KUNSTINVESTOR AUSGABE NOVEMBER 2018
KUNSTINVESTOR Kunst als Kapitalanlage AUSGABE NOVEMBER 2018 Chefredakteur: Michael Minassian
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Kunst als Kapitalanlage
AUSGABE NOVEMBER 2018
Chefredakteur: Michael Minassian
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AUCTION<br />
13<br />
in der Tat verschmelzen bei seiner Version<br />
der „Lucretia“ – sie befindet sich heute<br />
im Museo Capodimonte – die spätcaravaggistischen<br />
Elemente eines Vouet,<br />
der damals in Italien weilte, mit den klassizistischen<br />
Zügen eines Reni. Artemisias Bild<br />
im Dorotheum ähnelt jenem Stanziones<br />
im Capodimonte sowohl in kompositorischer<br />
Hinsicht als auch in der Darstellung<br />
des prachtvollen Gewands der Lucretia.<br />
Zwischen 1635 und 1640, also wenige Jahre<br />
nach Artemisia, malte Stanzione eine<br />
weitere Version nach dem Vorbild ihrer<br />
„Lucretia“. Diese Arbeit für die Genueser<br />
Sammlung Durazzo Pallavicini war als<br />
Gegenstück seiner bereits erwähnten<br />
„Kleopatra“ konzipiert.<br />
ihrem Aufenthalt in der südlichen Hauptstadt<br />
wohl Anregungen bei Stanzione,<br />
brachte aber auch römische Einflüsse und<br />
ihre starke künstlerische Persönlichkeit ein.<br />
Lucretia darzustellen bedeutet bis heute, sich<br />
mit der Gewalt an Frauen und dem Triumph<br />
über die erlittene Pein auseinanderzusetzen.<br />
Wer wäre dazu eher berufen gewesen<br />
als Artemisia, deren kraftvolles Bild uns bis<br />
heute den Atem raubt!<br />
Information:<br />
Mark MacDonnell und<br />
Maria Cristina Paoluzzi,<br />
Experten für Alte Meister<br />
AUKTION<br />
Alte Meister<br />
23. Oktober <strong>2018</strong><br />
Von wem stammt nun die Idee zu dieser<br />
spezifischen Komposition des Sujets? Wie<br />
so oft bei Arbeiten des römischen Barock<br />
dürfte der Ursprung in der antiken Bildhauerkunst<br />
zu finden sein. In der Gartenanlage<br />
der Villa Medici in Rom befand<br />
sich eine der berühmtesten Skulpturengruppen<br />
der „Niobiden“. Diese römische<br />
Nachbildung des griechischen Originals<br />
war seit dem späten Cinquecento den<br />
meisten italienischen Künstlern bekannt;<br />
sie wurde 1770 in die Uffizien von<br />
Florenz überführt. Auch die „Niobide<br />
Chiaramonti“ in den Vatikanischen Museen<br />
war im 17. Jahrhundert dank etlicher<br />
antiker Vorbilder weithin bekannt; sie<br />
diente Artemisia bei der Darstellung der<br />
„Lucretia“ ebenfalls als Inspirationsquelle.<br />
Ganz bestimmt trugen diese Skulpturen<br />
dazu bei, dass Vouet, Reni, Artemisia<br />
und Stanzione ihre Protagonistin in dramatisch<br />
geneigter Pose zeigten. Eine<br />
der Niobiden versucht sich vergebens<br />
gegen die Pfeile des Apoll zu schützen.<br />
Bei den hier beschriebenen Gemälden<br />
nimmt die römische Edeldame Lucretia<br />
ebendiese Pose ein. Allerdings war in<br />
Neapel um 1630 die Verwendung antiker<br />
Vorbilder unüblich. Artemisia fand bei<br />
Inv. N. o 1416 © sbirky.ngprague.cz<br />
SIMON VOUET<br />
Simon Vouet<br />
Selbstmord der Lucretia, ca. 1625<br />
Öl auf Leinwand, 197 x 148 cm<br />
Nationalgalerie in Prag, Sternberg Palais