Berliner Zeitung 25.04.2019

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Berliner Zeitung · N ummer 95 · D onnerstag, 25. April 2019 – S eite 1 ························································································································································································································································································· Kulturkalender DER WOCHENÜBERBLICK VOM 25. APRIL BIS 1. MAI 2019 Filmtipps Kinoprogramm Literatur Ausstellungen Konzerte Bühne Seiten 2&3 Seiten 2–6 Seite 6 Seite 7 Seite 7 Seite 8 Melusine in schlechter Gesellschaft „Oceane“ –die Deutsche Oper präsentiert eine Fontane-Oper von Detlev Glanert VonPeter Uehling Szene aus der Fontane-Oper „Oceane“ mit Maria Bengtsson (Mitte) in der Titelrolle. DEUTSCHE OPER Theodor Fontane war,nach eigenem Eingeständnis wie auch ausweislich seiner Schilderungen von Musik, völlig unmusikalisch. Sein Versuch, sich mit dem damals alle Deutschen verhexenden Richard Wagner zu befassen, endete mit einer Flucht aus dem Bayreuther Festspielhaus, kaum dass er zehn Minuten „Parsifal“ angehört hatte und in den Bläserchorälen die Posaunen des Jüngsten Gerichts zu vernehmen meinte –was mit schon grotesker Deutlichkeit demonstriert, dass der Mann kein Ohr hatte. An seiner Lyrik zeigte kein großer Komponist Interesse, und Dramen, aus denen man Opern hätte machen können, gibt es gleich gar nicht. Aber wer braucht dazu heute noch Dramen? Detlev Glanert, einer der aktuell erfolgreichsten deutschen Opernkomponisten, hat nach in Stoff und Stil sehr verschiedenen Opern wie „Das Holzschiff“ nach Hans Henny Jahnn oder „Ich bin Rita“ nach Elke Heidenreich, nach „Caligula“ nach Albert Camus und „Solaris“ nach Stanislaw Lem jetzt ein Novellenfragment des diesjährigen Jubilars Fontane zur Vorlage genommen. Es heißt ausgerechnet „Oceane von Parceval“ und entstand 1882, im Jahr der Uraufführung des „Parsifal“. Hans-Ulrich Treichel, der bereits für Glanerts Lehrer Hans Werner Henze als Librettist gearbeitet hat, schuf die Dramatisierung. Die Deutsche Oper Berlin hat das Stück in Auftrag gegeben und wird esam Sonntag uraufführen; es inszeniert Robert Carsen, Donald Runnicles leitet eine Sängerbesetzung unter anderen mit Maria Bengtsson und Doris Soffel. Oceane ist eine junge,geheimnisvolle Frau, wie Fontane sie immer wieder in seinen Romanen auftreten lässt. Sie gerät in einem Strandhotel unter eine Urlaubsgesellschaft und erweckt Begehrlichkeiten, vor allem die von Martin von Dircksen, einem Unternehmer und stumpfen Macher, wie sie Fontane ebenfalls gern als Vertreter auftrumpfender Reichspreußen porträtiert hat. Aber diese seltsame Frau erweist sich seltsam empathiefrei. Verbunden mit dem Meer, freiheitlich gesonnen, lässt sie sich vondem Industriellen nicht verführen und entzieht sich wieder. Fontanes Fragment schillert reizvoll zwischen mythischem Hintergrund und Gesellschaftssatire, zwischen Melusine-Fantastik und Realismus.Glanerthat die Hauptfigur musikalisch mit einer See- und Meermusik einzufangen versucht – als großer Verehrer des musikalischen Wasserspielers Maurice Ravelweiß er,was da zu tun ist. Es ist die elfte Oper des heute 58jährigen, in Hamburg geborenen und in Berlin lebenden Komponisten. Glanertbekennt sich zur Handlungsoper wie Henze oder Manfred Trojahn und wie diese zu einem tendenziell eklektischen Stil. Im Spektrum der zeitgenössischen Opern, die Intendant Dietmar Schwarzbislang aufs Programm gesetzt hat, besetzt Glanert augenscheinlich den konservativsten Platz, verglichen mit Helmut Lachenmanns aufwendig-langweiligem Konzeptmusiktheater „Das Mädchen mit den Schwefelhölzern“ oder der ausgewalzten Sterbeszene von Georg Friedrich Haas“ „Koma“ oder Andrea Scartazzinis nervtötender CSD-Oper „Edward II.“ Aber muss das schlecht sein? Gerade nach Jörg Widmanns maßlos ambitioniertem „Babylon“ und Beat Furrers öd-virtuosem „Violetten Schnee“ an der Staatsoper würde man sich nun auf ein Werk freuen, das seine Gestaltungsabsichten klar einzugrenzen scheint. Das immerhin teilt Glanert mit Fontane: Er weiß sein Publikum anzusprechen. Oceane Premiere am 28. 4., 18 Uhr,weitere Aufführungen:3., 15.,17. und 24. 5., 19.30Uhr, Deutsche Oper,Bismarckstr.35 Immer noch genügend Saft Seit mehr als 30 Jahren stehen die Golden Zitronen für bewegungsnahen und experimentierfreudigen Punk Esist natürlich eine hintersinnige Idee,die Goldenen Zitronen ausgerechnet am 1. MaiinBerlin spielen zu lassen, gewissermaßen als Einstimmung oder Nachhall zu den rituellen Outdoor-Riots rund um dieses Datum. Die Mitte der 80er-Jahre als Spaßpunk-Band in Hamburggegründeten Goldenen Zitronen fühlten und spielten VonHarry Nutt von Anfang an sehr bewegungs- nah. Das haben sie so beibehalten, und beinahe selbstverständlich warensie im Sommer 2017 auch im Kulturprogramm der krawalligen Auseinandersetzungen zum G20-Gipfel aktiv. Einer ihrer frühen Hits lautete: „Mit Gewalt geht alles besser“, ihr widerständiges Musikleben haben die Goldenen Zitronen dann aber vorallem mit der hartnäckigen Abwehr lukrativer Angebote der Musikindustrie verbracht. Die Goldies, wie sie liebevoll chen Richtungswechsel, die sie nach den Jahren des Schlagerpunks („Am Tagals Thomas Anders starb“) neugierig machte auf elektronische Einflüsse und HipHop-Elemente. Gefällig zu sein, stand nie auf dem Programmzettel von Schorsch Kamerun und TedGaier,die heute als Aktivposten der ersten Stunde noch immer für die Kraft der Zitrone sorgen. Möglich ist das vor allem wegen von ihren Fans genannt werden, der künstlerischen Abzweigungen, waren immer unabhängig und wollten es bleiben. Siebewiesen es durch ihrezahlreidie insbesondere Schorsch Kamerun als Schauspieler und Regisseur genommen hat. So inszenierte er Hu- Ganz schön bunt: Die Goldenen Zitronen (ganz rechts Schorsch Kamerun) DGZ/FRANK EGEX bert Fichtes Roman „Die Palette“ am Hamburger Schauspielhaus (2000) und das Stück„Eisstadt“ (2005) an der Berliner Volksbühne.2007 spielte Kamerun in Raymond Pettibons und Oliver Augsts Musical „The Whole World Is Watching“ im Rahmen des Festivals MaerzMusik der Berliner Festspiele. Irgendwann war es dann auch überfällig, die Zitonenzeit in Form eines Romans zu bearbeiten. 2016 erschien Kameruns „Die Jugend ist die schönste Zeit des Lebens“ bei Ullstein. Es ist nie ganz genau zu erklären, wann und warum etwas zu dem wird, was man heute allzu rasch Kult nennt. Aufjeden Fall gehörtdazu die Begabung, sein eigenesTreiben irgendwann als eine Geschichte zu erzählen, an die sich auch andereerinnernkönnen. DieGoldenen Zitronen haben sich zu diesem Zweck schon immer andere Musiker eingeladen. Zu ihrem größten Hit „Für immer Punk“ trugen die Artgenossen von den Toten Hosen und die Berliner Kollegen Die Ärzte bei, 2009 kooperierten sie auch mit der Bildenden Künstlerin Michaela Melian, die außerdem bei Popdekonstruktivisten vonFSK mitspielt. Man darf zum Berliner Auftritt deshalb verstärkt annehmen, dass die Goldies nicht ganz allein kommen. Für ihr letztes Album „More than A Feeling“ haben sie sich zusätzlich die Unterstützung von LaToya Manly- Spain geholt, der Festsaal kann also zum Beben gebracht werden. DieGoldenenZitronen 1. Mai,20Uhr,FestsaalKreuzberg
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