Berliner Zeitung 20.11.2018
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12 * <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 271 · D ienstag, 20. November 2018<br />
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Berlin<br />
120 Stellen in<br />
Jugendämtern<br />
unbesetzt<br />
Senat gesteht Misstände<br />
in Behörden ein<br />
VonMartin Klesmann<br />
Den Mitarbeiterneiniger <strong>Berliner</strong><br />
Jugendämter war schon lange<br />
klar,dass sie hoffnungslos überlastet<br />
sind. Nun hat auch der <strong>Berliner</strong> Senat<br />
die Missstände ganz offiziell eingestanden.<br />
„Die Personalsituation<br />
wird von den Bezirken und der Senatsverwaltung<br />
für Bildung und Jugend<br />
als unzureichend beschrieben“,<br />
heißt es in einem Eckpunkte-<br />
Papier der Senatsjugendverwaltung<br />
mit Blick auf die regionalen Sozialpädagogischen<br />
Dienste. „Sie beklagen<br />
einen seit Jahren herrschenden<br />
Personalnotstand, die enorm hohe<br />
Fluktuation von Mitarbeitern und<br />
dass der Kinderschutz nicht mehr<br />
gewährleistet werden kann.“<br />
Jugendsenatorin SandraScheeres<br />
(SPD) drängt hier schon länger auf<br />
Verbesserungen. In Abstimmung mit<br />
der Finanzverwaltung ist nun<br />
schriftlich fixiert, wie viele Fälle ein<br />
Jugendamtsmitarbeiter maximal zu<br />
betreuen hat. „Eine Fachkraft-Fallrelation<br />
von1:65 wirdals ein relevanter<br />
Orientierungsrahmen betrachtet“,<br />
heißt es im Eckpunkte-Papier.<br />
Gleichzeitig wird betont, dass sechs<br />
vonzwölf Bezirken bereits jetzt diese<br />
Fallzahl ungefähr erreichen. Andere<br />
Jugendämter wie Tempelhof-Schöneberg,<br />
Spandau oder Marzahn-<br />
Hellersdorfgelten als besonders ausgedünnt.<br />
In Marzahn-Hellersdorf<br />
steigt die Zahl der zu betreuenden<br />
Fälle besonders drastisch an –um<br />
85 Prozent innerhalb von acht Jahren,<br />
in Pankowwaren es im gleichen<br />
Zeitraum nur 17 Prozent. Der Anteil<br />
der 0- bis 21-Jährigen an der Bevölkerung<br />
wuchs im gleichen Zeitraum<br />
um 18 Prozent. Insgesamt stiegen<br />
die Ausgaben für die Hilfe zur Erziehung<br />
seit 2010 berlinweit um 37 Prozent<br />
auf 560 Millionen Euro an.<br />
Inzwischen konnte die Zahl der<br />
unbesetzten Stellen in den Jugendämtern<br />
bereits verringert werden,<br />
120 Stellen sind noch offen. Der Senat<br />
setzt sich laut Eckpunkte-Papier<br />
in der Tarifgemeinschaft der Länder<br />
nun für eine Höhergruppierung der<br />
Mitarbeiter ein. Um zu klären, wieso<br />
die Situation in den bezirklichen Jugendämtern<br />
sounterschiedlich ist,<br />
soll womöglich eine Mitarbeiterbefragung<br />
durchgeführt werden. Ansonsten<br />
setzt Berlin auf beschleunigte<br />
Stellenbesetzungen, besonders<br />
finanzierte Ausbildungsangebote<br />
oder eine bessere Computer- oder<br />
Handy-Ausstattung.<br />
Auch an der Rummelsburger Bucht fehlen Schulplätze. Im Bereich Ostkreuz sind aber weitere Wohnungen geplant.<br />
Die vergessenen Kinder<br />
Schulplaner gehen bei Neubausiedlungen oft von falschen Annahmen zur Größe der Familien aus<br />
VonMartin Klesmann<br />
Überall in Berlin entstehen<br />
derzeit Neubausiedlungen<br />
in großem Stil. In<br />
Karlshorst und in der<br />
Rummelsburger Bucht haben Eltern<br />
bereits demonstriert, weil die Planer<br />
es versäumten, neue Kitas und Schulen<br />
mitzuplanen. Eine Anfrage der<br />
Abgeordneten Katalin Gennburg<br />
(Linke), die der <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> exklusiv<br />
vorliegt, offenbart nun: Für<br />
Neubausiedlungen scheint es ein<br />
systematisches Planungsdefizit zu<br />
geben. Es wird nämlich generell pro<br />
errichteter Wohnung angenommen,<br />
dass dort nur zwei Personen pro<br />
Haushalt wohnen werden. „Gemäß<br />
dem <strong>Berliner</strong> Modell der kooperativen<br />
Baulandentwicklung sind von<br />
zwei Einwohnern pro errichteter<br />
Wohneinheit sieben Prozent der Einwohner<br />
Kitakinder und sechs Prozent<br />
Grundschüler“, teilte Sebastian<br />
Scheel, Staatssekretär der Senatsverwaltung<br />
für Stadtentwicklung, mit.<br />
„Der Normalhaushalt besteht<br />
aber in solchen Siedlungsgebieten<br />
meist aus mehr als zwei Menschen“,<br />
merkte Katalin Gennburg, stadtentwicklungspolitische<br />
Sprecherin der<br />
Linke-Fraktion, kritisch an. An der<br />
Rummelsburger Bucht sind zudem<br />
nicht nur hochpreisige Eigentumswohnungen<br />
geplant, auch die landeseigene<br />
Wohnungsbaugesellschaft<br />
Howoge will dort etwas kleinereWohnungen<br />
errichten, in denen<br />
auch kinderreiche Familien unterkommen<br />
sollen. „Deshalb erscheinen<br />
die Kennzahlen für die B-Planung<br />
zu niedrig“, sagte Gennburg<br />
und verwies darauf, dass im Wohnungsbau<br />
weitere Großprojekte anstehen.<br />
Zum Beispiel die Elisabeth-<br />
Aue im Pankower Norden, auch<br />
wenn hier bis 2021 ein Projektstopp<br />
gilt. Interessant sei zudem, dass im<br />
Geschosswohnungsbau für eine<br />
Wohneinheit eine Fläche von<br />
100 Quadratmetern angenommen<br />
werde – für statistisch zwei Personen.<br />
„Hier sollten wir eine Debatte<br />
über den Wohnflächenverbrauch<br />
führen“, sagte Gennburg. Stattdessen<br />
könnte angesichts des Bevölkerungswachstums<br />
für weniger Geld<br />
kleiner gebaut werden. „Und wir<br />
müssen Kinder mitdenken.“<br />
Immer mehr Schulcontainer<br />
Bedenklich ist, dass nach Angaben<br />
der zuständigen Senatsverwaltung<br />
beim Modell der kooperativen Baulandentwicklung<br />
nur 70 Prozent der<br />
Kinder in einer Kita im Bezirk versorgt<br />
werden. Tatsächlich aber liegt<br />
die tatsächliche Betreuungsquote<br />
schon jetzt höher. Nach dem Willen<br />
des rot-rot-grünen Senats besuchen<br />
künftig noch mehr Kinder eine Kita –<br />
und zwar noch früher.<br />
Die Antwort auf die parlamentarische<br />
Anfrage zeigt auch, wie sehr<br />
der Senat jetzt schon auf das Angebot<br />
von Privatschulen angewiesen<br />
ist. Öffentliche Schulbauten werden<br />
Anzahl der Schulcontainer<br />
pro Bezirk<br />
Spandau<br />
Mitte<br />
Friedrichshain-Kreuzberg<br />
Reinickendorf<br />
75<br />
189<br />
Steglitz-Zehlendorf<br />
72<br />
Charlottenburg-Wilmersdorf<br />
60 (zzgl. Treppenmodule)<br />
Pankow<br />
52<br />
Lichtenberg<br />
49<br />
Neukölln<br />
37<br />
Tempelhof-Schöneberg<br />
32<br />
Treptow –Köpenick<br />
27<br />
Marzahn-Hellersdorf<br />
1*<br />
221<br />
214<br />
*für 2<br />
Klassenräume<br />
inkl.<br />
Sanitärbereich<br />
BLZ/GALANTY; QUELLE: ABGEORDNETENHAUS BERLIN<br />
nur noch für 90 Prozent der schulpflichtigen<br />
Kinder einkalkuliert. Der<br />
Rest soll Privatschulen besuchen,<br />
was bereits jetzt jeder zehnte <strong>Berliner</strong><br />
Schüler macht.<br />
Raumnot und rege Bautätigkeit in<br />
vielen Schulgebäuden zwingen die<br />
Bezirke inzwischen dazu, immer<br />
mehr Schüler in schnöde Container-<br />
Bauten auszulagern. Das geht aus<br />
IMAGO STOCK<br />
der Antwortder Bildungsverwaltung<br />
auf eine Anfrage des FDP-Politikers<br />
Bernd Schlömer hervor, die der <strong>Berliner</strong><br />
<strong>Zeitung</strong> ebenfalls vorliegt.<br />
Demnach kommen an den staatlichen<br />
<strong>Berliner</strong> Schulen bereits jetzt<br />
gut 1030 Schulcontainer zum Einsatz,<br />
die meisten davon in Spandau<br />
(221), Mitte (214 )und Friedrichshain-Kreuzberg<br />
(189). „Die Container<br />
dienen der befristeten Bereitstellung<br />
von Unterrichtsräumen während<br />
Sanierungsarbeiten, bei temporär<br />
auftretenden Bedarfsspitzen<br />
und zur Bedarfsdeckung bis zur Fertigstellung<br />
neuer Schulgebäude“,<br />
sagte Bildungsstaatssekretär Mark<br />
Rackles. Eine dauerhafte Nutzung<br />
sei anders als bei den Modularen Ergänzungsbauten<br />
nicht vorgesehen.<br />
Bei den Containern kommen demnach<br />
verschiedenste Hersteller zum<br />
Zuge, meist wird gekauft, mitunter<br />
auch gemietet. Um einen Unterrichtsraum<br />
aufzunehmen, würden<br />
drei Container benötigt, erklärte<br />
Rackles. Zumindest kurzfristig sei<br />
der Aufbau einer„strategischen Containerreserve“<br />
auf Landesebene<br />
nicht vorgesehen.<br />
„Der Senat verschleiert seine tatsächlichen<br />
Absichten“, sagte FDP-<br />
Mann Schlömer. Notwendig sei eine<br />
professionell arbeitende Infrastrukturgesellschaft,<br />
die Schulen schnell<br />
und nach zeitgemäßen Standards<br />
ausstatte. Ergewinne allerdings den<br />
Eindruck, dass auch Container dauerhaft<br />
zum Einsatz kommen sollen.<br />
POLIZEIREPORT<br />
Sprengsätze in Automaten.<br />
Unbekannte haben einen der Parkscheinautomaten<br />
eines Einkaufzentrums<br />
in der Lichtenberger Möllendorffstraße<br />
gesprengt. EinWachmann<br />
des Einkaufskomplexes hatte<br />
die Explosion am Montagmorgen<br />
gehörtund die Polizei alarmiert. Am<br />
Tatortentdeckten Beamte einen<br />
zweiten durch einen Sprengsatz beschädigten<br />
Automaten. In beiden<br />
Fällen ist es den Täternnach Polizeiangaben<br />
nicht gelungen, die Automaten<br />
gänzlich zu öffnen, so dass<br />
keine Beute gemacht wurde.<br />
Würfe auf Autos.<br />
Unbekannte haben in CharlottenburgGegenstände<br />
auf Autos geworfen.<br />
Ersten Ermittlungen zufolge flog<br />
der erste Gegenstand gegen<br />
17.30 Uhrvon der Kaiserdammbrücke<br />
auf die Stadtautobahn. Dieser<br />
durchschlug die Heckscheibe eines<br />
vorbeifahrenden Autos.Kurzdarauf<br />
wurde ein weiterer Gegenstand auf<br />
die Autobahn geworfen, der kurzvor<br />
einem Wagen aufschlug. Glücklicherweise<br />
wurde niemand verletzt.<br />
Polizisten suchten erfolglos die Gegend<br />
nach den Täternab. Unklar sei<br />
bisher,umwas für Gegenstände es<br />
sich handelt.<br />
Schläge auf den Kopf.<br />
Eine Passantin hat in Oberschöneweide<br />
einen schwer verletzten Mann<br />
auf dem Gehweg entdeckt. DieFrau<br />
alarmierte am Sonntag um 17.30 Uhr<br />
Rettungskräfte und Polizei in die Nalepastraße,als<br />
sie den 45-Jährigen<br />
mit Schnittverletzung am Hals sowie<br />
Splitter im Kopf auf dem Gehweg lagen<br />
sah. DerMann musste notoperiertwerden.<br />
Einzweiter Mann, auf<br />
den die Polizisten in Tatortnähe stießen,<br />
erlitt während der Befragung<br />
einen Kreislaufzusammenbruch.<br />
Der27-Jährige wirdverdächtigt, den<br />
45-Jährigen auf den Kopf geschlagen<br />
zu haben. Auch er musste in einem<br />
Krankenhaus behandelt werden. Die<br />
Hintergründe der Tatsin nach Polizeiangaben<br />
noch unklar.<br />
Mutmaßlichen Sexualtäter gefasst.<br />
Intensivfahnder des Landeskriminalamtes<br />
haben nach umfangreichen<br />
Ermittlungen und Zeugenbefragungen<br />
am Montagmittag einen<br />
mutmaßlichen Sexualstraftäter in<br />
Kaulsdorf-Nordgefasst. Der38-Jährige<br />
wurde festgenommen. Gegen<br />
den Verdächtigen lag bereits ein<br />
Haftbefehl vor. Nach dem Mann<br />
wurde seit Anfang November mit einem<br />
Phantombild gesucht. Er soll<br />
sich am 4. November in Kaulsdorfan<br />
zwei jungen Frauen zu unterschiedlichen<br />
Tageszeiten vergangen haben.<br />
DiePolizei sprach in der damaligen<br />
Mitteilung vonschweren Sexualstraftaten.<br />
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