Berliner Kurier 04.03.2019
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SPORT 25<br />
Bierbecherwürfe gegen Trainer,Kapitänsbinden-Klau und unbändige Wutder Fans –bei Königsblau geht es drunter und drüber<br />
Gelsenkirchen – Die Geduld<br />
der Schalke-Anhänger ist aufgebraucht.<br />
Aus Wut über den<br />
neuerlichen spielerischen Offenbarungseid<br />
des Teams bei<br />
der peinlichen Pleite gegen<br />
Düsseldorf gingen sie auf die<br />
Barrikaden. Der Trainer wurde<br />
mit Bierbechern beworfen,<br />
dem Kapitän die Binde vom<br />
Arm gerissen. Nach dem blamablen<br />
0:4 entlud sich beim<br />
FC Schalke die Wut der Fans.<br />
Auch die demütige Geste von<br />
Domenico Tedesco, der sich<br />
beim schweren Gang Richtung<br />
Nordkurve mit gefalteten Händen<br />
mutig vor sein Team stellte,<br />
konnte den erbosten Anhang<br />
nicht besänftigen. Doch selbst<br />
die heftige Reaktion von den Tribünen<br />
verleitete den Fußball-<br />
Lehrer nicht zur Kapitulation:<br />
„Ich bin der Letzte, der sich in so<br />
einer Situation verpisst. So bin<br />
ich nicht erzogen. Ich glaube an<br />
meine Arbeit“, antwortete er auf<br />
Fragen nach einem möglichen<br />
Rücktritt.<br />
Das Votum der Fans am Sonnabend<br />
fiel eindeutig aus. Bereits<br />
nach einer Stunde Spielzeit holten<br />
einige Ultras aus der Nordkurve<br />
die Fahnen ein.<br />
Nicht nur der Trainer, sondern<br />
auch Benjamin Stambouli bekam<br />
die Ablehnung zu spüren.<br />
Sein Versuch, mit besänftigenden<br />
Worten auf die verärgerten<br />
Ultras einzuwirken, endete in einem<br />
Eklat. „Die haben mir die<br />
Kapitänsbinde abgenommen.<br />
Das war sehr schwer für mich“,<br />
bekannte der 28 Jahre alte Franzose<br />
mit Tränen in den Augen.<br />
Diese Aktion der Fans hat auf<br />
Schalke eine hohe symbolische<br />
Bedeutung. Als Zeichen für ihre<br />
Unterstützung hatten die Ultras<br />
dem derzeitigen Ersatzkeeper<br />
Ralf Fährmann zu Saisonbeginn<br />
eine eigens angefertigte „Nordkurve<br />
Gelsenkirchen“-Kapitänsbinde<br />
übergeben. „Die Binde soll<br />
unsere Elf die komplette Saison<br />
über begleiten und den Arm unseres<br />
Kapitäns bei den Spielen<br />
und sicherlich schwierigen<br />
sportlichen Aufgaben in Europa<br />
schmücken.“ Nun forderten sie<br />
diese zurück.<br />
Nach dem ersten Schreck äußerte<br />
Stambouli Verständnis.<br />
„Ich weiß, dass wir nur kleine<br />
Trainer Domenico<br />
Tedesco gibt sich<br />
energisch, steht auf<br />
Schalkeaber vorm Aus.<br />
Spieler sind, wenn du das mit<br />
diesem großen Verein vergleichst.“<br />
Kämpferisch fügte er<br />
an: „Es ist Zeit für uns zu zeigen,<br />
dass wir Männer und eine richtige<br />
Mannschaft sind.“<br />
Guido Burgstaller äußerte sich<br />
ähnlich verständnisvoll wie<br />
Stambouli. „Die Fans haben uns<br />
ins Gewissen geredet, das ist absolut<br />
zu akzeptieren. Wir haben<br />
es verdient.“ Der Stürmer ergänzte:<br />
„Wir hoffen, dass wir<br />
Fotos: Getty (2), dpa<br />
schnellstmöglich mit unseren<br />
Fans wieder eine Einheit bilden<br />
–und diese besondere Kapitänsbinde<br />
zurückbekommen.“<br />
Ursprünglich hatten sich die<br />
Schalker gegen Düsseldorf vorgenommen,<br />
sich für die desolate<br />
Vorstellung eine Woche zuvor<br />
in Mainz (0:3) zu rehabilitieren.<br />
Zu sehen war davon jedoch<br />
nichts. „Wir haben keinen Charakter<br />
gehabt. Null. Nichts.<br />
Nach so einer Woche. Das ist<br />
noch bitterer“, befand Tedesco.<br />
Mit jedem der vier Gegentreffer<br />
durch Dodi Lukebakio, Dawid<br />
Kownacki (2) und Benito<br />
Raman wuchs die Verunsicherung.<br />
Neben den Toren der Düsseldorfer<br />
mussten die Profis<br />
während der Partie die Hohngesänge<br />
der Fans („So ein Tag, so<br />
wunderschön wie heute“) ertragen.<br />
Tedescos Kommentar klang<br />
mehr nach Resignation als nach<br />
Zukunftsglaube. „Die Mannschaft<br />
war vor dem Spiel lebendig,<br />
aber im Spiel tot“, bekannte<br />
er. Ähnlich schwer tat sich Nationalspieler<br />
Mark Uth mit dem<br />
Versuch, den Absturz des Vorjahreszweiten<br />
zu erklären: „Wir<br />
wissen nicht, wie wir aus der Situation<br />
rauskommen, wenn man<br />
sieht, wie wir Fußball spielen.<br />
Wir spielen ja gar keinen Fußball.<br />
Ich weiß es selber nicht genau,<br />
was wir da machen.“ KEX