impulse08Tagungsbericht - Lebenshilfe Berlin
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undesinitiative „Daheim statt Heim“<br />
werden. Das ist in Alsterdorf und auch in Hephata Mönchengladbach<br />
geschehen – warum sollte das andernorts nicht gehen?<br />
Die älteren Menschen stimmen längst mit den Füßen ab und zögern<br />
den Einzug in ein Heim so lange wie möglich hinaus. Mit durchschnittlich<br />
87 Jahren ziehen die Menschen schweren Herzens in ein<br />
Heim und leben dort im Durchschnitt noch ein Jahr und drei Monate.<br />
Sie ziehen ins Heim, weil sie Hilfe brauchen und sich dorthin begeben,<br />
wo sie Hilfe erhalten. Es ist doch widersinnig!<br />
Viel klüger, aber vor allem auch menschenfreundlicher wäre es, die<br />
Hilfe zu den Menschen zu bringen. Dies gelingt längst in Dänemark,<br />
das von oben herab einen Baustopp für neue Heime beschlossen<br />
hat. Das gelingt in Schweden seit 30 Jahren, in dem über 250.000<br />
Menschen mit Alltagskompetenz als Assistenten arbeiten. Das gelingt<br />
in Bielefeld, in dem die Menschen in kleinen Wohnquartieren<br />
leben und ambulant betreut werden.<br />
Deutschland ist Schlusslicht in Europa, was die Gemeinde nahen Unterstützungssysteme<br />
angeht. Die Ratifizierung der UNKonvention<br />
über die Rechte von Menschen mit Behinderung ist deshalb besonders<br />
dringlich. Teilhabe fängt nicht beim Wohnen an. Von Anfang<br />
an müssen Kinder mit Behinderung Teil der Gesellschaft sein. Ihre<br />
Anwesenheit in Schulen und Kindergärten muss Normalität sein.<br />
Förderung und Zugehörigkeit von Anfang an – das ist Inklusion. Das<br />
fordert die Konvention – anstatt Eingliederung im Nachhinein, Zugehörigkeit<br />
von Anfang an fördern!<br />
Das Umbenennen von Heimen in Wohnstätten hilft dann eben auch<br />
nichts. Es muss von Anfang an ein selbstbestimmtes Leben gefördert<br />
werden. Voraussetzung dafür ist die Barrierefreiheit in allen Lebensbereichen.<br />
Ohne Zugang z.B. zu Informationen, Gebäuden oder auch<br />
Bildungschancen gibt es keine Gleichberechtigung und keine selbstbestimmte<br />
Teilhabe.<br />
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3. Wir fordern daher den flächendeckenden Aus- und Aufbau individuell-<br />
bedarfsdeckender vernetzter Unterstützungsangebote für<br />
ältere und behinderte Menschen.<br />
Unsere Gegner sind die Kartelle der Heimträger und Leistungsanbieter.<br />
Längst haben sich Investoren auf den Bau von Billigheimen eingestellt.<br />
Sie bauen „Pflegefabriken“ für diejenigen, die sich keinen<br />
Platz in einer „Residenz“ leisten können. Die Heime werfen Renditen<br />
von bis zu zehn Prozent ab.<br />
Ein Artikel in einer der letzten Ausgaben des „Stern“ macht dies<br />
deutlich: Seit Ende vorigen Jahres hält der Investor Guy WyserPratte<br />
fünf Prozent an der börsennotierten Curanum AG in München, die<br />
mit 7.638 Pflegeplätzen einen Jahresgewinn von rund acht Millionen<br />
Euro erwirtschaftet. Wer noch etwas Gerechtigkeitssinn hat, wer<br />
noch ein Gefühl hat für Menschenwürde und Sozialstaatlichkeit, der<br />
kann nicht hinnehmen, dass mit der Pflegebedürftigkeit der Menschen<br />
ein Geschäft gemacht wird.<br />
Auf das Kostenargument trifft man aber allerorts: Kostenintensiv ist<br />
ein Begriff, der mir, wenn er benutzt wird, immer etwas wehtut.<br />
Wenn ich miterleben muss, dass eine Gesellschaft es nicht fertig<br />
bringt, Menschen zu unterstützen, die ihre Unterstützung brauchen,<br />
und ständig nur von Kosten redet, wird mir teilweise schwindlig.<br />
Ich verweise auf den Fall Leonhard in Hamburg. Man hat billigend<br />
in Kauf genommen das Gutachten hat es aufgezeigt –, dass das<br />
Leben dieses Mannes automatisch verkürzt wird, wenn er in eine<br />
Einrichtung kommt. Das ist skandalös. Es geht um SGB XII § 13. Dort<br />
steht: Ambulanten Leistungen der Sozialhilfe ist nur so lange Vorrang<br />
zu gewähren, solange sie nicht mit unzumutbaren Mehrkosten<br />
verbunden sind. In diesem Paragrafen ist aber auch geregelt, dass<br />
die Versorgung zumutbar sein muss. Das war im Fall Leonhard überhaupt<br />
nicht so. Man hat sich über das Kriterium der Zumutbarkeit<br />
hinweggesetzt.<br />
Der berechtigte Bedarf eines Einzelnen, das Wunsch und Wahlrecht,<br />
muss nicht nur im Persönlichen Budget Ausdruck finden; vielmehr<br />
muss dieser Bedarf, egal wie klein er ist, uns dazu veranlassen, der<br />
Menschenwürde eines jeden Einzelnen auch gerecht zu werden. In<br />
Kommunen und Ländern muss man endlich erkennen, dass die ambulante<br />
Versorgung insgesamt auch kostengünstiger ist. Pflegehochburgen<br />
und Wohnheime können sich die überschuldeten Kommunen<br />
nicht mehr leisten.<br />
Der Kostenvergleich von ambulant und stationär der überörtlichen<br />
Sozialhilfeträger zeigt: 23.172,00 Euro je Leistungsberechtigtem im<br />
Jahresdurchschnitt 2006 für stationäres Wohnen stehen 11.890,00<br />
Euro im ambulanten Wohnen entgegen. Das sind klare Zahlen!<br />
Umsteuern heißt hier aber nicht kaputt sparen: Mit der Förderung<br />
ambulanten Wohnens werden mehrere Fliegen mit einer Klappe geschlagen.<br />
Neben dem Teilhabeaspekt, den ich schon beschrieben habe, eröffnen<br />
sich durch die Belegung von bisher freiem Wohnraum neue<br />
Möglichkeiten zur Gestaltung des gemeindenahen Raums. Menschen<br />
<strong>impulse08Tagungsbericht</strong> _ 9