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Berliner Kurier 30.12.2018

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20 JOURNAL BERLINER KURIER, Sonntag, 30. Dezember 2018<br />

Die Frau, die sich nicht<br />

Hollywood-Star Glenn Close (71) über ihreMutter,ihreAbneigung<br />

gegen Glamour und über Männer,die vielleicht Angst vor ihr haben könnten<br />

Mit Filmen wie „Gefährliche<br />

Liebschaften“ und „Eine<br />

verhängnisvolle Affäre“<br />

spielte sich Glenn Close in<br />

die erste Riege der Charakterdarstellerinnen<br />

in Hollywood. Sechsmal wurde<br />

sie für den Oscar nominiert; gewinnen<br />

konnte sie ihn bisher noch nie. Vielleicht<br />

gelingt es ihr mit dem Drama<br />

„Die Frau des Nobelpreisträgers“, das<br />

am 3. Januar anläuft. In unserem Interview<br />

beim Zurich Film Festival präsentiert<br />

sich die 71-Jährige zugleich elegant<br />

und uneitel, schüchtern und offenherzig.<br />

Während des Gesprächs bricht<br />

sie immer wieder in schallendes Gelächter<br />

aus.<br />

KURIER : In „Die Frau des Nobelpreisträgers“<br />

spielen Sie eine talentierte<br />

Schriftstellerin, die im Schatten<br />

ihres Mannes steht. Wie hält sie<br />

das so lange aus?<br />

Glenn Close: Das war auch die<br />

erste Frage, die sich mir bei der Drehbuchlektüre<br />

stellte: Wann verlässt sie<br />

diesen Kerl endlich? Aber ihr Mann ist<br />

ein sehr charismatischer Typ. Sie liebt<br />

ihn, und so lässt sie sich dazu verführen,<br />

seine Komplizin zu werden. Wie<br />

viele Frauen macht sie sich selbst etwas<br />

vor.<br />

Stimmt es, dass Ihre Mutter Sie zur<br />

Darstellung dieser Frau inspiriert<br />

hat?<br />

Ja. Mein Vater war ein erfolgreicher<br />

Chirurg, hat sie aber nie unterstützt.<br />

Sie hat ihn mit 18 geheiratet und<br />

durfte die Schule nicht beenden oder<br />

gar studieren, sondern musste vier Kinder<br />

großziehen. Kurz vor ihrem Tod<br />

meinte sie: „Ich habe in meinem Leben<br />

nichts erreicht.“ Das brach mir das<br />

Herz, denn sie war eine vielfach talentierte,<br />

wissbegierige, außergewöhnliche<br />

Frau. Doch von<br />

ihr wurde schlichtwegerwartet,<br />

dass sie zurücksteckte<br />

und den Haushalt führte –typisch<br />

für Frauen jener Generation.<br />

War das in Ihrer Generation<br />

anders?<br />

Kaum. Auch Frauen meiner Altersklasse<br />

hatten noch den Instinkt, sich<br />

selbst zu verbiegen und sich einem<br />

Mann anzupassen, um ihn glücklich zu<br />

machen. Wir sagten: „Hey, ich kann die<br />

Frau sein, die du dir wünschst!“ Auch<br />

ich habe diesen Fehler begangen, bis<br />

ich plötzlich dachte: „Moment mal, das<br />

bin ja gar nicht ich.“ Es ist wichtig, dass<br />

Frauen endlich lernen, sich selbst treu<br />

zu bleiben und einem Mann zu sagen:<br />

„Das bin ich –akzeptier’ mich oder verzieh<br />

dich!“<br />

„Die Frau des Nobelpreisträgers“ ist<br />

ein Film über Emanzipation. Wovon<br />

mussten Sie sich emanzipieren?<br />

Oh Gott, da gab es einen Haufen<br />

Dinge –wenn ich<br />

Ihnen die alle aufzählen<br />

würde, wäre<br />

unsere Interviewzeit<br />

vorbei! In<br />

diesem Zusammenhang<br />

muss ich<br />

stets an meine Oma<br />

denken, der man<br />

einst die Erfüllung<br />

ihres Herzenswunsches<br />

verboten hatte:<br />

Schauspielerin<br />

zu sein.<br />

Wie haben denn<br />

Ihre eigenen Eltern<br />

auf Ihren Berufswunsch<br />

reagiert?<br />

Sehr zurückhaltend.<br />

Sie fanden, es<br />

sei nicht gut für den<br />

„Als meine<br />

Tochter bei mir<br />

auszog, um zu<br />

studieren, habe<br />

ich geheult.“<br />

Charakter, Schauspielerin<br />

zu werden.<br />

(Lacht.) Ihre Ansichten<br />

waren geprägt von<br />

diversen Klischeevorstellungen<br />

über diesen<br />

Berufsstand. Noch<br />

während meines<br />

Schauspielstudiums<br />

riet mir mein Vater eindringlich,<br />

stattdessen<br />

Stenografie zu lernen.<br />

Erst als meine Eltern<br />

mich am Broadway auf<br />

der Bühne sahen, verstanden<br />

sie meine Leidenschaft.<br />

Welche Klischees über<br />

Schauspielerinnen ärgern Sie am<br />

meisten?<br />

Dass wir angeblich alle eitel und<br />

stutenbissig wären. Stimmt<br />

nicht! Übrigens denken viele<br />

Leute auch, die Schauspielerei<br />

wäre einfach. Ein großer<br />

Irrtum: Wenn man sie ernsthaft<br />

betreibt, ist sie eine komplexe<br />

Angelegenheit, die große<br />

Opfer fordert. Vor allem<br />

musst du einen Haufen Zeit<br />

opfern. Zeit, die du eigentlich für Beziehungen,<br />

Urlaube oder deine Kinder<br />

bräuchtest.<br />

Wie haben Sie es geschafft, Ihre beruflichen<br />

Verpflichtungen und Ihre<br />

Verantwortung als alleinerziehende<br />

Mutter unter einen Hut zu bringen?<br />

Wer sagt denn, dass ich es geschafft<br />

habe? Immerhin habe ich es versucht:<br />

Als meine Tochter noch klein war, habe<br />

ich sie überallhin mitgenommen. Als<br />

das wegen der Schule nicht mehr ging,<br />

nahm ich nur noch Jobs an, bei denen<br />

ich nicht allzu lange von ihr getrennt<br />

war. Als sie bei mir auszog, um zu studieren,<br />

habe ich geheult. Wenn ich vor<br />

der Kamera Tränen vergießen muss,<br />

Glenn Close (M.)<br />

spielt eine<br />

Ehefrau, die<br />

sehr<br />

zurücksteckt.<br />

denke ich oft an<br />

diesen Moment.<br />

Sie haben offenbar keine Scheu vor<br />

fiesen Filmfiguren –von der Intrigantin<br />

in „Gefährliche Liebschaften“<br />

bis hin zur skrupellosen Anwältin<br />

in der TV-Serie „Damages –Im<br />

Netz der Macht“ ...<br />

Meiner Meinung nach habe ich nur<br />

Glenn Close (M.) und<br />

Jonathan Pryce(2.v. r.)in<br />

„Die Frau des<br />

Nobelpreisträgers"<br />

einen einzigen<br />

richtigen Bösewicht gespielt:<br />

Cruella de Vil aus „101 Dalmatiner“.<br />

Wie ihr Nachname bereits andeutet, ist<br />

sie der Teufel in Menschengestalt. Alle<br />

meine anderen Filmfiguren sind in meinen<br />

Augen nicht wirklich böse. Für<br />

mich haben sie durchaus auch etwas

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