10 COVERSTORY QUINTESSENZ <strong>03</strong>|<strong>18</strong> Von Stämmen und FOTOGRAFIE Claudio Martinuzzi Äpfeln EINE REISE INS MÜHLVIERTEL ZU EINEM DER BESTEN RESTAURANTS DES LANDES – DAS PHILIP RACHINGER JETZT SOLO BESPIELT.
11 Es ist ein Donnerstag zu einer Tageszeit, wo sich die meisten Menschen ernsthaft nach einem koffeinhältigen Getränk sehnen. Draußen vor der Tür des Mühltalhofs herrscht schon sehr viel Herbst, drinnen steht Philip Rachinger tapfer hinter der Bar und macht erst einmal Kaffee für alle. Er hat nicht ganz fünf Stunden geschlafen, erst um drei Uhr nachts war er im Bett. „Macht nix, das passt schon“, sagt er dann irgendwann, nimmt sein Häferl und macht sich auf in Richtung Küche. „Ich muss erst einmal kurz nachdenken, was ich koch“, sagt er. Und lässt zum Abgang ein Schmunzeln da. Alles an Philip Rachinger ist geradeaus. Das macht ihn sympathisch. Und seine Küche so virtuos. JEDER, WIE ES IHM GEFÄLLT Die Küche im Mühltalhof, sagt Rachinger später, sei im Grunde immer schon eine einfache gewesen, auch wenn die feine Klinge immer durchblitze. So wie beim Stöckelkraut, diesem auf den ersten Blick fast brachial wirkenden Trumm Gemüse, das Rachinger als erstes Gericht an diesem Tag kurz angeröstet mit Zitrone, Apfelvinaigrette, Sardellenpaste und Mostsauce serviert. „Wir nennen das ‚Stöckelkraut Neufelden-Triest‘, weil der Helmut und ich einmal ein Dessert namens ‚Paris-Brest‘ gegessen und uns gedacht haben: Das wäre doch witzig, in einem Gericht quasi die Monarchie auf den Teller zu holen, Gemüse und Most aus Neufelden, Sardellen und Zitrone aus Triest“, erklärt Philip Rachinger die Entstehungsgeschichte des Gerichts, das beispielhaft für diese lässige, große Küche steht. Die so unverwechselbar Mühltalhof ist, aber nun, da Vater Helmut im ehemaligen Schweinestall auf der anderen Straßenseite mit dem Fernruf 7 endgültig sein eigenes, sehr internationales Süppchen kocht, auch unverwechselbar Philip Rachinger. „Der Helmut und ich haben uns immer gut verstanden, und das ist jetzt auch noch so, aber wenn wir da noch zehn Jahre in der Küche aufeinandergepickt hätten, wäre das eine Verschwendung von Potenzial“, sagt Rachinger junior. „Und außerdem schaffen zwei Lokale mit unterschiedlichen Zugängen einen Mehrwert für die Hotelgäste.“ Hüben wie drüben regiert nun also das freie Spiel – was nicht bedeutet, dass Prinzipien wie das Bekenntnis zu Regionalität und Saisonalität jetzt über Bord geworfen werden. „Aber ich bin kein dogmatischer Fürsprecher der kulinarischen Radiusamtskirche“, sagt