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Berliner Kurier 14.09.2019

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REPORT 19<br />

Solanum humboldtii aus Venezuela, nach dem Finder benannt<br />

Weihnachtsstern, Humboldt-Bonpland-Exemplar von1803<br />

nezuela. An Willdenow hatte Humboldt diesen Beleg<br />

wie auchalle anderen in Berlin aufbewahrten Stücke<br />

geschickt. Die gingen in dessen persönliche Sammlung<br />

ein, heute als Willdenow-Herbarium dem Botanischen<br />

Museumgehörend.<br />

Im Jahr 1803, da war Humboldt längst nicht von<br />

seiner Reise durch Kolumbien, Ecuador, Peru, Mexiko<br />

und Kuba zurück, erklärte der Botaniker die<br />

nämliche Tomate zur besonderen Art, die einen eigenen<br />

Namen verdiene. Solanum humboldtii<br />

Willd. –Solanum für Nachtschatten, humboldtii<br />

für den Entdecker, Willd. für den Beschreiber.<br />

Forschungen ergaben 2008, dass es sich doch<br />

nicht um eine spezielle Art handelte.<br />

Neben dem zarten Presspflänzchen, das neben<br />

Blättern und Blüten auch eine Tomatendolde<br />

mit kirschgroßen Früchten umfasst, hatte<br />

Humboldt auch Samen nach Berlin geschickt,<br />

die Willdenow ausbrachte und am damaligen<br />

Standort des Botanischen Gartens in<br />

Schöneberg zur Blüte führte. Zu jener Zeit betrachtete<br />

man die Tomate als Zierpflanze. Aber<br />

man kannte sie eben schon.<br />

Anders im Fall der Paranuss, auf die Humboldt<br />

und Bonpland am oberen Orinoco stießen. Zwar<br />

verkaufte man die Kerne bis nach Europa, doch<br />

hatte noch kein Kundiger den Baum beschrieben,<br />

der die wertvolle Nuss hervorbrachte.<br />

Die beiden Forscher hielten Blätter und die kokosnussähnliche<br />

Frucht in den Händen, futterten<br />

begeistert Nussberge, doch bekamen sie zu ihrem<br />

größten Verdruss keine Blüte zu Gesicht. Daher<br />

zeigt der nach den Funden angefertigte Kupferstich<br />

neben dem Blatt zwar Früchte, Samen,<br />

Fruchtachse und den Nusskern, aber keine Blüte.<br />

Gleichwohl kommt dem Herbarbeleg höchster<br />

wissenschaftlicher Wert zu: Solche Erstexemplare<br />

gelten –ähnlich dem Urmeter –als Maß der Dinge<br />

für jeden nachfolgenden Forscher. Tausende davon<br />

befinden sich im Botanischen<br />

Museum.<br />

I<br />

nfo<br />

In Berlin: Unterwegs<br />

auf Humboldts Spuren<br />

Humboldt-Forum: Künstler aus<br />

Kolumbien, Peru und Mexiko locken<br />

mit Installationen und Performances<br />

–„250 Jahre jung!<br />

Zum Geburtstag von Alexander<br />

von Humboldt“ (heute, 19 Uhr).<br />

Staatsbibliothek: Die Ausstellung<br />

„Die Amerikanischen Reisetagebücher<br />

von Alexander von<br />

Humboldt 1799 -1804“ (heute<br />

und morgen, 9bis 21 Uhr).<br />

Museum für Naturkunde: Die<br />

Führung „Abends im Museum –<br />

Alexander von Humboldt“<br />

(18. September,18bis 20 Uhr).<br />

Die Schätze heil nach Europa<br />

zu bringen, gehörtezuAlexander<br />

von Humboldts größter Sorge.<br />

Immer wieder setzten Schimmel<br />

oder Termiten den Pflanzen zu.<br />

Immer mussten die Reisenden<br />

Berichte über Piratenaktionen<br />

bedenken, wenn sieLieferungen<br />

vorbereiteten. Gleichwohl gelangten<br />

Teillieferungen oft über<br />

den Hafen Havanna mit Zwischenstation<br />

London oder Madrid<br />

nach Parisund Berlin.<br />

Schon 1801 hatte Humboldt<br />

von Cuba aus 1600 Pflanzen in<br />

herbarisierter Form an Willdenow<br />

nach Berlingesandt. In einem<br />

Brief an Willdenow aus jenem<br />

Jahr erinnert er sich, wie dieser„denTriebin<br />

mirregemachte,<br />

die Tropenwelt zu besuchen –<br />

wennich in meinerPhantasie die<br />

Rehbergeund die Pankemit den<br />

Kataraktenvon Atures, einHausvon China (China-<br />

Fieberrindenbaum), in demich lange gewohnt,vereinigte<br />

–sokommt mir das alles oft wie ein Traum<br />

vor!“.<br />

In einem Brief vom 29. April 1803, aus Mexiko abgesandt,<br />

schrieb er: „Ich besitze eine ausgezeichnete<br />

Sammlung, die ich zu Quito, zu Loxa, am Amazonenfluße<br />

bei Jaén, auf den Anden in Peru, auf<br />

dem Wege von Akapulko nach Chilpensingo und<br />

Mexiko, zusammengebracht habe. Diesen Schatz<br />

will ich nicht dem Zufall der<br />

Post anvertrauen; sondern Dir<br />

selber überbringen. Ich habe Alles<br />

höchst sorgfältig geordnet.“<br />

Nach all diesen Mühen ist es<br />

unfassbar, dass die Sammlung<br />

der ZerstörungimZweiten Weltkrieg<br />

nur knapp entging: Bevor<br />

einfrühes Bombardementinder<br />

Nacht vom 1. zum 2. März 1943<br />

fast vier Millionen Herbarexemplare<br />

des Botanischen Museums<br />

samt Bibliothek zerstörte, war<br />

das Wertvollste, Humboldts<br />

Sammlung, in einen <strong>Berliner</strong><br />

Banksafe ausgelagert worden,<br />

später in ein Salzbergwerk bei<br />

BleicherodeinThüringen.<br />

Auch die Rückführung geriet<br />

zum Drama: Der Zug mit dem<br />

Kulturgut blieb 1945 über Wochen<br />

unter mysteriösen Umständen<br />

verschollen. Als er gefunden<br />

war, bedurfte es höchster<br />

Intervention aus Berlin, um<br />

ihn heimzuholen statt nach St. Petersburg rollen<br />

zu lassen –erkam in Ost-Berlin an, gelangte dann<br />

aber doch nach Dahlem.<br />

Alexander von Humboldt wurde am 14. September<br />

vor 250 Jahren geboren. Berlin kann ihm für<br />

sein Geschenk nicht genug danken. Maritta Tkalec<br />

Fotos: Botanisches Museum (5), dpa

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