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<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 43 · M ittwoch, 20. Februar 2019 13 *<br />
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Report<br />
DIE ASPIRE-STORY TEIL 2<br />
eine„massiveVerdrängung alt eingesessener<br />
Mieter“.<br />
Die Grüne Fraktion im Bezirk<br />
Mitte stellte auch eine Anfrage an die<br />
Bezirksverordnetenversammlung.<br />
Auch die Senatsverwaltung für<br />
Stadtentwicklung befasst sich später<br />
mit der Sache. Es seien wegen<br />
Zweckentfremdungen Verfahren geführt,<br />
aber verloren worden, heißt es<br />
in einer E-Mail aus dem Jahr 2017. Es<br />
wird darauf verwiesen, dass „die Regelung<br />
des Zweckentfremdungsverbotes<br />
notwendig einen Interpretationsspielraum<br />
aufweist. So ist die<br />
nicht genehmigte Vermietung als Ferienwohnung<br />
untersagt, während<br />
die befristete Vermietung als Wohnraum<br />
zulässig ist.“ Man werde eine<br />
„Schärfung des Zweckentfremdungsverbots“<br />
prüfen.<br />
Endlich unabhängig verwaltet<br />
In einemHausmit einer ausgewogeneren<br />
Mischung von Eigentümern<br />
sei so etwas schwerer möglich, davon<br />
ist Gabriele Heinrich überzeugt.<br />
Sieist Geschäftsführerin desVerbandes<br />
„Verein Wohnen im Eigentum“.<br />
Als sie erfährt, dass die Unternehmensgruppe<br />
Berlin Aspire, zu der<br />
auch Berlin Estate gehört, nicht nur<br />
bei der Finanzierung berät, prozentuale<br />
Erträge garantiert, eine Firma<br />
für Instandhaltung besitzt und die<br />
Verwaltung anbietet, ist sie erstaunt.<br />
Solche Geschäftsmodelle seien für<br />
Anleger mitunter „mit großen Gefahren<br />
verbunden und für die Mieter<br />
eine Katastrophe“. Fragwürdig sei es,<br />
wenn auch die Hausverwaltung zur<br />
selben Gruppe gehört, die die Wohnungen<br />
verkauft. „Da wird Tür und<br />
Torfür Willkür geöffnet.“<br />
Auch deswegen scheuen manche<br />
Mieter davorzurück, vonihrem Vorkaufsrecht<br />
Gebrauch zu machen.<br />
Jennifer Gentz, die Mieterin ausdem<br />
Haus im Westen der Stadt, hatte die<br />
Finanzierung für den Kauf ihrer<br />
Wohnung eigentlich schon geklärt:<br />
Knapp 120 000 Euro sollte sie kosten,<br />
die Idee, selbst Eigentümerin zu<br />
sein, begeisterte sie zunächst.<br />
Doch letztlich verließ sie sich auf<br />
ihr Bauchgefühl und entschied sich<br />
gegen den Kauf. Plötzlich kamen ihr<br />
mögliche Risiken unkalkulierbar vor,<br />
sie sagte sich: „Du bist ein kleines<br />
Licht. Als einzelner Eigentümer bei so<br />
einer Firmahat manschon verloren.“<br />
Zwar gilt die Eigentümerversammlung<br />
als „das höchste Gremium“<br />
für Immobilienbesitzer, wie<br />
Gabriele Heinrich vomVerein„Wohnen<br />
im Eigentum“ sagt. Doch Käufer<br />
von Immobilien der Gruppe Berlin<br />
Aspirewohnen zumeist weit weg. Sie<br />
nehmen deswegen Dienstleistungen<br />
in Anspruch. Eine unabhängige<br />
Kontrolle der Hausverwaltung sei<br />
viel schwerer möglich, wenn es zum<br />
Beispiel keinen von den Eigentümern<br />
gewählten Beirat gebe, der<br />
Kostenprüfe, sagt Heinrich.<br />
Um mehr Kontrolle zu bekommen,<br />
wehrten sich die Bewohner eines<br />
Hauses in Neukölln gegen die<br />
Bearm GmbH als Hausverwaltung.<br />
Weil die Firma zur Unternehmensgruppe<br />
gehört, befürchteten die Bewohner<br />
„mögliche Interessenkonflikte<br />
zwischen Hausverwaltung,<br />
Berlin Aspire und WEG“, also der<br />
Wohnungseigentümergemeinschaft,<br />
wie es in einem Schreiben<br />
heißt, das der <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> vorliegt.<br />
Daher regten sie „die Bestellung<br />
einer neutralen Hausverwaltung<br />
ohne wirtschaftliche Abhängigkeit“<br />
vonBerlin Aspirean.<br />
Misstrauisch machte sie,dass Aspire<br />
ihnen nicht die E-Mailadressen<br />
der israelischen Besitzer geben<br />
wollte, soerzählt es eine. Und in ihrem<br />
Schreiben beklagen sie sich:<br />
„Ausschließlicher Ansprechpartner<br />
sei Berlin Aspire“. Siebesorgten sich<br />
Adressen auseinem israelischen Register<br />
und schrieben die Käufer an:<br />
„Wir haben verstanden, dass BA<br />
(Berlin Aspire) ihnen Einnahmen für<br />
eine bestimmte Zeitspanne garantiert“,<br />
heißt es in der Mail. Sieweisen<br />
deswegen die Anleger darauf hin,<br />
dass es in Deutschland „sehr schwer<br />
ist, ein Mietverhältnis gegen den<br />
Willen des Mieters zu beenden.“<br />
„Der Groll bei Aspire war groß“,<br />
sagt ein ehemaliger Bewohner.Doch<br />
nach einigen juristischen Schriftsätzen<br />
wird dieses Haus nun unabhängig<br />
verwaltet.<br />
Angesichts eines „komplexen“<br />
<strong>Berliner</strong> Marktes wirbt die Gruppe<br />
damit, für ihre Kunden „attraktive<br />
Investitionspakete“ zu schnüren.<br />
Darauf abgestimmt bietet sie „ein<br />
DIE ASPIRE-STORY<br />
Die Gruppe: Die vonAdi Keizman gegründete<br />
Berlin Aspire agiertam<strong>Berliner</strong> Markt. Sie ist<br />
darauf spezialisiert, Häuser günstig zu kaufen,<br />
schnell in Eigentumswohnungen umzuwandeln<br />
und zumeist an israelische Anleger<br />
zu verkaufen.<br />
Die Mieter: Sie haben nicht selten das<br />
Nachsehen. Häuser und Wohnungen sind oft<br />
in verbesserungswürdigem Zustand. Viele<br />
umfassendes Management-Spektrum“.<br />
Für die Dienstleistungengibt<br />
es etwa: Aspire Finance GmbH, die<br />
Beratung zu Hypothekenkrediten<br />
verspricht. Laut einer Vereinbarung,<br />
die der <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> vorliegt, verpflichtet<br />
sich die Gruppe auch, „für<br />
den Käufer schnellstmöglich nach<br />
Eintragung der Auflassungsvormerkung<br />
ein Darlehen bei einer Hypothekenbank<br />
zu den inDeutschland<br />
üblichen Bedingungen zu organisieren“.<br />
Dabei arbeitet die Gruppe auch<br />
mit der <strong>Berliner</strong> Sparkasse zusammen.<br />
In dem vorliegenden Fall vergibt<br />
die Bank den Kredit recht lax. Das<br />
legt ein Brief an Mieter in einem Haus<br />
in Moabit nahe.Die Bank schreibt im<br />
Mai2017: „Die <strong>Berliner</strong> Sparkasse hat<br />
fühlen sich eingeschüchtertund beklagen<br />
sich über ständig neue Mieter,die fürWohnungen<br />
auf Zeit zum Teil Preise vonrund30<br />
Euro pro Quadratmeter bezahlen.<br />
Die Recherche: Dutzende Mieter und israelische<br />
Anleger wurden interviewt, Tausende<br />
Seiten Akten ausgewertet, um das Geschäftsmodell<br />
zu verstehen. Fragen &Hinweise:<br />
Berlin.investigativ@dumont.de<br />
Das Schreiben der <strong>Berliner</strong> Sparkasse an Mieter in Moabit. Die Darlehensvergabe erfolgte<br />
diesem Schreiben zufolge also vor der Begutachtung des Objekts.<br />
BERLINER ZEITUNG<br />
Videos, Podcast und die<br />
Netzwerkgrafik der Aspire-<br />
Gruppe finden Sie im Netz.<br />
Nächste Folge<br />
am 23. Februar<br />
Gabriela Keller wohnt<br />
selbst gerneim<br />
Osten vonMoabit.<br />
dem Eigentümer Ihrer Wohnung ein<br />
Darlehen gewährt. Die Wohnung<br />
dient dabei als Sicherheit, deswegen<br />
ist es notwendig, dass ein vonuns bestellter<br />
Gutachter Ihre Wohnung besichtigt.“<br />
Die Darlehensvergabe erfolgte<br />
diesem Schreiben zufolge also<br />
vor der Begutachtung des Objekts.<br />
DieSparkasse wollte sich nicht zu Details<br />
äußern, ohne das Originaldokument<br />
zu sehen.<br />
Eine Darlehensgewährung ohne<br />
vorherige Besichtigung durch einen<br />
Gutachter wäre nicht mit den<br />
Grundsätzen der Sparkasse zu vereinbaren.<br />
Das Kreditinstitut selbst<br />
teilt dazu mit, „die Erstellung eines<br />
Gutachtens vor Auszahlung eines<br />
Kredites ist im Rahmen jeder privaten<br />
Immobilienfinanzierung obligatorisch“.<br />
InsbesonderebeiVergaben<br />
an ausländische<br />
Kreditnehmer gingen „umfangreiche<br />
Prüfungen voraus“.<br />
DieSparkasse legt Wert darauf: 95<br />
Prozent der 2018 vergebenen privaten<br />
Kredite seien an „Kreditnehmer<br />
vergeben, deren Wohnsitz in<br />
Deutschland liegt.“ Es sei ein„erklärtes<br />
öffentliches Ziel undTeil unseres<br />
Selbstverständnisses, die Vielfalt<br />
Berlins zu fördern.“<br />
Die Sparkasse vergab nach Recherchen<br />
der <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> mehrere<br />
Kredite im Zusammenhang mit<br />
der Aspire-Gruppe.<br />
MitAbstand am häufigsten vergibt<br />
die Darlehen das Versorgungswerk<br />
der Zahnärztekammer Nordrhein-<br />
Westfalen –für über 100 Wohnungen,<br />
ergaben die Recherchen der <strong>Berliner</strong><br />
<strong>Zeitung</strong>. Doch wieso kommen israelische<br />
Anleger ausgerechnet auf die<br />
Zahnärztekammer in NRW?<br />
„Die Gewährung von Hypothekendarlehen<br />
ist ein wichtiger Bestandteil<br />
unserer Kapitalanlage“,<br />
schreibt die Kammer auf eine Anfrage<br />
der <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong>. In der Regel<br />
würden diese Darlehen „durch<br />
Finanzvermittler an uns herangetragen“.<br />
Doch „seit geraumer Zeit haben<br />
wir die Vergabe der Darlehen für<br />
Objekte,die vonBerlinAspireveräußert<br />
werden, eingestellt“. Weiteres<br />
ließ die Kammer offen und verwies<br />
auf den Datenschutz.<br />
Die Gruppe arbeitet auch häufig<br />
mit demselben Notar zusammen.<br />
Immer wieder steht sein Name in<br />
Kaufverträgen. Ein Notar fungiert<br />
beim Immobilienverkauf als unabhängiger<br />
Mittler zwischen Käufer<br />
und Verkäufer.<br />
Dieser Notar, ein Freund der Jagd,<br />
hat mit der Gruppe Berlin Aspirezumindest<br />
weitereGeschäftsbeziehungen:<br />
Er beurkundete Dokumente,<br />
die für die Gründung der vielen<br />
GmbHs nötig sind, die nun zur Berlin<br />
Aspire-Gruppe gehören. Diese<br />
Tätigkeit gefährde nichtseine Unabhängigkeit,<br />
teilt die Bundesnotarkammer<br />
auf Anfrage mit, das sei<br />
nicht ungewöhnlich. Am 2. November<br />
2015 beurkundet der Notar die<br />
Änderung einer Geschäftsanschrift.<br />
Es geht um eine der wichtigsten Firmen<br />
der Gruppe: die Beesands Management<br />
GmbH. Die steht stets in<br />
den eingesehenen Kaufverträgen.<br />
Vonder Beesands führtder Wegüber<br />
Firmen in Nikosia und Wien nach Tel<br />
Aviv zur Ado Holdings Ltd, die zu 95<br />
Prozent Adi Keizman gehört –dem<br />
Gründer der Gruppe.<br />
Fragen an einen Notar<br />
Die neue Adresse der Beesands<br />
GmbH lautet nach der Beurkundung<br />
durch den Notar: „c/o Büsing, Müffelmann<br />
& Theye Rechtsanwälte“,<br />
am Kurfürstendamm 190.VorOrt auf<br />
dem Klingelschild ist der Name „Büsing,<br />
Müffelmann &Theye“ eingraviert.<br />
Beesands steht nirgends.<br />
In der Kanzlei war nicht nur der<br />
spätere Außenminister Hans-Dietrich<br />
Genscher Partner,sondern auch<br />
jener Notar,der in vielen Kaufverträgen<br />
beurkundet hatte und für die Adressänderung<br />
tätig wurde. Die Geschäftsadresse<br />
der Beesands ist jetzt<br />
mit seiner Arbeitsadresse identisch.<br />
Auf die Frage, obder Notar selbst<br />
einen Interessenkonflikt erkenne,<br />
teilt er mit, er „unterliege der notariellen<br />
Schweigepflicht“. Beim Präsidium<br />
des Landgerichts Berlin, das<br />
die Aufsicht hat, möchte die Richterin<br />
ohne Namen des Notars und genauere<br />
Informationen „keine Einschätzung“<br />
abgeben. Gegebenenfalls<br />
werde man den Fall prüfen. Sie<br />
verweist auf die Bundesnotarordnung,<br />
Paragraf 50. Dortsteht, ein Notar<br />
sei seines Amtes zu entheben,<br />
„wenn er entgegen §8Abs. 2eine<br />
weitere berufliche Tätigkeit ausübt<br />
oder sich entgegen den Bestimmungen<br />
von§9Abs.1oder Abs. 2mit anderen<br />
Personen zur gemeinsamen<br />
Berufsausübung verbunden oder<br />
mit ihnen gemeinsame Geschäftsräume<br />
hat“.<br />
Kai Schlieter war erstaunt,<br />
dass die Zahnärztekammer<br />
Darlehen vergibt.