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rik Februar / März 2019

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MUSIK<br />

INTERVIEW<br />

JOANNE<br />

SHAW TAYLOR<br />

Vom Leben und Glück in der Nische<br />

Wenn man eine erfolgreiche<br />

Musikerin ist und an jeden Ort<br />

der Welt ziehen könnte, wenn man<br />

sich ein zweites Zuhause herauspicken<br />

dürfte, in dem man neben seiner<br />

Heimatbasis in England wohnt<br />

– warum würde man sich dann<br />

ausgerechnet Detroit aussuchen?<br />

„Es war reiner Zufall“, lacht Joanne Shaw<br />

Taylor. „Ich habe damals auf meiner USA-<br />

Tour eine Band aus der Stadt gebucht,<br />

und wenn wir nicht unterwegs waren,<br />

kehrten wir immer wieder hierher zurück.<br />

Ich war 21, liebte den Blues und ich war<br />

immer von ame<strong>rik</strong>anischen Musikern<br />

beeinflusst. Detroit passte da einfach …“<br />

Ergibt Sinn, denn wenn es eine Region<br />

gibt, die den Blues zu Recht hat, dann<br />

diese ehemaligen Industriezentren der<br />

USA. „Detroit ist schon lange nicht mehr<br />

das, was es gewesen ist, nämlich eine der<br />

mächtigsten Industriestädte der Welt. Als<br />

die Autoindustrie den Bach runterging,<br />

folgte ihr die Stadt.“ Was aber ironischerweise<br />

genau der Grund ist, warum es jetzt<br />

der richtige Ort ist, um sich als Kreativer<br />

anzusiedeln. „Die Stadt kommt langsam<br />

wieder zurück. Es herrscht heute eine<br />

wundervolle Atmosphäre und das hat etwas<br />

damit zu tun, dass so viele Menschen<br />

kommen. Es wurde nämlich wahnsinnig<br />

günstig, hier zu leben. Musiker und<br />

Künstler machen sich von überall her auf,<br />

denn woanders steigen die Mieten nur,<br />

wie in Nashville. Hier aber kann man ganze<br />

leere Lagerhäuser für wenig Geld kaufen!<br />

Überall tauchen Galerien auf, überall neue<br />

Klubs …“ Detroit <strong>2019</strong> ist ein Ort, an denen<br />

neue Szenen gedeihen können und alte<br />

ein Obdach finden. Genau wie Joannes Art<br />

von Blues-Rock.<br />

Die Gitarristin, die mit 16 von Dave Steward<br />

entdeckt und mit auf Tour genommen<br />

wurde, hat sich schon mit ihrem ersten<br />

Album vor zehn Jahren in der Blueswelt<br />

etabliert, was neben ihrem Talent auch an<br />

den speziellen Eigenschaften dieser Szene<br />

liegt. Denn eigentlich ist diese ein in sich<br />

geschlossener Kosmos für die echten Fans.<br />

„In den USA gibt es immer wieder Crossover-Künstler,<br />

John Mayer ist ja zum Beispiel<br />

ein großartiger Botschafter des Blues<br />

im Mainstream. Aber es ist eine Nische<br />

– was ich auch immer geliebt habe. Dadurch<br />

ist es wie in einer großen Familie. Und auch<br />

das Publikum ist treu, sie gehen alle Wege<br />

mit dir für die Musik.“ Denn Blues verbindet<br />

auf eine ganz eigene Art, und Blues ist kein<br />

Wettbewerb. „Ich habe einfach wunderbare<br />

Freunde in der Szene. Wir halten zusammen.“<br />

Was daran liegt, dass der Blues von<br />

seiner Ehrlichkeit und Echtheit lebt. Es<br />

werden keine Spiele gespielt, keine Charaktere<br />

erschaffen. Die Musik und die direkten<br />

Texte sind ein ungefilterter Ausdruck. „Das<br />

kann man genau so sagen! Wir haben uns<br />

wirklich in diese Musik verliebt und wir sind<br />

alle glücklich, dass wir den Blues gefunden<br />

haben. Er erlaubt, dass wir uns ausdrücken<br />

können. Es ist so schön, dass es wirklich<br />

nur um die Musik geht – und wir dürfen sie<br />

spielen!“<br />

Deswegen ist echte, neue Bluesmusik auch<br />

an sich etwas, das eher selten auf Major<br />

Labels stattfindet, da man außerhalb der<br />

Szene selten neue Märkte eröffnen kann.<br />

Doch zu Joannes eigener Überraschung hat<br />

Sony sich ihres neuen Albums angenommen.<br />

„Ich habe schon fünf Alben veröffentlicht,<br />

aber jemand von ihnen tauchte auf<br />

einem meiner Gigs auf – und zwar einer, der<br />

eine enge Verbindung zum Blues hat. Und<br />

er sprach mich an. Ich suche immer nach<br />

Veränderung, da erschien es plötzlich wie<br />

der logische nächste Schritt.“ Sony hat gut<br />

daran getan, Joanne die Tür in die Popwelt<br />

zu öffnen, und man hört, dass sie Vertrauen<br />

in ihre Musik haben, denn nach „major“<br />

im Sinne von „für die Massen zurechtgeformt“<br />

klingt nichts auf „Reckless Heart“.<br />

Hier herrscht ein rauer Sound, die Lieder<br />

klingen fast wie aus einer Jamsession oder<br />

als wären es Liveaufnahmen. „Ja, wir haben<br />

es auch praktisch so aufgenommen, was<br />

mit den großartigen Musikern, die ich habe,<br />

sehr einfach ist. Mit diesen Menschen ist<br />

eine Jamsession eigentlich gar keine! Sie<br />

brauchen nur einmal eine Idee zu hören<br />

und spucken sie wieder aus, als wäre es ein<br />

alter Klassiker, den sie schon seit Jahren im<br />

Repertoire haben.“ Deswegen ist es kein<br />

Album ausschließlich für Puristen, sondern<br />

für alle, die jenseits des Hochglanzpop<br />

wandeln wollen. Oder die dabei sind, nach<br />

Detroit umzuziehen. *fis

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