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Berliner Zeitung 30.09.2019

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<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 227 · M ontag, 30. September 2019 7 *<br />

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Wirtschaft<br />

FincaBerlín in Nöten<br />

Den Kaffeeproduzenten in Guatemala macht der stark gesunkene Rohstoffpreis schwer zu schaffen<br />

Von Nick Kaiser und Marc Niedoka<br />

Ein gewaltiger Ceiba-Baum<br />

ziertden zentralen Platz des<br />

Städtchens SanPablo in Guatemala.<br />

DerNationalbaum<br />

des mittelamerikanischen Landes ist<br />

in der Region in der Unterzahl –es<br />

dominieren die Kaffeepflanzen der<br />

unzähligen kleinen Plantagen in<br />

dem tropisch heißen und feuchten<br />

Gebiet.<br />

In EuropaistderKaffeeausGuatemala<br />

gefragt. Nach Angaben der EU-<br />

Kommission wurden im vergangenen<br />

Jahr rund 43000 Tonnen Kaffee<br />

aus Guatemala in die EU exportiert<br />

im Wert von130 Millionen Euro.<br />

Namen wie Finca Berlín erinnern<br />

daran, dass einige Plantagen von<br />

Deutschen gegründet wurden, bevor<br />

diese während des Zweiten Weltkriegs<br />

des Landes verwiesen und ihre<br />

Plantagenaufgeteiltwurden.Eingroßer<br />

Teil der hier wachsenden Bohnen<br />

landet heute als Fairtrade-Biokaffee<br />

in den deutschen Geschäften.<br />

Daskönnte sich allerdings ändern<br />

– wegen des niedrigen Weltmarktpreises<br />

sind die Kaffeebauernder Region<br />

in einer unhaltbaren Situation.<br />

„Der Kaffeeanbau ist heutzutage definitiv<br />

nicht mehr rentabel“, sagt José<br />

de León, der mit einer fünf Hektar<br />

großen Plantage zu den größten der<br />

Kleinbauernvon SanPablo gehört.<br />

In Deutschland zählt der Wachmacher<br />

zu den beliebtesten Getränken.<br />

Nach Angaben des Deutschen<br />

Kaffeeverbandes trank jeder Deutsche<br />

im vergangenen Jahr durchschnittlich<br />

164 Liter Kaffee.<br />

DerPreis für Rohkaffee fiel im August<br />

nach Angaben der International<br />

Coffee Organization (ICO) im Vergleich<br />

zum Juli um knapp 7Prozent.<br />

Mit96,07 US-Cent proPfund lag der<br />

Durchschnittswert um mehr als<br />

8Cent unter dem Wert vom August<br />

2018. Im April war der Preis mit<br />

94,42 Cent so tief wie seit Juli 2006<br />

nicht mehr. ImApril 2011 hatte er<br />

noch bei mehr als 2,30 Dollar gelegen.<br />

EinÜberangebot ist laut ICOder<br />

Hauptgrund – die Exportmengen<br />

steigen jedes Jahr. Die größten Ausfuhrländer<br />

sind Brasilien und Vietnam.<br />

Fast jeder schreibt rote Zahlen<br />

Seit vier Jahren schreibe in SanPablo<br />

so gutwie jeder Verluste,erzählt Don<br />

José, wie der 63-jährige Landwirtgenannt<br />

wird. Viele gäben den Kaffeeanbau<br />

auf, nicht wenige wanderten<br />

wegen fehlender Alternativen aus.<br />

„Kaffee ist der weltweit zweitwichtigste<br />

gehandelte Rohstoff, hinter<br />

Rohöl“, sagt Katrin Knauf vom<br />

Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut.<br />

Dem Überangebot stehe kein<br />

nennenswerter Nachfrageschub<br />

gegenüber, vor allem nicht aus China.<br />

Ebenso sei nicht erkennbar,dass<br />

Kaffee in anderen Produkten wie<br />

Kosmetik verwendet werde.<br />

Beim Blick in die deutschen Verkaufsregale<br />

fällt auf: Verbraucher<br />

KaffeebauerJosé de Léon.<br />

kaufen Kaffee häufig im Angebot.<br />

Nach Angaben des Marktforschungsunternehmens<br />

Nielsen stieg<br />

der Absatzanteil vonFilterkaffee,der<br />

im Angebot erhältlich ist, im ersten<br />

FOTO: NICK KAISER/DPA<br />

Halbjahr auf 61 Prozent. Im selben<br />

Zeitraum des Vorjahres waren es<br />

59 Prozent. „Gerade der Filterkaffee<br />

ist eine Kategorie, bei der der Verbraucher<br />

auch die Eckpreise im Kopf<br />

hat“, sagt Christiane Stuck, Getränkeexpertin<br />

bei Nielsen.<br />

Am meisten wird hierzulande<br />

nach wie vorder klassische Filterkaffee<br />

gekauft. Nach Angaben des Deutschen<br />

Kaffeeverbandes lag der<br />

Marktanteil im vergangenen Jahr bei<br />

57 Prozent. Zunehmender Beliebtheit<br />

erfreut sich demnach das Segment<br />

ganze Bohne, der Anteil lag<br />

2018 bei29Prozent.<br />

Etwa 80 Prozent der rund 60000<br />

Bewohner von San Pablo leben Don<br />

José zufolge vom Kaffeeanbau. 87<br />

Bauernhaben sich zu einer Kooperativezusammengeschlossen,<br />

die dem<br />

nationalen Verband Fedecocagua<br />

angehört. Dieser vermarktet den Kaffee<br />

–Chef ist ein Schweizer.<br />

Biostandard<br />

Pro Zentner Kaffee müsse man<br />

750 Quetzal (rund 86 Euro) einnehmen,<br />

um über die Runden zu kommen,<br />

rechnet Don José vor. „Wir verkaufen<br />

im Moment für 650.“ Nurweil<br />

der Verband etwas dazugebe, könnten<br />

viele überhaupt noch weitermachen.<br />

Manhalte sich an die vonden USA<br />

und der Europäischen Union geforderten<br />

Biostandards, erklärt Leonel<br />

Carmelo,technischerBeratervonFedecocagua<br />

in San Pablo. Das werde<br />

aber nicht entsprechend vergütet.<br />

„Die Erzeuger fragen uns: Wasbringt<br />

uns die Zufriedenheit, dass unsere<br />

Kunden ein chemiefreies Produkt<br />

konsumieren können, wenn wir<br />

Hunger leiden?“ DieBauern könnten<br />

es sich nicht leisten, ihren Arbeitern<br />

den gesetzlichen Mindestlohn von<br />

umgerechnet gut 10 Euro am Tagzu<br />

zahlen, sagt Carmelo. Umihre Fairtrade-Zertifikate<br />

nicht zu verlieren,<br />

bezahlten sie also nach Menge geernteter<br />

Kaffeekirschen statt proTag.<br />

DasGeld reiche auch nicht mehr,um<br />

so oft zu düngen, neu anzupflanzen<br />

oder Unkraut zu beseitigen wie zuvor.<br />

Darunter werdeauf längereSicht<br />

die Qualität leiden, und für die Arbeiter<br />

gebe es weniger Jobs. „Weil sie<br />

auch sonst in der Umgebung nichts<br />

finden, wandernsie aus –indie Städte,<br />

nach Mexiko oder dahin, wo alle<br />

hin wollen: in die USA“, sagt Carmelo.<br />

Die anBauern gezahlten Preise<br />

reichten in vielen Fällen nicht aus,<br />

um die Produktionskosten zu decken,<br />

heißt es in einem ICO-Bericht<br />

vom Mai. Die Existenzgrundlagen<br />

von Kleinbauern seien dadurch<br />

ernsthaft beeinträchtigt.<br />

„Multinationale Kaffeekonzerne<br />

zahlenKaffeebauernzumTeilnurein<br />

Viertel des im Internationalen Kaffeeabkommen<br />

von1983 festgelegten<br />

Preises“, betont Fernando Moralesde<br />

la Cruz, Gründer der Initiative<br />

Café for Change. Die Europäische<br />

Union sei als größter Kaffeeimporteur<br />

der Welt der größte finanzielle<br />

Nutznießer desElendsindenAnbauregionen,<br />

meint er. Esbleiben harte<br />

Zeiten für Kaffeeanbauer wie Don José.<br />

(dpa)<br />

Stimmung der Brauer<br />

hellt sich auf<br />

Die Nachfrage nach Bier zieht an<br />

Von Volker Danisch<br />

Inder deutschen Braubranche und<br />

im Bierhandel läuft es nach einem<br />

schwachen August wieder besser –<br />

nicht zuletzt dank der vielerorts laufenden<br />

Oktoberfeste. Branchenkenner<br />

stimmen insbesondere eine<br />

deutlich wachsende Nachfrage bei<br />

Bieren in der oberen Preiskategorie<br />

und bei alkoholfreiem Bier optimistisch.<br />

Allerdings steht nach dem bisherigen<br />

Jahresverlauf auch außer<br />

Frage, dass die Braubranche 2019<br />

einen Absatzrückgang verkraften<br />

muss.ImAugustwar derAbsatz von<br />

alkoholhaltigem Bier zweistellig gesunken.<br />

„Nach einem desolaten August<br />

liegt die Kaufneigung im September<br />

erfreulich über dem hochsommerlichen<br />

Vorjahresmonat –esläuft wieder<br />

richtig gut, die Kästen klimpern<br />

wieder auf den Höfen“, sagte der Generalbevollmächtigte<br />

der Privatbrauerei<br />

Veltins,Michael Huber.Die<br />

deutsche Brauindustrie dürfte nach<br />

dem Jahrhundertsommer 2018 in<br />

diesem Jahr „mit einem blauen Auge<br />

davonkommen“. Er geht davon aus,<br />

dass der deutsche Biermarkt 2019<br />

um etwa 1,5 Millionen Hektoliter<br />

schrumpfen wird. Das entspreche<br />

dem Ausstoß einer Großbrauerei.<br />

Ähnliches ist vom Bundesverband<br />

des Deutschen Getränkefachgroßhandels<br />

(GFGH) zu hören. „Die<br />

Entwicklungistjetztbezogenaufden<br />

September wieder etwas besser“,<br />

sagte Geschäftsführer Dirk Reinsberg.<br />

Daran hätten Festivitäten<br />

einen großen Anteil. „Die Oktoberfeste<br />

sind nicht nur in Bayern und<br />

Baden-Württemberg Publikumsmagneten“,<br />

schilderte er. Eine steigende<br />

Nachfrage bei Biermischgetränken,<br />

Hellbier und alkoholfreiem<br />

Bier dämpfe zwar den Absatzrückgang<br />

bei anderen Biersorten, könne<br />

ihn aber letztlich nicht ausgleichen.<br />

Dennoch habe der Getränkefachgroßhandel<br />

im ersten Halbjahr 2019<br />

auch bei Bier eine positive Umsatzentwicklung<br />

erzielen können. Reinsberg<br />

verwies auf erfolgte Preiserhöhungen<br />

vieler Brauereien. „Und es<br />

gibt die Tendenz der Kunden zu höherpreisigen<br />

Bieren“, erklärt Reinsberg.<br />

Die Braubranche musste im August<br />

den höchsten Absatzrückgang<br />

bei alkoholhaltigem Bier seit rund<br />

drei Jahren hinnehmen. Nach Daten<br />

des Statistischen Bundesamtes setzten<br />

die Brauereien in Deutschland<br />

11,4 Prozent weniger alkoholhaltiges<br />

Bier ab als im gleichen Monat des<br />

Vorjahres.Für die ersten acht Monate<br />

2019 zusammengenommen weisen<br />

die Statistiker ein Absatzminus<br />

von 2,8 Prozent bei alkoholhaltigem<br />

Bier und Biermischgetränken aus.<br />

Nach Beobachtung des Branchendienstes„Inside“hatgeradeBilligbier<br />

schlechter abgeschnitten.<br />

Das Preiseinstiegssegment stehe<br />

unter Druck, sagte Herausgeber NiklasOther.DerAbsatzkehrenachdem<br />

Jahrhundertsommer 2018 wieder<br />

zur Normalität zurück. Gerade mit<br />

Blick auf den Trend zu Hellbier, das<br />

im oberen Preissegment angesiedelt<br />

ist, bestehe in der Braubranche aber<br />

„kein Anlass zum Heulen“. DieKaufbereitschaft<br />

für hochwertigesBier sei<br />

gestiegen.<br />

Alkoholfreilegt stetig zu<br />

DerDeutsche Brauer-Bund verweist<br />

unter anderem auf die steigende<br />

Nachfrage bei alkoholfreiem Bier.Allein<br />

im Handel sei damit ein Absatzplus<br />

von 3Prozent im ersten Halbjahr<br />

verzeichnet worden, sagte ein<br />

Sprecher.Daneben legten auch Radler<br />

und Spezialitätenbiere zu. Mittlerweile<br />

sei jeder 15. Liter Bier,der in<br />

Deutschland hergestellt wird, alkoholfrei.<br />

DerBrauer-Bund rechnet damit,<br />

dass der Marktanteil alkoholfreier<br />

Biere künftig auf 10 Prozent<br />

steigt.<br />

Laut den Marktforschern von<br />

Nielsen ist das Alkoholfreie die einzige<br />

Sorte, die seit zehn Jahren im Lebensmittelhandel<br />

und im Getränkemarkt<br />

„was draufsetzt“. „Alkoholfreies<br />

Bier wird mehr und mehr ein<br />

Erfrischungsgetränk“, meint Marcus<br />

Strobl, Bierexperte von Nielsen. Das<br />

Alkoholfreie mache Limonade und<br />

Schorle Konkurrenz. (dpa)<br />

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