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REPORT 19<br />
Solanum humboldtii aus Venezuela, nach dem Finder benannt<br />
Weihnachtsstern, Humboldt-Bonpland-Exemplar von1803<br />
nezuela. An Willdenow hatte Humboldt diesen Beleg<br />
wie auchalle anderen in Berlin aufbewahrten Stücke<br />
geschickt. Die gingen in dessen persönliche Sammlung<br />
ein, heute als Willdenow-Herbarium dem Botanischen<br />
Museumgehörend.<br />
Im Jahr 1803, da war Humboldt längst nicht von<br />
seiner Reise durch Kolumbien, Ecuador, Peru, Mexiko<br />
und Kuba zurück, erklärte der Botaniker die<br />
nämliche Tomate zur besonderen Art, die einen eigenen<br />
Namen verdiene. Solanum humboldtii<br />
Willd. –Solanum für Nachtschatten, humboldtii<br />
für den Entdecker, Willd. für den Beschreiber.<br />
Forschungen ergaben 2008, dass es sich doch<br />
nicht um eine spezielle Art handelte.<br />
Neben dem zarten Presspflänzchen, das neben<br />
Blättern und Blüten auch eine Tomatendolde<br />
mit kirschgroßen Früchten umfasst, hatte<br />
Humboldt auch Samen nach Berlin geschickt,<br />
die Willdenow ausbrachte und am damaligen<br />
Standort des Botanischen Gartens in<br />
Schöneberg zur Blüte führte. Zu jener Zeit betrachtete<br />
man die Tomate als Zierpflanze. Aber<br />
man kannte sie eben schon.<br />
Anders im Fall der Paranuss, auf die Humboldt<br />
und Bonpland am oberen Orinoco stießen. Zwar<br />
verkaufte man die Kerne bis nach Europa, doch<br />
hatte noch kein Kundiger den Baum beschrieben,<br />
der die wertvolle Nuss hervorbrachte.<br />
Die beiden Forscher hielten Blätter und die kokosnussähnliche<br />
Frucht in den Händen, futterten<br />
begeistert Nussberge, doch bekamen sie zu ihrem<br />
größten Verdruss keine Blüte zu Gesicht. Daher<br />
zeigt der nach den Funden angefertigte Kupferstich<br />
neben dem Blatt zwar Früchte, Samen,<br />
Fruchtachse und den Nusskern, aber keine Blüte.<br />
Gleichwohl kommt dem Herbarbeleg höchster<br />
wissenschaftlicher Wert zu: Solche Erstexemplare<br />
gelten –ähnlich dem Urmeter –als Maß der Dinge<br />
für jeden nachfolgenden Forscher. Tausende davon<br />
befinden sich im Botanischen<br />
Museum.<br />
I<br />
nfo<br />
In Berlin: Unterwegs<br />
auf Humboldts Spuren<br />
Humboldt-Forum: Künstler aus<br />
Kolumbien, Peru und Mexiko locken<br />
mit Installationen und Performances<br />
–„250 Jahre jung!<br />
Zum Geburtstag von Alexander<br />
von Humboldt“ (heute, 19 Uhr).<br />
Staatsbibliothek: Die Ausstellung<br />
„Die Amerikanischen Reisetagebücher<br />
von Alexander von<br />
Humboldt 1799 -1804“ (heute<br />
und morgen, 9bis 21 Uhr).<br />
Museum für Naturkunde: Die<br />
Führung „Abends im Museum –<br />
Alexander von Humboldt“<br />
(18. September,18bis 20 Uhr).<br />
Die Schätze heil nach Europa<br />
zu bringen, gehörtezuAlexander<br />
von Humboldts größter Sorge.<br />
Immer wieder setzten Schimmel<br />
oder Termiten den Pflanzen zu.<br />
Immer mussten die Reisenden<br />
Berichte über Piratenaktionen<br />
bedenken, wenn sieLieferungen<br />
vorbereiteten. Gleichwohl gelangten<br />
Teillieferungen oft über<br />
den Hafen Havanna mit Zwischenstation<br />
London oder Madrid<br />
nach Parisund Berlin.<br />
Schon 1801 hatte Humboldt<br />
von Cuba aus 1600 Pflanzen in<br />
herbarisierter Form an Willdenow<br />
nach Berlingesandt. In einem<br />
Brief an Willdenow aus jenem<br />
Jahr erinnert er sich, wie dieser„denTriebin<br />
mirregemachte,<br />
die Tropenwelt zu besuchen –<br />
wennich in meinerPhantasie die<br />
Rehbergeund die Pankemit den<br />
Kataraktenvon Atures, einHausvon China (China-<br />
Fieberrindenbaum), in demich lange gewohnt,vereinigte<br />
–sokommt mir das alles oft wie ein Traum<br />
vor!“.<br />
In einem Brief vom 29. April 1803, aus Mexiko abgesandt,<br />
schrieb er: „Ich besitze eine ausgezeichnete<br />
Sammlung, die ich zu Quito, zu Loxa, am Amazonenfluße<br />
bei Jaén, auf den Anden in Peru, auf<br />
dem Wege von Akapulko nach Chilpensingo und<br />
Mexiko, zusammengebracht habe. Diesen Schatz<br />
will ich nicht dem Zufall der<br />
Post anvertrauen; sondern Dir<br />
selber überbringen. Ich habe Alles<br />
höchst sorgfältig geordnet.“<br />
Nach all diesen Mühen ist es<br />
unfassbar, dass die Sammlung<br />
der ZerstörungimZweiten Weltkrieg<br />
nur knapp entging: Bevor<br />
einfrühes Bombardementinder<br />
Nacht vom 1. zum 2. März 1943<br />
fast vier Millionen Herbarexemplare<br />
des Botanischen Museums<br />
samt Bibliothek zerstörte, war<br />
das Wertvollste, Humboldts<br />
Sammlung, in einen <strong>Berliner</strong><br />
Banksafe ausgelagert worden,<br />
später in ein Salzbergwerk bei<br />
BleicherodeinThüringen.<br />
Auch die Rückführung geriet<br />
zum Drama: Der Zug mit dem<br />
Kulturgut blieb 1945 über Wochen<br />
unter mysteriösen Umständen<br />
verschollen. Als er gefunden<br />
war, bedurfte es höchster<br />
Intervention aus Berlin, um<br />
ihn heimzuholen statt nach St. Petersburg rollen<br />
zu lassen –erkam in Ost-Berlin an, gelangte dann<br />
aber doch nach Dahlem.<br />
Alexander von Humboldt wurde am 14. September<br />
vor 250 Jahren geboren. Berlin kann ihm für<br />
sein Geschenk nicht genug danken. Maritta Tkalec<br />
Fotos: Botanisches Museum (5), dpa