WLZ 60 | Nov 2018
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Menschen im<br />
Wechselland<br />
Wir hatten das Privileg vom Kirchberger<br />
Dr. Johannes Ditz ein Interview für die<br />
Wechsellandzeitung zu bekommen. Seit er<br />
nicht mehr im Licht der Öffentlichkeit steht,<br />
gibt er sonst keine Interviews mehr.<br />
Dr. Johannes Ditz<br />
ehemaliger Wirtschaftsminister<br />
im Interview mit Bettina Schopfhauser<br />
Nach wie vor verbringt Dr. Ditz<br />
immer wieder Zeit in Kirchberg<br />
am Wechsel, wo ich auch das<br />
Interview mit Ihm führen durfte.<br />
<strong>WLZ</strong>: Sie sind in Kirchberg am<br />
Wechsel. aufgewachsen, ein Jahr<br />
in die Hauptschule gegangen,<br />
dann zu den Schulbrüdern in<br />
Strebersdorf in die Unterstufe des<br />
Realgymnasiums gewechselt und<br />
haben in Wr. Neustadt an der<br />
Handelsakademie maturiert.<br />
Was war Ihr erster Berufswunsch?<br />
Ditz: Ich war und bin nach wie<br />
vor begeisterter Sportler. Berufsfußballer<br />
war in jungen Jahren<br />
mein Traumberuf.<br />
<strong>WLZ</strong>: Die Karriere eines Profi-<br />
Fußballers verläuft ja ganz anders<br />
als Ihre. Wann war es für Sie klar,<br />
welchen beruflichen Weg Sie<br />
einschlagen wollen? Wollten Sie<br />
schon zu Beginn Ihres Studiums<br />
Politiker werden?<br />
Ditz: Nein, ich war ein Quereinsteiger<br />
in der Politik. Zuerst<br />
wollte ich Betriebswirtschaft studieren.<br />
Das war mir dann aber<br />
zu trocken und so habe ich zu<br />
Volkswirtschaft gewechselt. Als<br />
Volkswirt hat man eine sehr breite<br />
Ausbildung und ich habe gedacht,<br />
wenn ich nicht in einem bestimmten<br />
Fach unterkomme, könnte ich<br />
auch Steuerberater werden.<br />
Mein Dissertationsthema zum<br />
Doktor der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften<br />
war “Die<br />
österreichische Budgetpolitik von<br />
1965 bis 1975”. Dieses Thema<br />
war für die Industriellenvereinigung<br />
sehr interessant, deshalb<br />
wurde mir eine Referentenstelle<br />
angeboten.<br />
<strong>WLZ</strong>: Von dort sind Sie schon<br />
nach einem Jahr ins Referat für<br />
Wirtschaftsfragen der ÖVP-Bundespartei<br />
gewechselt. War die<br />
Partei ausschlaggebend für Sie?<br />
Ditz: Am Anfang war ich nicht<br />
einmal Parteimitglied, das wurde<br />
ich später im Zuge meiner Programmarbeit.<br />
Prof. Herbert Krejci<br />
hat mich damals gefragt, ob ich<br />
nicht in die ÖVP wechseln möchte.<br />
Josef Taus war als Parteiobmann<br />
gerade ausgeschieden und<br />
man brauchte jemanden mit wirtschaftspolitischer<br />
Kompetenz. Ich<br />
war damals der Jüngste in der Vereinigung.<br />
Im Laufe meiner Karriere<br />
hat sich immer alles ergeben,<br />
ich wurde immer gefragt, ob ich<br />
nicht diese oder jene Aufgabe<br />
übernehmen möchte.<br />
<strong>WLZ</strong>: Die Liste Ihrer Karriere ist<br />
sehr lang und vielfältig. Sie waren:<br />
Staatssekretär für Finanzen<br />
unter Finanzminister Ferdinand<br />
Lacina, traten wegen Differenzen<br />
mit Alois Mock zurück und<br />
wurden Abgeordneter zum Nationalrat,<br />
übernahmen während<br />
dieser Zeit auch die Leitung des<br />
ÖVP-Wirtschaftsbundes und waren<br />
dessen Geschäftsführender<br />
Generalsekretär, übernahmen<br />
dann erneut das Staatssekretariat<br />
im Finanzministerium bis Sie<br />
1995 Wolfgang Schüssel als Wirtschaftsminister<br />
folgten, wechselten<br />
aber dann 1996 in die Privatwirtschaft.<br />
Warum?<br />
Ditz: Die ÖVP ist im Herbst 1995<br />
mit dem Schüssel-Ditz Kurs als Alternative<br />
zur sozialistischen Schuldenpolitik<br />
in den Wahlkampf<br />
gezogen, mit dem Ziel, Erster zu<br />
werden und das Finanzministerium<br />
zu übernehmen. Das ist uns<br />
leider nicht gelungen. Nach 18<br />
Jahren in der Politik wollte ich<br />
mich dann anderen Aufgaben<br />
widmen.<br />
Die Arbeitsweise in den beiden<br />
Bereichen ist sehr unterschiedlich.<br />
Ich habe in der Politik sehr<br />
viel gelernt, das auch in der Privatwirtschaft<br />
anwendbar war.<br />
Als Politiker sitzt man oft bis<br />
Mitternacht im Parlament und<br />
führt auch an den Wochenenden<br />
Verhandlungen. In der Privatwirtschaft<br />
ist das Zeitmanagement<br />
planbarer.<br />
<strong>WLZ</strong>: Nach Ihrem Ausstieg aus<br />
der Politik wurden Sie Finanzvorstand<br />
der Holding Post und<br />
Telekom Austria sowie Generaldirektor<br />
Stellvertreter, wurden<br />
1999 unter Rudolf Streicher zum<br />
ÖIAG-Vorstand bestellt und von<br />
Waltraud Klasnic zum Aufsichtsratschef<br />
der ESTAG, wo Sie auch<br />
kurzzeitig Interimsvorstand waren<br />
und haben dann aufgrund<br />
des Machtwechsels von Klasnic<br />
zu Franz Voves den Rücktritt als<br />
Aufsichtsratschef erklärt.<br />
Ditz: Zur Post kam ich als diese<br />
gerade ausgegliedert wurde. Ich<br />
kannte also die alten Strukturen<br />
noch. Wir haben in der Folge Post<br />
und Telekom getrennt, Schulden<br />
abgebaut und die Unternehmen<br />
auf eine gesunde Basis gestellt.<br />
Mir war es immer wichtig – auch<br />
in meiner Zeit als Politiker – etwas<br />
für das Land zu leisten.<br />
<strong>WLZ</strong>: 2006 sind Sie noch einmal<br />
kurz in die Politik zurückgekehrt<br />
und haben Bundeskanzler Wolfang<br />
Schüssel im Wahlkampf für<br />
die Nationalratswahl 2006 unterstützt.<br />
Wäre es eine Option<br />
gewesen in die Politik zurück zu<br />
kehren?<br />
Ditz: 2006 war ich Mitglied des<br />
Personenkomitees für Wolfgang<br />
Schüssel. Die Rückkehr in die<br />
Politik war kein Thema. Ich war<br />
dann als Berater tätig, kurz Vorstandsvorsitzender<br />
der A-Tec Industries<br />
von Mirko Kovats, bevor<br />
er selbst wieder das Ruder übernahm,<br />
und war von 2010 bis 2013<br />
Aufsichtsratsvorsitzender der notverstaatlichten<br />
Hypo Group Alpe<br />
Adria. Derzeit bin ich Aufsichtsrat<br />
und Vorsitzender des Prüfungsausschusses<br />
der Spedition- und<br />
Logistikfirma Gebrüder Weiss.<br />
<strong>WLZ</strong>: War es für Ihre Karriere<br />
schwieriger oder gar hinderlich,<br />
dass Sie vom Land sind?<br />
Ditz: Nein, überhaupt nicht, eher<br />
im Gegenteil. So wie ich aufgewachsen<br />
bin - meine Eltern hatten<br />
ein Gemischtwarengeschäft - habe<br />
ich gelernt keine Unterschiede zu<br />
machen, mit allen kommunizieren<br />
zu können und nicht auf dem Hohen<br />
Ross zu sitzen.<br />
<strong>WLZ</strong>: Ihr Berufsleben hat Ihnen<br />
sicher nicht viel Freizeit gelassen,<br />
wie verbringen Sie jetzt, da Sie in<br />
Pension sind, Ihre Zeit?<br />
Ditz: Auch während meiner beruflichen<br />
Tätigkeit war es mir immer<br />
wichtig Zeit zum Entspannen<br />
in Kirchberg zu verbringen. Hier<br />
kann ich in der freien Natur Sport<br />
betreiben, es werden mir so viele<br />
Möglichkeiten direkt vor der<br />
Haustür geboten.<br />
<strong>WLZ</strong>: Welchen Sport betreiben<br />
Sie besonders gern?<br />
Ditz: Laufen. Ich laufe sehr gerne<br />
hier in Kirchberg und auf den Hügeln<br />
rundherum.<br />
<strong>WLZ</strong>: Das hört sich nach mehr<br />
als nur ein bisschen laufen an.<br />
Ditz: Es macht mir Spaß gemütlich<br />
zu laufen, aber ich bin auch<br />
13 Marathons gelaufen. Der herausforderndste<br />
war der Bergmarathon<br />
auf das Jungfraujoch 2009.<br />
Ganz besonders freute mich auch<br />
meine Zeit beim New York Marathon<br />
2006: 3,23 Stunden - nur<br />
knapp 20 Minuten langsamer als<br />
Lance Armstrong. Beim Boston<br />
Marathon 2007 hat leider das<br />
Wetter nicht mitgespielt, sonst<br />
wäre da auch eine super Zeit<br />
drinnen gewesen.<br />
<strong>WLZ</strong>: Vielen Dank, dass Sie für<br />
uns eine Ausnahme gemacht haben<br />
und uns Einblick in Ihren interessanten<br />
Lebenslauf gewähren.<br />
Wechselland Zeitung | Dezember <strong>2018</strong><br />
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