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Berliner Kurier 21.01.2019

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*<br />

HINTERGRUND<br />

Polizeieinsatz<br />

in der Kritik<br />

Wegen der Räumung eines<br />

Obdachlosencamps in<br />

Mitte wird die <strong>Berliner</strong> Polizei<br />

derzeit heftig kritisiert.<br />

Die Beamten hatten<br />

das Ordnungsamt bei der<br />

Räumung unterstützt.Einer<br />

Wohnungslosen, die<br />

sich weigerte, den Platz zu<br />

verlassen, wurde aus Eigenschutzgründen<br />

ein<br />

Tuch über den Kopf gezogen.<br />

Die Frau soll Polizisten<br />

bespuckt und an Läusebefall<br />

gelitten haben.<br />

Obdachlosen-Camp geräumt<br />

Polizei am Video-Pranger<br />

Frau mit Decke fixiertund abgeführt–Linke-Politiker fühlt sich an Guantanamo erinnert<br />

Über diese Szene wird<br />

gestritten: Einer Frau<br />

wird eine weiße Decke<br />

über den Kopf gezogen.<br />

Von<br />

P. DEBIONNE<br />

und<br />

E. RICHARD<br />

Polizisten, die einer Obdachlosen<br />

eine weiße<br />

Decke über den Kopf ziehen<br />

und sie dann in Handschellen<br />

gefesselt abführen. Durch<br />

ein Video, das genau diese Szene<br />

zeigt, ist die <strong>Berliner</strong> Polizei<br />

jetzt massiv in die Kritik geraten,<br />

vor allem durch Politiker<br />

der Grünen und der Linken.<br />

Wie KURIER-Recherchen<br />

zeigen, ist der durch die Bilder<br />

erweckte Eindruck, hier handele<br />

es sich um rohe Polizeigewalt,<br />

wohl nicht zutreffend.<br />

Jetzt bekommen die Einsatzkräfte<br />

Unterstützung von der<br />

FDP. Rückblick: Am 9. Januar<br />

lässt Grünen-Politiker Stephan<br />

von Dassel, Bezirksbürgermeister<br />

von Mitte, ein Obdachlosencamp<br />

im Ulap-Park am<br />

Hauptbahnhof räumen (KU-<br />

RIER berichtete). Als eine der<br />

Obdachlosen sich weigert, den<br />

Platz zu verlassen, kommt es zu<br />

einer Rangelei mit der Frau.<br />

Nach Polizeiangaben habe die<br />

Frau sich gewehrt und in Richtung<br />

der Einsatzkräfte gespuckt.<br />

Daraufhin sei sie mit<br />

Handfesseln fixiert worden.<br />

Als ihr kurz darauf die Mütze<br />

vom Kopf fiel, hätten die Polizisten<br />

„massiven Läusebefall“<br />

festgestellt. Daraufhin ist entschieden<br />

worden, der Frau eine<br />

weiße Decke als Läuse- und<br />

Spuckschutz über den Kopf zu<br />

legen. Ob diese Maßnahme gerechtfertigt<br />

war, wird nun intern<br />

geprüft, so die Polizei.<br />

Dann sei die Frau abgeführt<br />

worden. So weit die Fakten, die<br />

auch auf dem Video zu sehen<br />

sind. Am Freitag entbrannte<br />

nun eine Debatte über den<br />

richtigen Umgang mit der Frau.<br />

Grünen-Fraktionschefin Antje<br />

Kapek sprach von „schockierenden<br />

Bildern“, der Linke-Innenpolitiker<br />

Niklas Schrader<br />

fühlte sich laut „Tagesspiegel“<br />

an das US-Gefangenenlager<br />

Guantanamo erinnert. Dort<br />

werden Häftlingen stundenlang<br />

blickdichte Säcke über<br />

den Kopf gezogen, Menschenrechtsorganisationen<br />

sprechen<br />

von Folter. Anders als in Guantanamo<br />

handelt es sich bei dem<br />

Tuch, dass die <strong>Berliner</strong> Polizei<br />

verwendete, aber um eine dünne<br />

Einwegdecke, die licht- und<br />

luftdurchlässig ist. „Wegen der<br />

Gefahr einer Ansteckung mit<br />

Hepatitis müssen Polizisten<br />

sich davor schützen, angespuckt<br />

zu werden“, so FDP-Innenexperte<br />

Marcel Luthe zum<br />

KURIER. Zwar sei die aktuelle<br />

Lösung –eine Decke –„sicher<br />

nicht optimal“, da sie „die Sicht<br />

behindern und den Menschen<br />

depersonalisieren“ würden. Allerdings<br />

bliebe den Einsatzkräften<br />

keine andere Möglichkeit.<br />

Denn anders als in Bundesländern<br />

wie Hamburg, Bremen<br />

oder Rheinland-Pfalz, wo<br />

spezielle Spuckschutzhauben<br />

zur Standardausrüstung bei<br />

Streifenwagenbesatzungen gehören,<br />

haben Berlins Einsatzkräfte<br />

diese Einweghauben<br />

(Kosten: rund drei Euro pro<br />

Stück) nicht. Vergangenes Jahr<br />

wurde ein Testlauf gestartet,<br />

die Auswertung dieses Testlaufs<br />

dauert aber noch an.

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