Berliner Kurier 23.09.2018
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Keiras Mutter Karin bei<br />
der Beisetzung ihrer<br />
Tochter.Sie trifft sich mit<br />
ehemaligen Klassenkameraden.<br />
„Wir weinen dann<br />
gemeinsam“, sagt die<br />
Mutter.„Dashilft den<br />
Kindern.“ Ab Dienstag<br />
steht der Täter vorGericht.<br />
Hohenschönhausen – Kann<br />
dieser Prozessden Schmerz<br />
einer trauernden Mutter<br />
lindern? Ab Dienstag steht<br />
Edgar H. (15) vor Gericht.<br />
Es geht um Mord, aber die<br />
Verhandlung ist wegen seines<br />
Alters nicht öffentlich.<br />
Die Staatsanwaltschaft<br />
wirft dem Schüler vor,am7.<br />
März dieses Jahres die 14<br />
Jahre alte Keira in deren elterlicher<br />
Wohnung in Hohenschönhausen<br />
getötet zu<br />
haben. Der Fall hatte bundesweitfür<br />
Schlagzeilen gesorgt.<br />
Am Montag wäre das<br />
Mädchen 15 Jahre alt geworden.<br />
Voller Trauer hat<br />
sich jetzt erstmals Keiras<br />
Mutter öffentlich geäußert.<br />
Es gehört Mut dazu, wenn<br />
Hinterbliebene von Gewaltopfern<br />
ihre Gefühle öffentlich<br />
machen. Karin G., die ihre<br />
Tochterdurch eine Messerattacke<br />
verlor, spricht vor dem<br />
Prozessgegen den mutmaßlichen<br />
Mörder über ihr Leben<br />
nach der Gewalttat. Drei<br />
Möglichkeiten sah Karin G.<br />
nach der Messerattacke gegen<br />
ihre einzige Tochter: Aus dem<br />
Fenster springen, den<br />
Schmerz im Alkohol ertränken<br />
oder weitermachen mit<br />
dem Leben. „Keira hätte nicht<br />
gewollt, dass ich aufgebe“,<br />
sagt die 41-Jährige. „In meinem<br />
Leben ist nichts mehr so,<br />
wie es war. Und es gibt nichts,<br />
was es wieder gut macht. Meine<br />
Tochter bleibt tot.“<br />
Karin G. hatte ihr blutüberströmtes<br />
Mädchen am 7. März<br />
in ihrer Wohnung gefunden,<br />
als sie von der Arbeit in einer<br />
Immobilienfirma kam. Ärzte<br />
konnten das Leben der 14-<br />
Jährigen nicht mehr retten. In<br />
der Anklage heißt es, Keira<br />
wurde mit einer Vielzahl von<br />
Messerstichen„tatplangemäß<br />
getötet“. Sie kannte ihren<br />
mutmaßlichen Mörder. Sie<br />
gingen auf dieselbe Schule.<br />
Am Dienstag beginnt nun<br />
der Prozess gegen einen 15<br />
Jahre alten Deutschen am<br />
Landgericht. Karin G. will als<br />
Nebenklägerin zu jedem Verhandlungstag<br />
hingehen, unterstützt<br />
von ihrem Anwalt<br />
Roland Weber, der auch Berlins<br />
Opferbeauftragter ist.<br />
„Die Verantwortung für meine<br />
Tochter hört janicht mit<br />
ihrem Tod auf“, sagtdie Mutter.<br />
Bei einer Verurteilung<br />
wegen Mordes droht dem<br />
Jungen eine Jugendstrafe von<br />
maximal zehn Jahren. Seit<br />
dem 11. März sitzt er in U-<br />
Haft. Über die Hintergründe<br />
der Tat ist bislang nichts bekannt.<br />
Wegziehen und neu<br />
anfangen? Karin G. schüttelt<br />
den Kopf. „Hier bin ich meiner<br />
Tochter nah, hier sind die Erinnerungen<br />
an sie.“<br />
In ihrem Zimmer steht der<br />
Rucksack mit den Schlittschuhen<br />
noch so da, als würde sie<br />
gleich zum Training starten. Keira<br />
trainierte beim TSC und war<br />
im Januar in ihrer Altersklasse<br />
<strong>Berliner</strong> Meisterin über 1000 sowie<br />
1500 Meter geworden.Sie sei<br />
bei vielen Wettkämpfen mit dabei<br />
gewesen, erzählt die Mutter.<br />
Zusammen seien sie verreist, Paris<br />
und Rom sollten die nächsten<br />
Ziele sein. „Keira hatte mindestens<br />
20 beste Freunde, sie kannte<br />
Beruf<br />
So arbeiten deutsche<br />
Bürogemeinschaften<br />
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Hinz und Kunz mit ihrer positiven<br />
Ausstrahlung, war beliebtan<br />
ihrer Schule, wo sie nur Koko genannt<br />
wurde.“ Mitschüler besuchen<br />
sie regelmäßig. „Wir weinen<br />
dann gemeinsam. Das hilft<br />
den Kindern“, sagt die Mutter im<br />
Abendschau-Interview.<br />
Die allein lebende Frau hält<br />
sich mit ihren Erinnerungen<br />
über Wasser und kann nach ihren<br />
Worten nicht vor anderen<br />
weinen. Jeden Tag geht sie zum<br />
Friedhof. Der Tod hatte bundesweit<br />
Bestürzung ausgelöst. Die<br />
Anteilnahme habe ihr Kraft und<br />
das Gefühl gegeben, mit der<br />
SEITE5<br />
BERLINER KURIER, Sonntag, 23. September 2018<br />
Morgen wäredas Mädchen 15 Jahrealt geworden,<br />
einen Tagspäter beginnt der Prozessgegen den Täter<br />
Karin G. beim<br />
Gespräch mit der<br />
Abendschau.<br />
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Trauer nicht allein zu sein, hatte<br />
Keiras Mutter damals in einem<br />
Brief an die Öffentlichkeit mitgeteilt.<br />
Bekannte, Freunde, Nachbarn,<br />
die Schule – alle hätten<br />
Mitgefühl gezeigt. Geld für die<br />
Beisetzung sei gesammelt worden.<br />
Aber gleichzeitig blieben andere<br />
aus ihrem Umfeld einfach<br />
weg. „Viele können mit dem Tod<br />
nicht umgehen, sind hilflos.“<br />
Auch im Büro habe sie das Gefühl,<br />
dass die wenigsten wüssten,<br />
wie sie mit ihr umgehen sollen.<br />
Rückkehr in die Normalität? Das<br />
schaffe sie einfach nicht, sagtdie<br />
gelernte Pferdewirtin.<br />
Karin G. hat eine Trauma-Therapie<br />
gemacht. Und es kommt<br />
noch eine weitere zur Trauer-<br />
Bewältigung hinzu. Sie grübelt–<br />
dass es jeden hätte treffen können<br />
und warumesimmer wieder<br />
Messerattacken gibt. „Wer ein<br />
Messer zieht, hat eine Tötungsabsicht–das<br />
sollte in jedem Fall<br />
so geahndet werden“, findet die<br />
Mutter. Vom Täter und dessen<br />
Eltern kein Wort –sie haben sich<br />
bei ihr nicht gemeldet. „Und jetzt<br />
will ich das auch gar nicht mehr.“<br />
Jutta Schütz, LS<br />
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