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Der Burgbote 1969 (Jahrgang 49)

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Musik als lebensgestaltende Kraft! von Dr. Werner Jüsgen<br />

Anläßlich des Konzertes des KMGV vor einem Jahr in Wien, veröffentlicht der <strong>Burgbote</strong> eine Hul<br />

digung unseres Sangeshruders Dr. Werner Jüsgen, die er als persönliche Widmung dem Präsiden<br />

ten des Wiener Männergesangv er eins am Abend unseres Konzerts übergab. Mögen diese Gedenk<br />

worte auch in uns noch einmal die Erinnerung an diese schöne Wiener Reise wachrufen. In zwei<br />

später für die Veröffentlichung im <strong>Burgbote</strong>n vom Verfasser hinzugefügten Anmerkungen ist noch<br />

auf neue Ereignisse aus dem Musikleben Wiens, soweit sie mit dem Themenkreis der Gedenkworte<br />

zusammenhängen, hingewiesen.<br />

Wenn heute am 5. Oktober 1968 der Kölner<br />

Männer-Gesang-Verein in dem Großen Musik<br />

vereinssaal in Wien aus Aniaß des 125jährigen<br />

Bestehens des Wiener Männer-Gesang-Vereins<br />

ein Chorkonzert gibt, so ist dies auch<br />

ein Anlaß zum Rückblick. Wir denken dabei<br />

nicht nur an die in früheren Jahren stattge<br />

fundenen Konzerte unseres Vereins hier in<br />

Wien, sondern erinnern uns auch des letzten<br />

Konzertes Ihres Vereins in Köln kurz nach<br />

der Wiedererrichtung des Kölner Gürzenich,<br />

bei dem auch ein Bruder Ihres derzeitigen<br />

Präsidenten Ihren Chor im Gürzenich diri<br />

gierte. Damals erklang als eine Art Auftakt<br />

in unserei^ Kölner Konzertsaal von Ihrem<br />

Chor mit Begleitung der Wiener Symphoniker<br />

u. a. der unsterbliche Walzer „An der schönen<br />

blauen Donau" von Johann Strauß. Wir er<br />

innern uns aber heute auch daran, daß vor<br />

etwa 1 1/2 Jahren, als unser Verein sich in<br />

Köln anschickte, sein 125]ähriges Jubiläum zu<br />

feiern, piötzlich Dr. Konrad Adenauer starb.<br />

Damals sang im Hohen Dom zu Köln, in dem<br />

das Ehrenmitglied unserer beiden Vereine<br />

aufgebahrt war, der Kölner Männer-Gesang-<br />

Verein ein letztes Mal dem Verstorbenen ei<br />

nen musikalischen Gruß und nahm so in einer<br />

unvergeßlichen Feierstunde Abschied von Dr.<br />

Konrad Adenauer. Unter uns Sängern stand<br />

dabei auch Ihr Präsident, Herr Dr. Strauß. Wie<br />

jetzt in der gemeinsamen Freude über Ihr<br />

Jubiläum waren wir damals vereint im ge<br />

meinsamen Schmerz um einen großen Freund,<br />

den wir verloren hatten. Heute ist unser Prä<br />

sident, Dr. Max Adenauer, der Sohn von Dr.<br />

Konrad Adenauer, mit uns vom Rhein zur<br />

Donau gekommen, um Ihnen zu gratulieren.<br />

Aber in diesem so schönen nun auch fast<br />

100 Jahre alten Konzertsaal bewegen uns<br />

noch weitere Gedanken. Welche bedeuten<br />

den Komponisten haben hier gewirkt, welche<br />

bedeutenden Künstler haben hier in diesem<br />

herrlichen Saale die Menschen begiückt! Und<br />

heute dürfen wir hier stehen, welch' unsag<br />

bares Glück. Wir älteren Sänger wissen aus<br />

jahrzehntelanger Erfahrung, wie sehr uns der<br />

Die Redaktion<br />

Umgang mit der Musik beglückt und/auch im<br />

besten Sinne menschlich geformt hat. So<br />

möchte ich den Anlaß unseres heutigen Fe^konzertes<br />

dazu benutzen, um aus meif<br />

Sicht gerade der Jugend in dieser Hinsi^t<br />

auch etwas mit auf den Weg zu geben, über<br />

das nachzudenken sich lohnen dürfte. Wie<br />

eng dies alles mit Österreich, mit Wien, mit<br />

diesem Konzertsaal zusammenhängt, werden<br />

Sie hören. Doch nun blende ich zunächst in<br />

meinem Leben einige Jahrzehnte zurück.<br />

Als ich zum 1. November 1938, also jetzt vor<br />

rund 30 Jahren von Thüringen nach Wien<br />

versetzt wurde, unterbrach ich meine Reise<br />

nach Wien in' Linz und machte einen Abste<br />

cher zum Stift St. Florian. Dort interessierte<br />

mich nicht nur die herrliche von Carlo An<br />

tonio Carlone erbaute Stiftskirche und das<br />

Stift mit seinen wunderbaren Altdorfer Ge<br />

mälden. Es sollte auch eine Pilgerfahrt zum<br />

Grabe von Anton Bruckner sein, der in einem<br />

Sarkophag unter der Barockorgel, die Bruck<br />

ner zehn Jahre als Stiftsorganist gespielt hat<br />

te, seine letzte irdische Ruhestätte gefunden<br />

hatte.<br />

Da stand ich nun an seiner Grabstätte, wäh<br />

rend über mir die Brucknerorgel erklang. Nur<br />

von fern vermochte Ich damals die Größe die<br />

ses von mir so hoch verehrten Komponistjj»<br />

zu ahnen. Prachtvoll war jener Festsaal cf<br />

Stiftes, in dem damals jährlich die grol^i<br />

Brucknerfeste stattfanden. Aber ich besuchte<br />

auch das kleine Zimmer in dem Stift, in dem<br />

Bruckner so lange gewohnt hatte. Etwas Einfacherers<br />

als die Einrichtung dieses Zim<br />

mers, in dem Meisterwerke unvergänglicher<br />

Größe geschaffen waren, kann man sich nicht<br />

vorstellen. Aber unsterbliche Meisterwerke<br />

sind ja selten in Luxusappartements entstän<br />

den. Zum Abschied von St. Florian stand ich<br />

im Stiftsgarten vor einem Kreuz unterhalb des<br />

Zimmers von Bruckner. Dieses Kreuz war um<br />

rankt von Laubblättern, die der Herbst in alien<br />

Farben aufleuchten ließ. Dieses Kreuz und<br />

sein Standort unterhalb des Zimmers von<br />

Bruckner ist fast symbolisch für die reine See-

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