Berliner Kurier 15.05.2019
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MEDIZIN<br />
Der große<br />
KURIER-Ratgeber BERLINER KURIER, Mittwoch, 15. Mai 2019<br />
DIE PROFIS<br />
Mit Elektroden<br />
gegen Migräne<br />
Dr.Thorsten<br />
Riethmann,<br />
Facharzt für<br />
Neurochirurgie<br />
Migräneattacken äußern<br />
sich meist durch halbseitige<br />
stechende oder pulsierende<br />
Kopfschmerzen, die besonders<br />
häufig im Bereich von<br />
Stirn, Augen und Schläfen<br />
auftreten. Das Einsetzen eines<br />
Schmerzschrittmachers<br />
kann die Möglichkeit<br />
bieten, durch kleinste Elektroden<br />
den Schmerz zu lindern.<br />
Nach einer dreitägigen<br />
Testphase, bei der wir<br />
gemeinsam mit den Betroffenen<br />
das ideale Maß für die<br />
Elektroimpulse finden, implantieren<br />
wir nur noch den<br />
Schmerzschrittmacher und<br />
verbinden ihn mit den Elektroden.<br />
Durch diesen minimalinvasiven<br />
Eingriff können<br />
Migränepatienten ohne<br />
Medikamente ihre Schmerzattacken<br />
in den Griff bekommen<br />
und stehen bereits<br />
nach kurzer Zeit wieder ohne<br />
Einschränkungen voll im<br />
Leben.<br />
NACHRICHTEN<br />
Für Notfälle üben<br />
Die Eltern von Kindern mit<br />
schweren Allergien und<br />
manchen anderen Krankheiten<br />
müssen stets Arzneimittel<br />
für den Notfall griffbereit<br />
haben. Erwachsene,<br />
die junge Allergiker betreuen,<br />
sollten auch sicher im<br />
Umgang mit den Medikamenten<br />
sein und ihn geübt<br />
haben.<br />
Patienten ablehnen<br />
Ärzte mit einer Kassenzulassung<br />
sind grundsätzlich<br />
dazu verpflichtet, gesetzlich<br />
Versicherte zu behandeln.<br />
Aber es gibt Ausnahmen.<br />
Zum Beispiel wenn<br />
der Arzt so viele Patienten<br />
hat, dass er Massen an<br />
Überstunden schieben<br />
müsste. Gar nicht ablehnen<br />
dürfen Ärzte Patienten nur<br />
bei einem medizinischen<br />
Notfall.<br />
Fragen?<br />
Wünsche?<br />
Tipps?<br />
Tel. 030/63 33 11-456<br />
(Mo.–Fr. 10–15 Uhr)<br />
E-Mail: berlin.service@dumont.de<br />
Tabuthema<br />
Blasenschwäche<br />
Rund neun Millionen<br />
Deutsche leiden unter<br />
Inkontinenz. Eine echte<br />
Belastungsprobe<br />
Es passiert beim Lachen,<br />
beim Husten, oder einfach<br />
so – ohne große Vorwarnung:<br />
Plötzlich führt die<br />
Blase ein Eigenleben. Mindestens<br />
neun Millionen<br />
Deutsche leiden unter Inkontinenz.<br />
Doch nur wenige<br />
sprechen darüber. Denn das<br />
Tröpfel-Problem ist nach<br />
wie vor ein Tabuthema.<br />
Rund sechs Millionen Deutsche<br />
leiden an einer Blasenschwäche.<br />
Eine Belastung<br />
im Alltag und für das Selbstwertgefühl.<br />
„Das muss nicht<br />
sein“, sagt Priv.-Doz. Dr.<br />
med. habil. Christian Göpel,<br />
Chefarzt des Kontinenzund<br />
Beckenbodenzentrums<br />
im Vivantes Humboldt-Klinikum.<br />
„Mit wirksamen<br />
Therapien lässt sich eine Inkontinenz<br />
meist vollständig<br />
beheben.“<br />
Häufiger sind Frauen als Männer<br />
betroffen –aufgrund anatomischer<br />
und hormoneller<br />
Unterschiede bereits in jungen<br />
Jahren doppelt so häufig.<br />
Annähernd 40 Prozent der<br />
weiblichen über 60-Jährigen<br />
haben eine Blasenschwäche.„Die<br />
Frauen sind in ihrer<br />
Lebensqualität sehr eingeschränkt“,<br />
weiß Dr. Christian<br />
Göpel. „Inkontinenz belastet<br />
nicht nur den Körper, sondern<br />
auch Seele und Selbstwertgefühl.“<br />
Nicht selten sind die<br />
Folgen Rückzug, Isolation<br />
odersogar Depression.<br />
Doch woher kommt die Blasenschwäche?<br />
Die Blase ist eigentlich<br />
ein äußerst leistungsfähiges<br />
Organ, dehnbar wie<br />
ein Luftballon, kann sie bis zu<br />
einem Liter Urin fassen. Sie<br />
sammelt den Urin über Stunden,<br />
erst abeinem Füllvolumen<br />
von 300 bis 600 Millilitern<br />
meldet die Blase starken<br />
Harndrang. „Ein schwacher<br />
Beckenboden, durch eine<br />
Schwangerschaft und Geburt,<br />
oder eine angeborene Gewebsschwäche<br />
können aber<br />
Ursachen für eine Inkontinenz<br />
sein. Auch Voroperationen,<br />
Übergewicht, Rauchen<br />
und die Aufnahme von Alkohol<br />
oder Kaffee können die<br />
Foto: zVg<br />
Wermit seinem Arzt darüber spricht,kann mit Therapien eine Inkontinenz meist vollständig beheben.<br />
Blase beeinträchtigen“, erläutertder<br />
Chefarzt.<br />
Der Weg zu einer Spezialistin<br />
oder einem Spezialisten<br />
lohnt sich. In einer urogynäkologischen<br />
Untersuchung<br />
wird zunächst festgestellt, ob<br />
es sich um eine Stressinkontinenz,<br />
eine überaktive Blase<br />
oder eine Senkung handelt.<br />
Dann wird ein adäquater Behandlungsplan<br />
erstellt.<br />
Im Vivantes Kontinenz- und<br />
Beckenbodenzentrum behandelt<br />
Dr. Christian Göpel Patientinnen<br />
in erster Linie mit<br />
konservativen Maßnahmen:<br />
„Eine Veränderung des Trinkverhaltens<br />
und Gewichtsabnahme<br />
sind oft wichtige erste<br />
Schritte. Auch gezielte Beckenbodenübungen,<br />
unter<br />
Anleitung einer erfahrenen<br />
Physiotherapeutin, und eine<br />
Elektro- bzw. Biofeedbacktherapie<br />
sind wirksam.“Dabei<br />
wirdeineSonde in die Scheide<br />
eingeführt. Kommt es dort zu<br />
einer Muskelanspannung,<br />
nimmt die Sonde dies als kleinen<br />
elektrischen Impuls auf<br />
und wandelt ihn inein visuelles<br />
oder akustisches Signal<br />
um. „So können die Patientinnen<br />
wahrnehmen, wie stark<br />
sie die Beckenbodenmuskulatur<br />
anspannen und entwickeln<br />
nach und nach ein besseres<br />
Gefühl dafür. Bei einem<br />
lokalen Hormonmangel ist die<br />
vorsichtige lokale Applikation<br />
von Östrogenen sinnvoll.<br />
Bleibt der Erfolg aus, können<br />
auch Medikamente verabreicht<br />
werden.“ Gerade bei<br />
der überaktiven Blase stehen<br />
zahlreiche wirksame Präparate<br />
zur Verfügung, die eine Linderung<br />
des Harndrangs bewirken.<br />
Nur bei schwierigen Fällen<br />
diskutieren Experten aktuell<br />
eine Botox-Injektion in die<br />
Blasenwand. „Der kurze ambulante<br />
Eingriff verspricht eine<br />
circa zwölfmonatige Besserung<br />
des Harndrangs“, soDr.<br />
Christian Göpel. Bei einer<br />
Stressinkontinenz kann nach<br />
erfolgloser konservativer<br />
Therapie auch eine OP in Erwägunggezogenwerden.<br />
„Dabei<br />
wird ein kleines Bändchen<br />
um die Harnröhre gelegt, um<br />
den Urinabgang bei Belastung<br />
zu verhindern.“ dpa