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24 SPORT BERLINER KURIER, Sonntag, 30. Dezember 2018*<br />
Michael Schumacher<br />
mit Sprecherin<br />
Sabine Kehm in<br />
Indianapolis 2004.<br />
50<br />
Schumi<br />
Michael Schumacher<br />
(49) ist ein deutscher<br />
Sport-Held, neben Max<br />
Schmeling (†99), Franz<br />
Beckenbauer (73) und<br />
Boris Becker (51) der<br />
Größte. Am 3. Januar<br />
wird Schumi 50 Jahre<br />
alt. Mit dieser Serie würdigen<br />
wir die einzigartige<br />
Karriere des Kerpeners.<br />
In jedem Serienteil<br />
schreibt ein Zeitzeuge<br />
der jeweiligen Epoche. Im<br />
7. Teil ist es seine Managerin<br />
Sabine Kehm.<br />
Sabine Kehm über den Rekordweltmeister<br />
„Michael fasziniert die<br />
Menschen weiterhin“<br />
Foto: Imago<br />
Michael Schumacher (49) und Sabine Kehm (53), sie waren das Erfolgs-Gespann<br />
in Rot. Gleich in ihrem ersten Jahr als Pressesprecherin 2000 brachte<br />
die Ex-Journalistin Glück: Schumi wurde im fünften Anlauf Weltmeister<br />
im Ferrari. Vier weitere Titel folgten, bis er 2006 zurücktrat. Nach seinem<br />
Comeback 2010 im Mercedes löste Kehm Willi Weber (76) als Manager<br />
ab, nach Schumis tragischem Skiunfall Ende 2013 kümmert sie sich<br />
auch um Sohn Mick Schumacher (19) und die Familien-Stiftung „Keep-<br />
Fighting“.<br />
Von<br />
SABINE KEHM<br />
Leidenschaftlich, großzügig,<br />
respektvoll. Aber<br />
auch kämpferisch, willensstark,<br />
rücksichtslos in der<br />
Sache.<br />
Attribute wie diese formen einen<br />
komplexen Menschen und<br />
sie heben sich keinesfalls gegenseitig<br />
auf. Sie sind in ihrer<br />
Dualität vielmehr Ankerpunkte<br />
einer Persönlichkeit, die über<br />
ein Vierteljahrhundert hinweg<br />
den Motorsport beispiellos dominiert<br />
hat.<br />
Michael Schumacher ist der<br />
Inbegriff des perfekten Rennfahrers,<br />
technisch brillant,<br />
fachlich fundiert, mental unglaublich<br />
stark und athletisch<br />
richtungsweisend. Der Rekord-<br />
Weltmeister, der Beste aller<br />
Zeiten. Vielleicht fasziniert und<br />
inspiriert die Rennsport-Legende<br />
gerade wegen dieser<br />
Bandbreite an Eigenschaften<br />
die Menschen weiterhin.<br />
Michael Schumacher verkörpert<br />
die typischen deutschen<br />
Eigenschaften, war immer treu,<br />
zuverlässig, pflichtbewusst,<br />
sachgetrieben. Er wurde gefeiert<br />
dafür, wie unwahrscheinlich<br />
lern- und anpassungsfähig<br />
er war, wie schnell er sich ändern,<br />
wie schnell er mitwachsen<br />
konnte an neue Bedingungen,<br />
neue Regularien, neue Generationen.<br />
Was im technisch-sportlichen<br />
Bereich als vorbildlich gepriesen<br />
wurde, wurde ihm im<br />
menschlichen Bereich jedoch<br />
zuweilen abgesprochen. Mit<br />
der gleichen Akribie nämlich,<br />
mit der er seine professionelle<br />
Entwicklung vorantrieb,<br />
schirmte er seine private Seite<br />
und seine Familie vom öffentlichen<br />
Leben ab –und nahm dabei<br />
bewusst in Kauf, dass sich<br />
die Menschen folgerichtig<br />
schwer damit taten, ihn kennenzulernen.<br />
Und so standen sie gerade anfangs<br />
der Karriere im Raum, die<br />
Attribute, die so gut auf diesen<br />
Vorzeige-Deutschen zu passen<br />
schienen, der selbst schuld war,<br />
sie nicht korrigieren zu wollen:<br />
eine gefühllose Maschine sei er,<br />
ein gnadenloser Perfektionist.<br />
Weil es nicht seine Art war, in<br />
der Öffentlichkeit seine Ge-<br />
wurden<br />
fühle zu zeigen,<br />
sie ihm kurzerhand<br />
abgesprochen.<br />
Mit dieser<br />
Beweislast,<br />
wie er sie<br />
empfand, hat<br />
Michael in all<br />
seinen öffentlichen<br />
Jahren im-<br />
mer gefremdelt.<br />
„Muss ich erst de-<br />
monstrativ zeigen,<br />
dass ich Gefühle habe, damit sie<br />
mir abgenommen werden?“,<br />
hat er oft gefragt, und meist<br />
gleich die Antwort gegeben:<br />
„Das ist heuchlerisch.“<br />
Viele Beurteilungen von Außenstehenden<br />
speisten sich aus<br />
den Anfangsjahren, in denen er<br />
unsicher war und sich abkapselte<br />
aus der Angst heraus, Fehler<br />
zu machen. Schließlich gab<br />
es vor ihm keinen deutschen<br />
Formel-1-Helden, von dem er<br />
lernen konnte, wie man Fettnäpfchen<br />
vermeidet. Sebastian<br />
Vettel hatte es da etwas leichter.<br />
Michael jedoch hinterfragte<br />
sich als Person eben-<br />
so wie seine Leistungen<br />
und<br />
bildete sich so nicht nur sportlich,<br />
sondern auch persönlich<br />
enorm weiter. Denn eine<br />
Schlüsselfigur in einem solch<br />
komplexen und komplizierten<br />
Gebilde wie Ferrari wird man<br />
nicht mit Siegen allein.<br />
Das wird man vor allem, wenn<br />
man ein begeisterter Teamplayer<br />
ist. Michael zelebrierte das<br />
Wir-Gefühl, auch wenn sein<br />
Wort immenses Gewicht hatte.<br />
„Am liebsten sitze ich in der Garage<br />
und schaue den Mechanikern<br />
bei der Arbeit zu“, sagte<br />
der gelernte Kfz-Mechaniker<br />
einmal –und seine Mechaniker<br />
fühlten sich zu Recht gewertschätzt.<br />
Der große Nachteil an<br />
der Formel 1sei,<br />
so sagte Mi-<br />
chael einmal, nicht<br />
mehr selbst<br />
am Auto herumschrauben zu<br />
können wie früherr am Kart.<br />
Es wird gernevergessen,<br />
dass Michael Schu-<br />
Wurzeln<br />
machers<br />
dort<br />
liegen, einer<br />
Kartbahn in ei-<br />
Kiesgrube<br />
ner<br />
außerhalb des<br />
Dorfes<br />
Ker-<br />
Wenn die<br />
pen-Manheim.<br />
Herkunft einen<br />
prägt,<br />
Auch ab 2010 bei<br />
Mercedes warSabine<br />
Kehm stets an Schumis<br />
Seite. Foto: Schuberth<br />
dann in Michaels Fall so, dass er<br />
immer glaubte, liefern zu müssen.<br />
Denn bis kurz vor seinem<br />
unerwartet möglich gemachten<br />
Formel-1-Einstieg war dies seine<br />
Lebenserfahrung: Weil die<br />
Familie Schumacher nicht die<br />
finanziellen Mittel hatte, um<br />
die Rennsportkarriere ihres<br />
Sohnes zu unterstützen, war er<br />
von Kindheit an auf Gönner angewiesen.<br />
Keine Leistung, keine<br />
Chance, so einfach war das.<br />
Michael Schumacher lernte<br />
früh, dass Resultate über allem<br />
standen. Und bevor er die nicht<br />
geliefert hatte, erlaubte er sich<br />
keine Ablenkungen. Zumindest<br />
nicht auf den Rennstrecken.<br />
Das änderte sich erst im<br />
Herbst seiner Karriere, in den<br />
Formel-1-Jahren mit Mercedes.<br />
Da hatten die Menschen<br />
längst erkannt, dass er mehr<br />
war als der kompromisslose<br />
Fighter auf den Rennstrecken<br />
dieser Welt, den sie bewunderten.<br />
Hatten sie ihn früher in ihr<br />
Herz geschlossen, weil er ihren<br />
geheimen Traum von Erfolg<br />
und Reichtum lebte, schien die<br />
Bringschuld zuletzt abgetragen<br />
und die Hingabe der Menschen<br />
bedingungslos.<br />
Lesen Sie morgen:<br />
8. Teil: NorbertHaugüber<br />
Michael Schumachers Comeback<br />
bei Mercedes