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SEITE5<br />
BERLINER KURIER, Donnerstag, 21. Februar 2019<br />
braucht keinen Strom<br />
Maria R. (38) mit ihren Kindern Isabell (8), Raphael (15Monate): „Wir haben<br />
bei Kerzenschein gespielt.Lebensmittel haben wir auf dem Balkon gekühlt.“<br />
ab. Sie wohnt in einem Mehrfamilienhaus.<br />
Den dunklen Abend<br />
ohne Strom hat sie mit 16 Teelichtern<br />
erhellt. Und ruhig sei es<br />
gewesen, schwärmt sie. „Offenbar<br />
können die Menschen nur<br />
mit Strom Krach machen.“ Sie<br />
hat zudem das Glück, einen Gasherd<br />
zu besitzen. Warmes Wasser?<br />
Kein Problem.<br />
An der wegen Baufälligkeit gesperrten<br />
Allende-Brücke, an der<br />
ein Bagger am Dienstag zwei<br />
Stromkabel durchbohrte und damit<br />
das Umspannwerk in der<br />
Landjägerallee vom Netz nahm<br />
und beim bisher längsten Stromausfall<br />
Berlins halb Köpenick in<br />
Dunkelheit versenkte, herrscht<br />
Sonntagsstimmung. Menschen<br />
spazieren zur Baustelle, an der eine<br />
neue Brücke entstehen soll.<br />
Man plauscht miteinander. Viele<br />
Kinder sind dabei, die nicht zum<br />
Unterricht müssen, weil 18 Schulen<br />
in Köpenick geschlossen blieben.<br />
Sie schauen auf die graue<br />
Plastikplane, unter der Techniker<br />
versuchen, die 110-Kilowatt-<br />
Kabel wiederzusammenzuknüpfen.<br />
Die meisten Schaulustigen<br />
wollen wissen, ob der Strom um<br />
15 Uhr wirklich wieder da ist.<br />
Uta Wiedow (46) ist mit dem<br />
Rad gekommen. Ihre Chefin habe<br />
sie geschickt, um zu hören, wann<br />
es denn endlich wieder Stromgeben<br />
werde, sagt sie. Sie arbeitet in<br />
einer Grafik- und Designagentur<br />
in der Altstadt, wohnt selbst<br />
„Solange es hell ist,bleibt die Apothekegeöffnet“, sagt Apothekerin Katrin<br />
Mika (l.) gelassen.Sie und Anja Gothowbedienen gerade Ruth Schmoller.<br />
nicht im „Dunkelbereich“ Köpenicks.<br />
„Aber arbeitstechnisch ist<br />
das hier wirklich nicht mehr lustig.“<br />
Wiedow erzähltweiter, dass sie<br />
am Dienstag noch Scherze gemacht<br />
hätten, der Strom würde<br />
bestimmt nur zehn Minuten<br />
wegbleiben. Nun gehen sie und<br />
ihre Kollegen ins Pentahotel hinter<br />
der Langen Brücke, wo es<br />
Wärme und funktionierende<br />
Steckdosen gibt, um ihreLaptops<br />
aufzuladen. „Auf der Allende-<br />
Brücke liegt ein Fluch, erst die<br />
Sperrung und die Staus, dann die<br />
gekappten Stromleitungen“, sagt<br />
die Projektmanagerin. Es sei<br />
schon unglaublich, wie die Nerven<br />
der Köpenicker strapaziert<br />
Fotos: dpa, Richard, Bischoff<br />
würden. Sie ist zufrieden, als sie<br />
hört, dass der Strom bis 15 Uhr<br />
wohl wieder fließen werde.<br />
In der Altstadt herrscht gesellige<br />
Gelassenheit. Fremde Menschen<br />
erzählen sich lächelnd, wie<br />
sie ohne Strom zurechtkommen.<br />
An fast jedem Geschäft und jedem<br />
Lokal prangt das Stromausfall-Entschuldigungs-Schild.<br />
Vor<br />
dem Rathaus steht ein gelbfarbener<br />
Laster vom Katastrophenschutz<br />
des Arbeiter-Samariter-<br />
Bunds. Hier können Köpenicker<br />
ihre Handys aufladen lassen. Ein<br />
Notstromaggregat liefert den<br />
Saft. Der Bedarf ist riesig. „Kein<br />
Strom, kein Telefon. Deswegen<br />
bin ich mit dem Handy hier.<br />
Schließlich kann immer etwas<br />
geschehen“, sagt Andrea Engel.<br />
Die 62-Jährige holt gerade ihr<br />
Smartphone wieder ab, das eine<br />
halbe Stunde an der Steckdose<br />
hing. Der Akku ist nun zur Hälfte<br />
geladen. „Das genügt“, sagt sie<br />
optimistisch. Kurz vor 15 Uhr<br />
teilt Vattenfall via Twitter aber<br />
mit, dass die Köpenicker Haushalte<br />
erst von 18.30 Uhr an nach<br />
und nach wiederans Netz gehen<br />
sollen.Sokam es dann auch fast:<br />
Gegen 19.00 Uhr hatte ein Teil<br />
der betroffenen Haushalte wieder<br />
Strom. Kurz vor 21.30 Uhr<br />
hieß es endlich: Alle sind wieder<br />
am Netz, so Vattenfall. Nach<br />
mehr als 30 Stunden.<br />
Grund für die ungewöhnlich<br />
lange Störungwaren laut Stromnetz<br />
Berlin „komplexe bauliche<br />
Herausforderungen an der Schadensstelle<br />
und Reparaturarbeiten<br />
auf engstemRaum“. Es konnten<br />
„nicht mehr als vier bis sechs<br />
Leute gleichzeitig arbeiten“, so<br />
eine Vattenfall-Sprecherin.<br />
Mitarbeit: E. Richard<br />
Lesen Sie dazu auch Seite19<br />
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