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Musik als lebensgestaltende Kraft! von Dr. Werner Jüsgen<br />
Anläßlich des Konzertes des KMGV vor einem Jahr in Wien, veröffentlicht der <strong>Burgbote</strong> eine Hul<br />
digung unseres Sangeshruders Dr. Werner Jüsgen, die er als persönliche Widmung dem Präsiden<br />
ten des Wiener Männergesangv er eins am Abend unseres Konzerts übergab. Mögen diese Gedenk<br />
worte auch in uns noch einmal die Erinnerung an diese schöne Wiener Reise wachrufen. In zwei<br />
später für die Veröffentlichung im <strong>Burgbote</strong>n vom Verfasser hinzugefügten Anmerkungen ist noch<br />
auf neue Ereignisse aus dem Musikleben Wiens, soweit sie mit dem Themenkreis der Gedenkworte<br />
zusammenhängen, hingewiesen.<br />
Wenn heute am 5. Oktober 1968 der Kölner<br />
Männer-Gesang-Verein in dem Großen Musik<br />
vereinssaal in Wien aus Aniaß des 125jährigen<br />
Bestehens des Wiener Männer-Gesang-Vereins<br />
ein Chorkonzert gibt, so ist dies auch<br />
ein Anlaß zum Rückblick. Wir denken dabei<br />
nicht nur an die in früheren Jahren stattge<br />
fundenen Konzerte unseres Vereins hier in<br />
Wien, sondern erinnern uns auch des letzten<br />
Konzertes Ihres Vereins in Köln kurz nach<br />
der Wiedererrichtung des Kölner Gürzenich,<br />
bei dem auch ein Bruder Ihres derzeitigen<br />
Präsidenten Ihren Chor im Gürzenich diri<br />
gierte. Damals erklang als eine Art Auftakt<br />
in unserei^ Kölner Konzertsaal von Ihrem<br />
Chor mit Begleitung der Wiener Symphoniker<br />
u. a. der unsterbliche Walzer „An der schönen<br />
blauen Donau" von Johann Strauß. Wir er<br />
innern uns aber heute auch daran, daß vor<br />
etwa 1 1/2 Jahren, als unser Verein sich in<br />
Köln anschickte, sein 125]ähriges Jubiläum zu<br />
feiern, piötzlich Dr. Konrad Adenauer starb.<br />
Damals sang im Hohen Dom zu Köln, in dem<br />
das Ehrenmitglied unserer beiden Vereine<br />
aufgebahrt war, der Kölner Männer-Gesang-<br />
Verein ein letztes Mal dem Verstorbenen ei<br />
nen musikalischen Gruß und nahm so in einer<br />
unvergeßlichen Feierstunde Abschied von Dr.<br />
Konrad Adenauer. Unter uns Sängern stand<br />
dabei auch Ihr Präsident, Herr Dr. Strauß. Wie<br />
jetzt in der gemeinsamen Freude über Ihr<br />
Jubiläum waren wir damals vereint im ge<br />
meinsamen Schmerz um einen großen Freund,<br />
den wir verloren hatten. Heute ist unser Prä<br />
sident, Dr. Max Adenauer, der Sohn von Dr.<br />
Konrad Adenauer, mit uns vom Rhein zur<br />
Donau gekommen, um Ihnen zu gratulieren.<br />
Aber in diesem so schönen nun auch fast<br />
100 Jahre alten Konzertsaal bewegen uns<br />
noch weitere Gedanken. Welche bedeuten<br />
den Komponisten haben hier gewirkt, welche<br />
bedeutenden Künstler haben hier in diesem<br />
herrlichen Saale die Menschen begiückt! Und<br />
heute dürfen wir hier stehen, welch' unsag<br />
bares Glück. Wir älteren Sänger wissen aus<br />
jahrzehntelanger Erfahrung, wie sehr uns der<br />
Die Redaktion<br />
Umgang mit der Musik beglückt und/auch im<br />
besten Sinne menschlich geformt hat. So<br />
möchte ich den Anlaß unseres heutigen Fe^konzertes<br />
dazu benutzen, um aus meif<br />
Sicht gerade der Jugend in dieser Hinsi^t<br />
auch etwas mit auf den Weg zu geben, über<br />
das nachzudenken sich lohnen dürfte. Wie<br />
eng dies alles mit Österreich, mit Wien, mit<br />
diesem Konzertsaal zusammenhängt, werden<br />
Sie hören. Doch nun blende ich zunächst in<br />
meinem Leben einige Jahrzehnte zurück.<br />
Als ich zum 1. November 1938, also jetzt vor<br />
rund 30 Jahren von Thüringen nach Wien<br />
versetzt wurde, unterbrach ich meine Reise<br />
nach Wien in' Linz und machte einen Abste<br />
cher zum Stift St. Florian. Dort interessierte<br />
mich nicht nur die herrliche von Carlo An<br />
tonio Carlone erbaute Stiftskirche und das<br />
Stift mit seinen wunderbaren Altdorfer Ge<br />
mälden. Es sollte auch eine Pilgerfahrt zum<br />
Grabe von Anton Bruckner sein, der in einem<br />
Sarkophag unter der Barockorgel, die Bruck<br />
ner zehn Jahre als Stiftsorganist gespielt hat<br />
te, seine letzte irdische Ruhestätte gefunden<br />
hatte.<br />
Da stand ich nun an seiner Grabstätte, wäh<br />
rend über mir die Brucknerorgel erklang. Nur<br />
von fern vermochte Ich damals die Größe die<br />
ses von mir so hoch verehrten Komponistjj»<br />
zu ahnen. Prachtvoll war jener Festsaal cf<br />
Stiftes, in dem damals jährlich die grol^i<br />
Brucknerfeste stattfanden. Aber ich besuchte<br />
auch das kleine Zimmer in dem Stift, in dem<br />
Bruckner so lange gewohnt hatte. Etwas Einfacherers<br />
als die Einrichtung dieses Zim<br />
mers, in dem Meisterwerke unvergänglicher<br />
Größe geschaffen waren, kann man sich nicht<br />
vorstellen. Aber unsterbliche Meisterwerke<br />
sind ja selten in Luxusappartements entstän<br />
den. Zum Abschied von St. Florian stand ich<br />
im Stiftsgarten vor einem Kreuz unterhalb des<br />
Zimmers von Bruckner. Dieses Kreuz war um<br />
rankt von Laubblättern, die der Herbst in alien<br />
Farben aufleuchten ließ. Dieses Kreuz und<br />
sein Standort unterhalb des Zimmers von<br />
Bruckner ist fast symbolisch für die reine See-