Berliner Kurier 02.10.2018
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BERLINER KURIER, Dienstag, 2. Oktober 2018<br />
meister dem Kunst-Bau einer<br />
Mauer im Herzen der Stadt applaudiert.<br />
Der Regierende Bürgermeister<br />
stammt übrigens<br />
aus Tempelhof, der beliebteste<br />
Politiker, der Kultursenator,<br />
aus Frankfurt/Oder.<br />
<strong>Berliner</strong> Ost-West-Debatten<br />
werden subtiler, differenzierter<br />
geführt. Die Zeit der großen<br />
Polarisierung ist aber vorbei,<br />
eigentlich wäre es jetzt<br />
Zeit, die Aufarbeitung der<br />
Neunziger zu beginnen. Bei<br />
den letzten Kalten Kriegern,<br />
den Vertretern der Gedenkstätte<br />
Hohenschönhausen und<br />
der <strong>Berliner</strong> CDU, stehen Generationenwechsel<br />
an oder<br />
sind bereits im Gange. Hubertus<br />
Knabe wurde abgesetzt, bei<br />
der CDU drängt der Ost-<strong>Berliner</strong><br />
Mario Czaja nach vorn.<br />
Wenn man sich in Berlin mit<br />
dem Auto bewegt, kommt man<br />
immer noch schneller von Ost<br />
nach Ost, als von Ost nach<br />
West. Wenn die Zeitungen etwas<br />
über die Stadt erzählen<br />
wollen, die Zahl der Spaßbäder,<br />
der bilingualen Schulen,<br />
der AfD-Wähler, unterteilen<br />
sie in Ost und West, nicht in<br />
Nord und Süd.<br />
Neulich kam mein Mann von<br />
der Elternversammlung und<br />
sagte: „Ist dir aufgefallen, dass<br />
fast alle unsere <strong>Berliner</strong> Freunde<br />
entweder Ostler oder Ausländer<br />
sind?“ Sie wohnen fast<br />
alle im Ostteil der Stadt. Ein<br />
paar leben in Kreuzberg, aber<br />
das gehört ja gefühlt auch<br />
schon zum Osten.<br />
Als eine Freundin ein Hospiz<br />
für den todkranken Vater<br />
suchte, schaute sie sich nur in<br />
den Ost-Bezirken um. Der<br />
Westteil der Stadt, soviel war<br />
klar, kam für ihn nicht in Frage.<br />
Ein junger Mann aus Neukölln,<br />
1989 geboren, erzählt, dass er<br />
fast nur West-<strong>Berliner</strong> Freunde<br />
hat, die er schon aus Schulzeiten<br />
kennt. Im Osten der<br />
Stadt sei er nie unterwegs. Man<br />
bleibt unter sich, in seinem<br />
Teil der Stadt. Das hat nichts<br />
mit Abschottung zu tun, sondern<br />
das ist aucheine Form der<br />
Freiheit: zu bleiben, wo man<br />
sich zu Hause fühlt.<br />
In Berlin ist der Ost-West-<br />
Konflikt nicht gelöst worden, er<br />
hat nur Ableger gebildet. Er ist<br />
nur einerunter vielen. Die Verteilungskonflikte<br />
finden zwischen<br />
Zentrum und Peripherie<br />
statt, zwischen der schicken<br />
Mitte auf der einen, Spandau<br />
und Marzahn auf der anderen<br />
Seite. Wie lange kann man sich<br />
noch die Miete der Wohnung<br />
leisten? Seit wann ist Bus-und-<br />
Bahn-Fahren zu einem Kampfsport<br />
geworden? Warum ist es<br />
so schwer, einen Krippenplatz<br />
zu finden? Oder einen Platz im<br />
Hospiz?Wie kann es sein, dass<br />
man Angst davor haben muss,<br />
wenn das Kind indie Schule<br />
kommt, weil man seit Jahren<br />
nur Horrornachrichten hört?<br />
Warum wirkt die Stadt überfordert<br />
von ihrem eigenen Erfolg?<br />
Und sieht so selten, wie viele<br />
Grenzen sie hinter sich gelassen<br />
hat?<br />
Fotos: Getty Images<br />
Heute Abend werden The BossHoss<br />
beim großen Pop-Konzerterwartet<br />
So feiertBerlin<br />
drei Tage lang<br />
die Einheit<br />
Berlin –Bei diesem rauschenden<br />
Fest ist viel Durchhaltevermögen<br />
gefragt: Unter dem Motto<br />
„Nur mit Euch“ wird in Berlin<br />
drei Tage lang die Einheit<br />
gefeiert, und mehr als eine Million<br />
Gäste haben sich angekündigt.<br />
Die riesige Partymeile erstreckt<br />
sich vom Hauptbahnhof<br />
zum Potsdamer Platz und<br />
von der Siegessäule auf der<br />
Straße des 17. Juni bis zum<br />
Platz der Republik. Ein 2,5 Kilometer<br />
langes Band der Einheit<br />
aus 11040 Ortsschildern aller<br />
deutschen Städte und Gemeinden<br />
verbindet die Festzone.<br />
Heute steigt vor dem Brandenburger<br />
Tor ab 19 Uhr ein<br />
Konzert mit The Boss Hoss,<br />
George Ezra und Philipp Volksmund.<br />
Auf der zweiten Bühne<br />
an der Straße des 17. Juni präsentiert<br />
Kolja Kleeberg ab 14<br />
Uhr seine Kochkünste und ab<br />
16.15 Uhr stellt Regisseur Volker<br />
Heise („24h Berlin“) seinen<br />
Radioeins-Podcast „1929 –Das<br />
Jahr in Babylon“ vor. Berlins<br />
Regierender Michael Müller<br />
wird am 3. Oktober ab 18.15 Uhr<br />
auf der Bühne an der Straße des<br />
17. Juni reden.<br />
Höhepunkt der Dreitageparty<br />
ist morgen ab 19.30 Uhr ein<br />
Konzert auf der Bühne vor dem<br />
Brandenburger Tor mit Samy<br />
Deluxe, Nena und Philipp Poisel<br />
und anschließendem Feuerwerk.<br />
Samy Deluxetritt morgen auf der<br />
Bühne am Brandenburger Torauf.