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KUNSTINVESTOR AUSGABE NOVEMBER 2018

KUNSTINVESTOR Kunst als Kapitalanlage AUSGABE NOVEMBER 2018 Chefredakteur: Michael Minassian

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Kunst als Kapitalanlage
AUSGABE NOVEMBER 2018
Chefredakteur: Michael Minassian

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Carla Accardi<br />

Integrazione ovale, 1958<br />

Kasein auf Leinwand, 131 x 197 cm<br />

Schätzwert € 160.000 – 260.000<br />

AUCTION<br />

19<br />

„Ich sehe das Malen nicht als Arbeit an, sondern als Vergnügen.<br />

Es ist für mich das Leben. Ich glaube an die Gabe des Instinkts,<br />

der im magischen Sinn des Werks seinen Ausdruck findet.<br />

Mir gefällt es, das Leben zum Thema meiner Arbeiten zu machen.<br />

Ich mag Gefühle, die nicht ideologisch gefärbt sind. Ich mag<br />

die ungezwungene Wärme in menschlichen Beziehungen und<br />

begegne den bedeutsamen Dingen zurückhaltend.“ CARLA ACCARDI<br />

Von starken kosmopolitischen Impulsen getrieben,<br />

erklärten die Künstler darin ihre Absichten:<br />

„Die Notwendigkeit, die italienische Kunst auf das<br />

Niveau der zeitgenössischen europäischen Strömungen<br />

zu bringen, zwingt uns zu einer klaren<br />

Haltung gegen jegliche dumme und engstirnige<br />

nationalistische Bestrebungen und gegen die<br />

nutzlose, klatschsüchtige Provinz, als die sich die<br />

italienische Kultur heute darstellt.“<br />

Die jungen Forma-1-Künstler waren Verfechter<br />

einer strukturierten, aber nicht gegenständlichen<br />

Kunst. Sie legten Wert auf Form und<br />

Zeichen in deren essenzieller, grundlegender<br />

Bedeutung, verzichteten in ihren Werken auf<br />

jeglichen symbolistischen oder psychologischen<br />

Anspruch und bezeichneten sich selbst als<br />

„Formalisten und Marxisten, die überzeugt<br />

sind, dass die Begriffe Marxismus und Formalismus<br />

nicht unvereinbar sind“.<br />

Interessanterweise kehrten die meisten von ihnen zu einer bildhaften<br />

Formensprache zurück und suchten den inneren Diskurs<br />

mit sich selbst. Von den Künstlern der Gruppe vertrat<br />

Carla Accardi die abstrakte Ausdrucksform in diesem inneren<br />

Diskurs am vehementesten. Sie war stets auf der Suche nach einer<br />

möglichst intimen, nicht gegenständlichen Ausdrucksweise.<br />

In den frühen 1950er-Jahren wurde eine tief greifende Internationalisierung<br />

der italienischen Kunstszene offenkundig, die Impulse<br />

sowohl aus dem Ausland als auch aus dem Inland aufnahm: Die<br />

italienischen Galeristen gewannen zunehmend Ausstellungen<br />

aus Übersee für sich, Venturi hielt Vorträge über die New Yorker<br />

Avantgarde, und Schriftsteller wie Flaiano, Moravia oder Elsa<br />

Morante intensivierten vorhandene Tendenzen zur Derealisierung<br />

des Erzählens zugunsten einer imaginären Sprache. 1951 kamen<br />

immer mehr Fotografien von Namuth in Umlauf, die Pollock im<br />

Schaffensprozess seiner Dripping-Werke zeigten, die auf dem Boden<br />

ausgelegten leeren Leinwände mit Tanzschritten umkreisend.<br />

So entstand die Idee der „Weiß auf Schwarz“-Kompositionen. Carla<br />

Accardi: „Es war ein Krisenjahr, ich war entmutigt und meinte, mit<br />

der Malerei nichts mehr anfangen zu können. In dieser Isoliertheit<br />

begann ich, direkt am Boden zu malen und Zeichen zu skizzieren.<br />

Ich verwendete jedoch Weiß auf Schwarz, da mich Schwarz auf<br />

Weiß nicht reizte – wegen seiner Durchschaubarkeit und weil der<br />

Künstler in diesem besonderen Moment ein Gefühl der Einzigartigkeit,<br />

der Neuheit haben muss, das ihn antreibt.“<br />

Courtesy Archivio Accardi Sanfilippo<br />

Zwischen den Linien taucht eine Anti-Malerei auf, bestehend aus<br />

Kontrasten und Umkehrungen, aus einer Bewegung, die darauf<br />

abzielt, die Hierarchie der Formen, der Farben und der Beziehungen<br />

zwischen der absoluten und der individuellen Vision umzukehren,<br />

wobei der Weg über die Auflösung und Zerstörung der<br />

Tradition führt. Genau das sucht Accardi in ihrer Malerei, wo ein<br />

Zeichen nicht allein für sich existieren kann, sondern in Bezug zu<br />

anderen Zeichen steht, mit diesen eine Struktur bildet und darin<br />

zum künstlerischen Ausdruck wird. Das magische und kluge Ganze<br />

erlangt die Bedeutung einer rigorosen Notwendigkeit, bleibt<br />

zugleich aber ein unberechenbares Spiel.<br />

Alessandro Rizzi ist Experte für Klassische Moderne und<br />

Zeitgenössische Kunst im Dorotheum. Ansperto Radice Fossati<br />

ist Student der Kunstgeschichte in Mailand.<br />

Rom, „Premio di Pittura,<br />

Sorelle Fontana”, 1959

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