30.10.2018 Aufrufe

KUNSTINVESTOR AUSGABE NOVEMBER 2018

KUNSTINVESTOR Kunst als Kapitalanlage AUSGABE NOVEMBER 2018 Chefredakteur: Michael Minassian

KUNSTINVESTOR
Kunst als Kapitalanlage
AUSGABE NOVEMBER 2018
Chefredakteur: Michael Minassian

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

AUCTION<br />

17<br />

Artemisia zog alle Register vom Masochismus über<br />

Selbstmord bis hin zur Köpfung von Männern.<br />

Werden wir je erfahren, was davon von ihr kam und<br />

was die Auftraggeber so haben wollten?<br />

Das Schlimme ist, dass keine Skizzen von Artemisia erhalten<br />

sind, sonst könnten wir ihre „Handschrift“ lesen und<br />

wüssten mehr.<br />

In Ihrem Buch „The Obstacle Race“ beschreiben<br />

Sie Artemisia Gentileschi als „magnificent<br />

exception“, als „brillante Ausnahmefrau“. Sehen<br />

Sie in ihr eine Ausnahmepersönlichkeit, ein<br />

bedeutendes historisches Vorbild für alle<br />

Frauen, nicht nur für Künstlerinnen?<br />

In Hinblick auf ihre Rezeption über die Jahrhunderte kann<br />

man das so nicht sagen. Eine ihrer frühesten Arbeiten,<br />

„Susanna und die Ältesten“ – sie malte sie mit 17 Jahren –,<br />

ist eine wunderbare Studie eines jugendlichen Frauenkörpers.<br />

Handelt es sich hier tatsächlich um ihren Körper? Es<br />

ärgert mich, dass ständig über Artemisia geschrieben wird,<br />

ihre Arbeiten seien autobiografisch. Dieses Verbrechen wird<br />

immer und immer wieder an Frauen begangen – ihnen zu<br />

unterstellen, sie seien ihr eigenes Motiv. Simone de Beauvoir<br />

meinte, Künstlerinnen seien durch die Konzentration auf ihr<br />

eigenes Bewusstsein verblendet und würden sich dadurch<br />

vom Gegenstand der Kunst entfernen.<br />

Die Vergewaltigung wurde gewissermaßen zu ihrer<br />

Lebensgeschichte …<br />

… und jedes Mal, wenn sie einen Pinsel in die Hand nahm,<br />

war sie Opfer einer Vergewaltigung … Ich bitte Sie! Sie hatte<br />

vier Entbindungen und einen Nichtsnutz zum Mann,<br />

wegen dem sie verschuldet war und den sie schließlich<br />

verließ … Ich kann die offizielle Interpretation des von der<br />

National Gallery in London angekauften „Selbstporträts<br />

als heilige Katharina von Alexandrien“ nicht nachvollziehen.<br />

Da heißt es, das Rad sei eine Anspielung auf Artemisias<br />

Vergewaltigung. Nein, ist es nicht! Es ist ein Attribut<br />

der heiligen Katharina. Warum sollte Artemisia sich als<br />

Märtyrerin darstellen? Natürlich war sie voller Zorn, und<br />

gerade das macht ja ihre Bilder so aufregend – der geballte<br />

Zorn darin. Als Betrachter bekommt man regelrecht einen<br />

Schlag versetzt. Aber das Bild stellt weder sie dar noch handelt<br />

es von ihr. Angelika Kaufmann verbrannte alles, was<br />

ihr Leben dokumentierte, weil sie nicht zu ihrer eigenen<br />

Biografie werden wollte. Sie wusste sich vom Gossip zu<br />

befreien und es zu vermeiden, zu einer Legende zu werden.<br />

Jetzt müssen wir auch unsere Artemisia vom Gossip befreien,<br />

indem wir ihr Werk neu beleuchten.<br />

Die Fragen stellte Doris Krumpl, Pressesprecherin<br />

des Dorotheum.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!