung<br />

dieses Rats soll schon viel Ärger und Ver<br />

druß erspart haben. Sollten wir diesen Bllt^<br />

ablelter, jenes „Schwamm drüber!" nicht II<br />

Alltag häufiger tienutzen?<br />

Aber eine andere Lebenserfahrung sollte da<br />

bei nicht vergessen werden, öft wird die Grob<br />

heit und die Bosheit durch Höflichkeit ent<br />

waffnet, und häufig macht Verzeihen und Ver<br />

gessen aus Feinden Freunde. Immer aber er<br />

stirbt bei Hartherzigkeit die Liebe, auch die<br />

Nächstenliebe. Nur der Mensch, bei dem sich<br />

Selbstbeherrschung mit selbstloser Herzens<br />

güte paart, braucht keinen Blitzableiter mehr.<br />

Doch wessen Menschen Kern Ist schon so<br />

geerdet?<br />

„Mit" oder „über"<br />

Eine Betrachtung zum Sinn des Lebens<br />

Keiner kann allein auf dieser Erde leben. Daß<br />

die Welt noch funktioniert, verdankt sie dem<br />

„MIt-elnander" der Menschen. Daß eine Ehe<br />

oder eine Kindererziehung klappt, verdanken<br />

die Ehepartner dem gleichen Phänomen. Ab<br />

und zu — Insbesondere vor Neuwahlen — er<br />

innern sich auch so manche Politiker daran,<br />

daß sie nicht losgelöst vom Willen Ihrer<br />

Wähler Politik machen sollen. Dann wird der<br />

Wähler umworben, man nennt Ihn plötzll(/<br />

„MIt-bürger" und stellt sich damit glelchsaV<br />

auf die gleiche Stufe.<br />

Wer den tiefsten Sinn des Miteinander Im<br />

Leben Insbesondere auch In der Begegnung<br />

mit seinen Mitmenschen verwirklicht, geht da<br />

bei unmerklich noch einen Schritt welter.<br />

Dann wird aus dem „MIt-elnander" das ethisch<br />

so hochstehende „Für-elnander". Wenn wir<br />

das uns allen so liebe Wort „Mutter" In den<br />

Mund nehmen, so denken wir dabei auch an<br />

dieses selbstlose „sich-verschenken", wie es<br />

aus einem edlen Naturtrieb In der Menschenund<br />

Tierwelt eben nur eine Mutter kann.<br />

So rührt uns das Gleichnis des barmherzigen<br />

Samariters genau so wie die Legende des<br />

heiligen Martin, der den Kindern als mensch-

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