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JOURNAL<br />
„Ich weiß nicht,<br />
mit welchem Teil<br />
meinesKopfes<br />
ich gerade rede...“<br />
Der weltbekannte DJ Paul vanDyk (47),inEisenhüttenstadt<br />
geboren, erlitt bei einem Sturzvon der Bühne vor drei Jahren<br />
schwerste Hirn- und Wirbelverletzungen. Über seinen harten<br />
Kampf zurück ins Leben hat er jetzt ein Buch geschrieben<br />
Esist Nachmittag, aber<br />
Paul van Dyk hat noch<br />
das Make-up vom<br />
Frühstücksfernsehen<br />
im Gesicht, als wir ihn in einem<br />
Hotelzimmer in Friedrichshain<br />
treffen. Vor dem Panoramafenster<br />
hängt der Himmel<br />
regenschwer über der<br />
Spree. Van Dyk gibt an diesem<br />
Tag ein Interview nach dem<br />
anderen; sein Buch „Im Leben<br />
bleiben“ (Benevento,20Euro)<br />
wird er am Abend noch im<br />
Frannz Club vorstellen. Früher<br />
wäre so ein Tag für den<br />
heute 47-Jährigen, der als DJ<br />
im Jahr 16-mal um die Welt<br />
flog, keine große Herausforderung<br />
gewesen. Aber vor drei<br />
Jahren änderte sich alles. Am<br />
27. Februar 2016 stürzte er bei<br />
einem Auftritt in Utrecht in<br />
den Niederlanden von der<br />
Bühne, sechs Meter tief. Er erlitt<br />
dabei ein schweres Schädel-Hirn-Trauma,<br />
seine Wirbelsäule<br />
war zweimal gebrochen.<br />
Er würde nie wieder gehen<br />
und sprechen können,<br />
befürchteten die Ärzte. Schon<br />
vier Monate später stand er<br />
wieder auf der Bühne und<br />
machte Musik.<br />
KURIER: Wie geht es Ihnen<br />
heute?<br />
Paul van Dyk: Gut.<br />
Ein Interview nach dem anderen<br />
zu geben, das klingt<br />
anstrengend, wenn man sich<br />
wie Sie von schwersten<br />
Hirnverletzungen erholt.<br />
Ist es auch. Es ist ja nicht irgendeine<br />
Geschichte, um die<br />
es geht, sondern meine Lebensrealität.<br />
Das hat eine andere<br />
Dynamik, als wenn ich<br />
über mein neues Album rede.<br />
Aber mir geht es so weit gut.<br />
Die permanenten Schmerzen,<br />
die sind da, das ist wie ein<br />
Grundsummen, manchmal ist<br />
es ein bisschen schlimmer.<br />
Aber ich lasse mich nicht so<br />
davon beeinflussen.<br />
Wenige Monate nach dem<br />
Unfall saßen Sie in der Sendung<br />
von Markus Lanz. Damals<br />
erzählten Sie, Ihre Füße<br />
würden brennen wie Feuer,<br />
während Ihre Beine sich<br />
anfühlten, als steckten sie in<br />
Eiswasser. Wie ist das heute?<br />
Das ist alles noch da. Die Ärzte<br />
sagen: Was nach zwei Jahren<br />
noch da ist, bleibt auch.<br />
Der Schmerz<br />
rückt immer<br />
weiter in den<br />
Hintergrund.<br />
Man kann über Therapien nur<br />
versuchen, eine Linderung zu<br />
erzielen. Aber man gewöhnt<br />
sich so weit daran, dass der<br />
Schmerz immer weiter in den<br />
Hintergrund der Wahrnehmung<br />
rückt.<br />
Was sind das für Therapien,<br />
die Sie machen?<br />
Was das Gefühl in den Beinen<br />
angeht, kann man gar<br />
nichts machen, das sind neurologische<br />
Probleme. Aber ich<br />
mache Logopädie für die Sprache<br />
und Gedächtnistraining,<br />
um das da oben alles auf Trab<br />
zu halten.<br />
Nachdem Sie aus dem Krankenhaus<br />
entlassen wurden,<br />
mussten Sie kleinste Alltagshandlungen<br />
neu lernen und<br />
ganz bewusst ausführen.<br />
Multitasking ging gar nicht.<br />
Wenn man in etwas Routine<br />
bekommt, hat das so eine Art<br />
Dominoeffekt, dann werden<br />
auch andere Sachen einfacher.<br />
Ich denke, wenn ich zum<br />
Kühlschrank gehe, um die<br />
Milch rauszuholen, mittlerweile<br />
nicht mehr darüber<br />
nach, welchen Muskel ich benutzen<br />
muss. Diese Routine ist<br />
wieder da, ich kippe mir nicht<br />
permanent die Milch über die<br />
Klamotten wie anfangs. Wenn<br />
man diese motorischen Fähigkeiten<br />
mal verloren hat, stellt<br />
man fest, was das Gehirn so alles<br />
„nebenbei“ macht. Das ist<br />
ein faszinierender Apparat.<br />
Faszinierend ist auch, dass<br />
dieser Apparat Fähigkeiten<br />
wieder erlernen kann, die,<br />
wie bei Ihnen, komplett verloren<br />
waren.<br />
Was man nur leider nicht<br />
machen kann, ist, die Zellen<br />
wieder herzustellen, die einmal<br />
zerstört wurden. Aber es<br />
gibt eben diese Gliazellen, das<br />
sind eigentlich nur Informationsdurchleiter,<br />
aber die kann<br />
man in der Tat trainieren und<br />
so das umliegende Gewebe anregen,<br />
Funktionen zu übernehmen,<br />
die das abgestorbene<br />
Gewebe vorher hatte. Bei mir<br />
war gerade an der Stelle, wo<br />
das Sprachzentrum sitzt, viel<br />
kaputt. Dass ich wieder halbwegs<br />
vernünftig reden kann,<br />
ist offensichtlich ein Zeichen<br />
dafür, dass das funktioniert.<br />
Ich weiß nicht, mit welchem