Berliner Kurier 15.05.2019
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*<br />
POLITIK<br />
MEINE<br />
MEINUNG<br />
Merkel wieder<br />
Klimakanzlerin<br />
Von<br />
Marina<br />
Kormbaki<br />
Angela Merkelhat in Erinnerung<br />
gerufen, weshalb<br />
sie einst als „Klimakanzlerin“<br />
galt. Beim zehnten Petersberger<br />
Klimadialog fand Merkel<br />
klare Worte für die Unbestreitbarkeit<br />
und die Folgen<br />
des menschengemachten Klimawandels.<br />
Vom Wissen bis<br />
zur Umsetzungist es aberein<br />
weiterWeg. Der Klimaschutz<br />
entzieht sich der Jetzt-undhier-Logik.Politiker<br />
und<br />
Unternehmersind auf schnelle<br />
Erfolge aus. Die Belohnung<br />
für weitsichtige, gegen Widerstände<br />
durchgesetzte Entscheidungen<br />
bleibt oft verwehrt.<br />
Auchals Verbraucher<br />
erliegtman angesichts der<br />
Verlockungen unseres konsumbetonten<br />
Lebensstils der<br />
Beschwichtigungsformel:<br />
Was kann ich allein schon<br />
ausrichten?Und schon ist der<br />
Billigflug gebucht.<br />
Nötig ist entschlossenesHandeln<br />
im Weltmaßstab. Und<br />
Deutschland als Hochtechnologieland<br />
kann Treiber einer<br />
Ökowende sein.Noch in diesem<br />
Jahr soll es ein Klimaschutzgesetz<br />
geben, das alle<br />
Ressorts zum Umweltschutz<br />
verpflichtet. Das Gesetz birgt<br />
Sprengstofffür dieKoalition.<br />
Für Merkelbirgt es aber auch<br />
die Chance, ihrem einstigen<br />
Ruf als Klimakanzlerin gerecht<br />
zu werden.<br />
FRAU DESTAGES<br />
Madonna<br />
Madonna (60), US-Popsängerin,<br />
hält nichts von Aufrufen<br />
zum Boykott des Eurovision<br />
Song Contests in Tel Aviv. Es<br />
breche ihr<br />
jedes Mal<br />
das Herz,<br />
wenn sie<br />
von Gewalt<br />
in der Region<br />
höre,<br />
erklärte sie<br />
am Dienstag.<br />
Aber sie<br />
werde nicht<br />
aufhören,<br />
Musik zu spielen, bloß weil<br />
es jemandem in die politische<br />
Tagesordnung passe. Die von<br />
Palästinensern geführte Boykottbewegung<br />
BDS hat<br />
Künstler aufgefordert, nicht<br />
in Israel zu singen.<br />
Foto: Jason Szenes/dpa<br />
Fotos: Michael Weber/Imago Images , Sepp Spiegl/imago images<br />
Berlin<br />
– Ein Richterspruch, der reguläre Arbeitszeit dokumen- fällt Heimarbeit oder Außen- Die Bundesvereinigung der<br />
die Arbeitswelt massiv verändern<br />
könnte: Der Europäische<br />
Gerichtshof will, dass Arbeitgeber<br />
die Arbeitszeit ihrer Angestellten<br />
tiert wird. Die bisherige Praxis<br />
mache es für Arbeitnehmer äußerst<br />
schwierig bis unmöglich,<br />
ihre Rechte, die unter anderem in<br />
dienst ebenso wie das dienstliche<br />
Telefonat nach Feierabend oder<br />
die vor dem eigentlichen Arbeitsbeginn<br />
geschriebene berufliche<br />
Deutschen Arbeitgeberverbände<br />
(BDA) bezeichnete das Urteil als<br />
„aus der Zeit gefallen“. Man könne<br />
„auf die Anforderungen der<br />
erfassen.<br />
der EU-Arbeitszeitrichtlinie E-Mail. Offen ließ das EuGH die Arbeitswelt 4.0 nicht mit einer<br />
festgehalten sind, durchzusetzen.<br />
anzuwendenden Methoden: Die-<br />
Arbeitszeiterfassung 1.0 reagie-<br />
Die Richter stellen dieses se reichen von der Arbeitszeitren“.<br />
Recht ausdrücklich über den erfassung per Laptop oder Handy-App<br />
▶ Was sagen die Gewerkschaf-<br />
Datenschutz.<br />
über Chipkarten bis zur ten? „Das Gericht schiebt der<br />
▶ Wie ist die bisherige Rechtslage?<br />
klassischen Stechuhr.<br />
Flatrate-Arbeit einen Riegel vor.<br />
Einzelne Verträge können ▶ Was sagen die Arbeitgeber? Richtig so“, erklärte DGB-Vize-<br />
Ausnahmen vorsehen,<br />
chefin Annelie Buntenbach. Zudem<br />
gefährde „entgrenzte<br />
Vor Gericht war eine spanische<br />
Gewerkschaft gezogen. Sie wollte<br />
die Deutsche Bank in Spanien<br />
verpflichten, sämtliche Arbeitszeiten<br />
der Beschäftigten aufzuzeichnen.<br />
▶ Was genau hat der EuGH<br />
entschieden? Neben der Erfassung<br />
der Überstunden muss immer<br />
auch die reguläre Arbeitszeit<br />
von Arbeitnehmern aufgezeichnet<br />
werden, urteilten die Richter<br />
in Luxemburg. Das deutsche<br />
Arbeitszeitgesetz schreibt bislang<br />
nur eine Erfassung von<br />
Überstunden vor. Vor dem EuGH<br />
hatte eine Gewerkschaft in Spanien<br />
gegen die dortige Deutsche<br />
Bank geklagt.<br />
▶ Wie begründet das Gericht<br />
den Urteilsspruch? Die Richter<br />
folgten im Wesentlichen den Argumenten<br />
der Gewerkschaften.<br />
Diese beklagen schon lange, dass<br />
die vorgeschriebene Registrierung<br />
von Überstunden eigentlich<br />
nur möglich ist, wenn auch die<br />
grundsätzlich gilt in<br />
Deutschland aber: maximal<br />
48 Stunden<br />
Arbeit pro Woche, mindestens<br />
elf Stunden Ruhezeit<br />
am Stück pro Tag<br />
und mindestens einmal<br />
in der Woche 24 Stunden<br />
Ruhezeit.<br />
▶ Was bedeutet das<br />
Urteil für deutsche<br />
Arbeitnehmer? Längst<br />
nicht in allen Branchen ist eine<br />
systematische Erfassung der<br />
Arbeitszeit bisher üblich. Dies<br />
soll sich nun ändern. Darunter<br />
Hat eine Niederlage erlitten:<br />
Christian Sewing, Vorsitzender<br />
des Vorstands der Deutschen<br />
Bank AG.<br />
Wie in der<br />
alten Zeit: Solche<br />
Stechuhren dürften<br />
auch nach dem EuGH-<br />
Urteil wohl nicht<br />
mehr zum Einsatz<br />
kommen.<br />
Kommt jetztdie<br />
Stechuhr füralle?<br />
Überstunden als<br />
Gratiszugabefür die<br />
Firma? Nein, haben<br />
jetzt die höchsten<br />
Richter der<br />
Europäischen Union<br />
per Urteilentschieden<br />
Arbeit“ die Gesundheit. Laut<br />
Buntenbach erwirtschafteten<br />
Arbeitgeber auf diese Weise etwa<br />
18 Milliarden Euro im Jahr.<br />
▶ Wie geht es jetzt weiter? Der<br />
EuGH hat die EU-Mitglieder aufgefordert,<br />
rasch entsprechende<br />
nationale Gesetze zu verabschieden.<br />
Die genaue Ausgestaltung<br />
– inklusive Ausnahmeregelungen<br />
– bleibt den Regierungen<br />
überlassen. Laut EU-Recht können<br />
sich Arbeitnehmer<br />
unter bestimmten Voraussetzungen<br />
schon<br />
heute auf das EuGH-<br />
Urteil berufen, ohne<br />
die Umsetzung in nationales<br />
Recht abwarten<br />
zu müssen.