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<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 46 · 2 3./24. Februar 2019 19<br />
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Schönes Wochenende<br />
STADT, LAND, MENSCH<br />
Eine Passion<br />
für den<br />
Zoo Moskwa<br />
Thomas Olbricht ist der<br />
Gründer einer<br />
Wunderkammer in der<br />
Auguststraße. Und zeigt<br />
auch das, was andere<br />
sammeln –gerade sind es<br />
Spielzeugtiere von einst<br />
aus der Sowjetunion<br />
VonIngeborg Ruthe<br />
Thomas Olbricht ist Herr einer<br />
Wunderkammer.Erhat<br />
sich ein wahres Kuriositätenkabinett<br />
geschaffen,<br />
vom vergoldeten Straußenei bis zur<br />
Voodoopuppe, von der uralten<br />
Monstranz bis zum Vogelpräparat,<br />
vom Nippes bis zu Spielzeugen aus<br />
allen Zeiten. Im ganz Kleinen zumindest<br />
muss man an die Wunderkammer<br />
des Sachsenkönigs August des<br />
Starken denken. Der Sammler Thomas<br />
Olbricht hat für all die verwunschenen,<br />
rätselhaften Dinge allerdings<br />
sofort die wissenschaftlichen<br />
Erkenntnisse parat. Schließlich sind<br />
wir im 21. Jahrhundert.<br />
Dieses exotische Sammelsurium<br />
von Exponaten aus aller Welt und<br />
aus allen Zeiten ist sozusagen das bizarr-romantische<br />
Herzzentrum von<br />
Dr. Olbrichts Ausstellungshaus Me<br />
Collectors Room, in dem zugleich renommierte<br />
internationale Gegenwartskunst<br />
zu sehen ist, und seiner<br />
2010 in Berlin mit populärem Anspruch<br />
etablierten Stiftung in der<br />
Auguststraße in Mitte.Der 70-jährige<br />
Arzt, Chemiker, Kunstmäzen und<br />
Sammler aus Essen gehörtzuden Erben<br />
des Familienunternehmens<br />
Wella. Schon mit vier Jahren begann<br />
er zu sammeln: Spielzeugautos nämlich.<br />
Die Passion, sagt er, blieb ihm<br />
treu. Und erihr. Als er noch als Arzt<br />
praktizierte, er ist Endokrinologe,<br />
füllten kleine Krankenwagen aus<br />
Plastik seine Regale im Behandlungszimmer,<br />
dann kamen kleine<br />
Feuerwehr-, Polizei-, THW- Fahrzeuge<br />
dazu.<br />
Selbstredend interessieren ihn<br />
die Leidenschaften anderer Sammler.Denen<br />
gibt er jetzt bis Ende April<br />
viel Raum im „Vorzimmer“ seiner<br />
Wunderkammer. Das <strong>Berliner</strong> Paar<br />
Köpcke &Weinhold habe es, erzählt<br />
Olbricht bewundernd, in nur fünf<br />
Jahren zum „Zoo Moskwa“ gebracht,<br />
das sind mehr als 400 Spielzeugtiere<br />
vonsowjetischen Gestalternaus den<br />
Fünfziger- bis Achtzigerjahren, vornehmlich<br />
der Leningrader Schule.<br />
Die hatte sich nach dem Zweiten<br />
Die Spielzeugdesignerin Galina Sokolowaentwarf das „Mädchen mit Hund“ in den 60er-Jahren.<br />
Weltkrieg, mitten in der Ärades Stalinismus,einem<br />
erneuten Aufbruch in<br />
die Moderne verschrieben, wie<br />
schon um 1920 die Avantgarde.<br />
Waren die frühen Spielzeugtiere<br />
aus russischen Märchen, etwa das<br />
„Bucklige Pferdchen“, „Wolf und<br />
Hase“, Braunbär Mischka und auch<br />
die Eisbären, noch aus Keramik, Gips<br />
oder Zelluloid gemacht, eroberte<br />
preiswerte farbige Plaste rasch den<br />
industriellen Spielzeugmarkt. Der<br />
Zeitgeist hielt Einzug in die Designer-Studios<br />
–und Lew Razumowskys<br />
rote Affen oder Lew Smorgons<br />
gelbe „Rehe“ vollführen einen übermütigen<br />
Reihentanz. Zusammen<br />
mit Kollegen formte Valeri Kotow in<br />
den Sechzigern einen „Zug der Evolution“,<br />
den der Kosmonaut Juri Gagarin<br />
anführt und an dessen Ende<br />
ein winziges grünes Krokodil versucht,<br />
den Anschluss an den Fortschritt<br />
nicht zu verpassen. Galina So-<br />
Thomas Olbricht in der Skulpturen-Abteilung seiner Wunderkammer<br />
STIFTUNG OLBRICHT<br />
STIFT. OLBRICHT/SAMMLUNG KÖPCKE &WEINHOLD<br />
kolowas „Mädchen mit Hund“ folgt<br />
im Design der frühen Sechzigerjahre<br />
noch ganz dem Kindchenschema<br />
und ist aus Gummi. Und Smorgons<br />
gelb-rote Plaste-„Giraffen“ aus den<br />
Siebzigern könnten Pate gestanden<br />
haben für die berühmten Pop-Art-<br />
Hunde des Amerikaners Jeff Koons,<br />
wie auch Tamara Fedorowas „Löwen“<br />
schon um 1970 den Disney-<br />
Zeichentrickfilm „König der Löwen“<br />
von 1994 vorweggenommen zu haben<br />
scheinen. Kunst kommt eben oft<br />
aus Kunst und ist nicht national und<br />
schon gar nicht in politischen Systemen<br />
zu verankern.<br />
Thomas Olbricht mit seinem, wie<br />
er es sagt, „schrägen Kunstempfinden“<br />
ist glücklich, wenn in sein Ausstellungshaus<br />
viele Kinder und Jugendliche<br />
kommen und sich noch<br />
wundernund staunen können. Eben<br />
auch über diesen Moskauer Spielzeug-Zoo<br />
– vom Krustentier und<br />
Frosch bis zum Kosmonauten.<br />
me Collectors RoomBerlin/Stiftung Olbricht<br />
Auguststr. 68, Mitte. Mi–Mo 12–18Uhr.<br />
me-berlin.com<br />
KOCHSTUNDE<br />
Rezept der Woche<br />
Avocado auf Toast<br />
ObsessiveVegetarier preisen Avocados als Gottesbeweis –<br />
als Mutter Naturs ureigene Packung sämtlicher Nährstoffe,die<br />
der Mensch braucht. Mankann die in Mexiko heimische<br />
Frucht aber auch einfach des Geschmacks halber lieben:<br />
buttrig, nussig und im Idealfall so cremig, dass man sie aus der<br />
Schale löffeln kann. Längst gibt es ganzeRestaurants,die der<br />
Avocado in allen Aggregatzuständen huldigen: das Petit Bijou<br />
in Berlin etwa oder die Avobar in London (24 Henrietta Street),<br />
die auch das Buch „HappyFood“ im Angebot hat, mit Rezepten<br />
zum Nachkochen –etwa dieser für zwei Personen gedachten,<br />
so unaufwendigen wie leckeren Toast-Variante. (chs.)<br />
Zutaten<br />
2Scheiben Kastenbrot<br />
1/2 Avocado,indünne Scheiben geschnitten<br />
Für das Tomaten-Topping:<br />
1große reife Tomate<br />
1Teelöffel Salz<br />
1Prise Pfeffer<br />
1Esslöffel Apfelessig<br />
1Teelöffel Ahornsirup<br />
1/2 geschälte Knoblauchzehe<br />
3Esslöffel gutes Olivenöl<br />
Rucola, Brunnenkresse,Basilikum<br />
Zubereitung<br />
DieZutaten für das Tomaten-Topping im Mixer verquirlen, bis<br />
alles gut durchmengt ist. Dann das Brot rösch toasten und mit<br />
einer Lage der Mischung bestreichen. Schließlich die geschnittene<br />
Avocado darüber platzieren sowie,nach Gusto,<br />
Rucola, Brunnenkresse und frisches Basilikum. Auch Hanfherzenoder<br />
Sesamsamen passen dazu. Beiden Tomaten sollte<br />
man nicht an Qualität sparen –der Geschmacksunterschied<br />
ist in diesem Fall gravierend. DasTopping hält sich im Übrigen<br />
in einer luftdichten Dose fünf Tage lang im Kühlschrank. In<br />
Zentralamerika isst man Avocado auf Toast zum Frühstück.<br />
Beiuns serviertman das Ganzeeher als Horsd’oeuvrebeziehungsweise<br />
als leichtes,aber nahrhaftes Abendbrot. Das<br />
Rezept kann dem Appetit und der Anzahl der bewirteten Gäste<br />
problemlos angepasst werden.<br />
SÜDWEST VERLAG, GETTY<br />
Die eindrucksvolle Bernauer<br />
Stadtmauer erinnert ankriegerische<br />
TIPPS<br />
Zeiten. Die Bürger Bernaus verteidigten<br />
die Stadt 1432 erfolgreich gegen<br />
die Hussiten, die auf ihrem Feldzug<br />
durch die Lausitz zahlreiche<br />
Städte zerstörten. Jedes Jahr wird im<br />
Juni ein dreitägiges Hussitenfest gefeiert.<br />
Das Steintor ist das letzte erhaltene<br />
von insgesamt drei Stadttoren<br />
der ursprünglich etwa 1,5 Kilometer<br />
Bauhaus-Denkmal Bundesschule<br />
Hannes-Meyer-Campus 1, Bernau bei<br />
Berlin. Führungen am So 11.30 Uhr und<br />
14.30 Uhr,8Euro, erm. 6Euro.<br />
Anmeldung bitte per E-Mail: fuehrungen<br />
@bauhaus-denkmal-bernau.de<br />
langen und acht Meter hohen<br />
Stadtmauer aus Feldsteinen.<br />
Pfarrkirche St. Marien zu Bernau,<br />
Heute beherbergt das Steintor Kirchplatz 8, Anmeldung zu<br />
eine Abteilung des Heimatmuseums.Steile<br />
Besichtigungen in der Küsterei unter<br />
Stufen führen am unte-<br />
(0 33 38) 70 22–0<br />
renWehrgang vorbei hinaus ins alte<br />
Stadttor. Auch der obere Wehrgang,<br />
der Hungerturm, der als Stadtgefängnis<br />
genutzt wurde und heute einen<br />
tollen Blick auf Bernau bietet,<br />
und eine Rüstkammer sind zu besichtigen.<br />
Um die Bernauer Handwerkszünfte<br />
Galerie Bernau Bürgermeisterstraße 4.<br />
Die Ausstellung „Volksbedarf statt Luxusbedarf<br />
–Bernau und sein Bauhaus“ läuft<br />
bis zum 5. April. Sa 10–16 Uhr,<br />
Di–Fr 10–18 Uhr,Eintritt frei.<br />
galerie-bernau.de<br />
und die Braukunst geht<br />
es dann auch noch im Museum. Die Bauhaus-Denkmal Bundesschule steht auf der Unesco-Welterbeliste. EPD Die spätgotische St. Marienkirche wurde vor 500 Jahren geweiht. IMAGO