KUNSTINVESTOR AUSGABE NOVEMBER 2018
KUNSTINVESTOR Kunst als Kapitalanlage AUSGABE NOVEMBER 2018 Chefredakteur: Michael Minassian
KUNSTINVESTOR
Kunst als Kapitalanlage
AUSGABE NOVEMBER 2018
Chefredakteur: Michael Minassian
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AUCTION<br />
28<br />
GUTE<br />
Ferdinand Georg Waldmüller<br />
Die Briefleserin, 1860<br />
Öl auf Holz, 51 x 45 cm<br />
Schätzwert € 280.000 – 350.000<br />
NACHRICHTEN<br />
Die intimen Alltagsszenen und Gemütsstimmungen, die Ferdinand<br />
Georg Waldmüller in seiner Kunst erzeugt, prägen das Verständnis der<br />
Biedermeierzeit bis heute. Zwei späte Arbeiten des Künstlers, die nun<br />
zur Auktion gelangen, sind repräsentative Beispiele dafür.<br />
VON KATHARINA NORDHOFEN<br />
Gute Nachrichten für Liebhaber der<br />
Kunst des Wiener Biedermeiers:<br />
Die beiden bekanntesten Maler<br />
dieser Zeit, Ferdinand Georg<br />
Waldmüller (1793–1865) und Friedrich von<br />
Amerling (1803–1887), sind in der kommenden<br />
Auktion Gemälde des 19. Jahrhunderts<br />
mit insgesamt fünf Werken stark vertreten.<br />
Mit der „Briefleserin“ lässt uns Waldmüller<br />
in ein kostbares großbürgerliches Interieur<br />
blicken. In meisterhafter Lichtregie bringt<br />
er die verschiedenen Stoffe zum Leuchten:<br />
Samtige Teppiche und üppige Blumenbouquets<br />
schaffen eine großzügige Atmosphäre.<br />
Der malerische Fokus des Bildes liegt jedoch<br />
auf dem strahlenden Seidenkleid der jungen<br />
Dame, in dessen tiefen Rockfalten sich das<br />
Licht fängt und die Farben des umgebenden<br />
Raumes reflektiert werden. Emotional<br />
dreht sich alles um den Brief: Das Gesicht<br />
der Empfängerin ist vor Freude und Aufregung<br />
gerötet, ihre Augen strahlen. Der Brief<br />
scheint wohl gute Nachricht zu überbringen.<br />
Angesichts der freudigen Reaktion der<br />
Dame lächelt die Dienerin im Hintergrund<br />
verschmitzt.<br />
Das einfachere Interieur des Gemäldes „Kinderzärtlichkeit“<br />
von 1863 gibt Waldmüller<br />
mit ebenso großer Beobachtungsgabe wieder<br />
wie den Salon der Briefleserin. Den simplen<br />
Dielenboden und die schlichte Kleidung<br />
der Familie fängt er mit flüssigem Pinselstrich<br />
ein. Im Zentrum des Bildes steht ein<br />
alltäglicher liebevoller Moment zwischen<br />
einer Mutter und ihren zwei Kindern. Stürmisch<br />
schmiegt sich der ältere Bruder an<br />
sein Geschwisterchen, das die Mutter auf<br />
dem Schoß hält. Ein kleiner Veilchenstrauß<br />
steht in einem Wasserglas auf dem Tisch,<br />
vielleicht ein Geschenk des Knaben an seine<br />
Mutter. Bei diesem Gemälde handelt es<br />
sich um eine Variation des Sujets, das sein<br />
beliebtes Bild „Mutterglück“ zum Inhalt hat.<br />
Alle Werke Waldmüllers in der Auktion<br />
gehören seinem Spätwerk an, sie stammen<br />
aus der Phase nach seinem Konflikt 1857 mit<br />
der Wiener Akademie. In mehreren mutigen<br />
Veröffentlichungen hatte er sich für Reformen<br />
und mehr Mitbestimmung der Künstler<br />
im akademischen Betrieb ausgesprochen.<br />
Dabei war er wohl zu weit gegangen,<br />
er wurde „zwangspensioniert“. Daraufhin