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SPORTaktiv Oktober 2019

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WENN DU EINMAL<br />

AUF STEROIDEN<br />

BIST UND SIEHST,<br />

WIE DAS TRAINING<br />

WIRKT, WENN DU<br />

MIT EPO DEUT-<br />

LICH SCHNELLER<br />

FÄHRST, WILLST DU<br />

NICHT MEHR OHNE.<br />

kümmern, eher einen Zusammenhang<br />

zwischen Aussehen und Gesundheit erkennen,<br />

sozial fürsorglicher und daher<br />

auch zu sich selbst fürsorglicher sind.“<br />

Anfällig für Doping sieht Kogler: einerseits<br />

Jugendliche, wobei es sich öfters<br />

um unsichere Persönlichkeiten handle,<br />

in Kombination mit einer starken „Körper-Leistungs-Orientierung“<br />

und<br />

manchmal auch einer „Körperbildstörung“.<br />

Im Ausdauersport seien es oft<br />

sehr leistungsorientierte Persönlichkeiten,<br />

die auch im Beruf entsprechend<br />

agieren, „deutlich mehr als 40 Stunden<br />

arbeiten und zusätzlich im Sport erfolgreich<br />

sein wollen. Und das geht sich halt<br />

irgendwann nicht aus.“<br />

PD DR. PHIL.<br />

PAVEL DIETZ<br />

ist Sportwissenschafter, lehrt<br />

und forscht an der Universitätsmedizin<br />

Mainz (D).<br />

DR. ALOIS<br />

KOGLER<br />

ist Sportpsychologe in Graz.<br />

www.teamspirit.at<br />

MAG. DR. DAVID<br />

MÜLLER<br />

ist Leiter der Abteilung<br />

Information und Prävention<br />

bei der österreichischen Anti-<br />

Doping-Agentur NADA Austria.<br />

www.nada.at<br />

Verdrängte Folgen<br />

Sportpsychologe Alois Kogler kannte einen<br />

Freizeitsportler, der mit 45 an den<br />

Folgen von Doping verstorben ist. Nebenwirkungen<br />

von Dopingpräparaten<br />

sind oft beträchtlich. Was ist mit Folgen<br />

und Gefahren – werden diese ignoriert<br />

oder sind sie zu wenig bekannt? „Es wird<br />

von beidem etwas sein“, glaubt Pavel<br />

Dietz, „man weiß auch, dass Rauchen<br />

tötet und raucht trotzdem.“ Dietz sieht<br />

auch eine große Suchtkomponente:<br />

„Wenn du einmal auf Steroiden bist und<br />

siehst, wie das Training wirkt, wenn du<br />

mit EPO deutlich schneller fährst, willst<br />

du nicht mehr ohne – so schilderten es<br />

Dopinguser in Interviews.“<br />

Für Kogler spielt eine Art Verdrängungsmechanismus<br />

mit, die Psychologie<br />

nennt es „Fusion“. „Man will daran<br />

glauben, dass es keine Folgen hat. Auch<br />

Donald Trump glaubt, was er sagt,<br />

wenn er von Fake News spricht“. Kogler<br />

sagt auch: „Der Wert von<br />

Gesundheit ist bei uns allen<br />

ein hoher – aber sobald es<br />

ans Eingemachte geht, Geld<br />

oder Schönheit im Spiel<br />

sind, ist er nicht mehr an<br />

oberster Stelle.“<br />

Spiegel der Gesellschaft<br />

Nicht nur unter Schachspielern<br />

hat Pavel Dietz den<br />

Missbrauch von Aufputschmitteln<br />

erforscht. Sondern<br />

auch herausgefunden, dass Neuro-<br />

Enhancement, um die kognitive Leistung<br />

zu verbessern, etwa auch unter<br />

Studierdenden verbreitet ist. Die ermittelten<br />

Zahlen stimmten fast exakt mit<br />

denen von Doping im Freizeitsport<br />

überein – 13 bis 20 Prozent. Kein Zufall,<br />

meint Dietz. Eine ähnliche wissenschaftliche<br />

Datenlage gebe es mittlereile<br />

für verschiedenste Berufszweige, wo es<br />

um Geistesleistungen geht – akademische<br />

Berufe, Wirtschaftswissenschafter,<br />

Ärzte ...<br />

Was es nicht gibt, ist offenes Bekenntnis.<br />

Doping ist wie jede Form von Medikamentenmissbrauch<br />

ein Tabuthema.<br />

Gedopt wurde immer schon, sagt Sportpsychologe<br />

Alois Kogler, doch stets im<br />

Geheimen. Das „Geheimnis“ wäre dabei<br />

sogar eine wesentliche Komponente:<br />

„Geheimwissen wird über Generationen<br />

weitergegeben.“ Wer dopt, gehört zu einem<br />

eingeweihten Kreis. Eine Beziehungssituation<br />

zwischen den Eingeweihten<br />

entsteht, die auch attraktiv ist.<br />

Sportwissenschafter Dietz hat auch die<br />

Kommunikation in Online-„Dopingforen“<br />

erforscht und war immer wieder erstaunt,<br />

wie viel Fach- und Detailwissen<br />

dort ausgetauscht wird. Seine generelle<br />

Einschätzung: „Es gibt Menschen, die<br />

sehr leistungsorientiert sind und bereit,<br />

als Mittel zum Zweck den einfachsten<br />

Weg zu nehmen.“<br />

Für Kogler ist das Dopen im Freizeitsport<br />

ebenfalls ganz klar ein Spiegelbild<br />

WOBEI WIR NICHT VON VER-<br />

BOTENER LEISTUNGSSTEI-<br />

GERUNG, SONDERN EHER<br />

VON EINEM GESUNDHEITS-<br />

PROBLEM SPRECHEN, WENN<br />

MENSCHEN MIT SCHÄDI-<br />

GENDEN MITTELN IHREN<br />

KÖRPER FORMEN WOLLEN.<br />

der Gesellschaft. Auch er ist überzeugt,<br />

dass in vielen Berufsgruppen in ähnlichem<br />

Ausmaß wie im Freizeitsport pharmazeutisch<br />

nachgeholfen wird. Die Beschleunigung<br />

in einer auf permanentes<br />

Wachstum ausgerichteten Gesellschaft<br />

sieht Kogler dabei genauso als Verstärker<br />

wie die Möglichkeit, „Erfolge“ über Social<br />

Media sichtbar zu machen. „Ich bin<br />

überzeugt, dass das Phänomen Doping<br />

im Freizeitsport dadurch deutlich zugenommen<br />

hat und weiter deutlich zunimmt.“<br />

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