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Film-Star Nadja Uhl<br />
Mit 13 hatte mich der<br />
DDR-Staat verloren<br />
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BERLINER KURIER, Dienstag, 5. November 2019<br />
In der Alten Försterei kam<br />
es am Sonnabend zu<br />
Pyro-Exzessen. Hier im<br />
Bild: Hertha-Fans, die<br />
Pyroabfackeln.<br />
Pyro-Wahnsinn in der<br />
Alten Försterei. Viele<br />
Fans sind entsetzt.<br />
Foto: dpa<br />
Wasläuft schief<br />
zwischen Union und<br />
Hertha,Herr Gysi?<br />
zurzeit dabei, die Sequenzen<br />
aus den Überwachungskameras<br />
auszuwerten. Das dürfte<br />
nicht ganz problemlos sein,<br />
weil einer der Videowagen der<br />
Polizei durch Feuerwerkskörper<br />
und Signalmunition beschädigt<br />
wurde. Damit ist es<br />
umso schwerer, die Täter zu<br />
identifizieren, heißt es im Polizeipräsidium.<br />
Dazu kommt,<br />
dass die Gewalttäter das Verkleiden<br />
perfekt beherrschen.<br />
Sie tragen alle schwarze Hosen<br />
und dunkle Wetterjacken.<br />
Dann tauschen sie unter einer<br />
Blockfahne auch die Schuhe,<br />
Brillen sowie die Tücher vor<br />
den Gesichtern. Eine Identifikation<br />
der Täter ist so nahezu<br />
ausgeschlossen. In der vergangenen<br />
Saison wurden in Berlin<br />
1194 Fans von der Polizei in die<br />
Kategorien Bund Ceingestuft,<br />
ein leichter Rückgang zur Saison<br />
davor. Nach einer aktuellen<br />
Statistik der Polizei sind gegenwärtig<br />
974 Fans gewaltbereit<br />
und 256 Gewalt suchend. Die<br />
meisten gibt es bei Hertha BSC,<br />
so die Polizei.<br />
Lesen Sie auch die S. 20–21<br />
Fotos: dpa<br />
Herr Gysi, wir kommen um<br />
das Thema Fußball auch in<br />
dieser Woche nicht herum.<br />
Sie waren am Sonnabend<br />
beim Derby in der Alten<br />
Försterei. War Ihnen mulmig,<br />
als die Leuchtraketen<br />
flogen?<br />
Sagen wir so, es störte mich.<br />
Letztlich war es nur Glück,<br />
dass niemand ernsthaft verletzt<br />
wurde, als die Leuchtraketen<br />
aus dem Hertha-Block<br />
auf den Rasen und in andere<br />
Blöcke flogen. Diese Verletzungsgefahr<br />
billigend in<br />
Kauf zu nehmen, ist durch<br />
nichts zu entschuldigen.<br />
Haben Sie eine Ahnung,<br />
warum die Vereine esnicht<br />
hinkriegen, so etwas zu<br />
verhindern?<br />
Um zu verhindern, dass das<br />
ins Stadion gelangt, müsste<br />
man am Eingang wahrscheinlich<br />
mit Körperscannern und<br />
Sprengstoffhunden arbeiten.<br />
Aber einen solchen Aufwand<br />
kann niemand leisten und er<br />
bietet auch keine Garantie.<br />
Vielleicht muss man androhen<br />
und dann auch praktizieren,<br />
Feuerlöschgeräte einzusetzen.<br />
Wären Sie für mehr Härte<br />
im Umgang mit den sogenannten<br />
Ultras?<br />
Die Sportgerichtsbarkeit des<br />
DFB verurteiltdie Vereine zu<br />
hohen Strafen. Klar können<br />
die Vereine mehr tun, sie<br />
kennen doch auch ihre Pappenheimer.<br />
Andererseits geben die Ultras<br />
für ihren Vereindas letzte<br />
Hemd und sorgen mit<br />
kreativen Choreos und permanenter<br />
lautstarker Unterstützung<br />
maßgeblich für die<br />
Stimmung in den Stadien. Ich<br />
finde, dass der Gesprächsfaden<br />
zwischen aktiver Fan-<br />
Szene, Vereinen und Verband<br />
wieder geknüpft werden<br />
KURIER-Kolumne<br />
Eine Curry<br />
mit Gysi<br />
Der wöchentliche<br />
Interview-Imbiss mit den<br />
Chefredakteuren<br />
Elmar Jehn und<br />
Jochen Arntz<br />
muss. Vielleicht sollte man<br />
das mal unter neutraler Vermittlung<br />
versuchen.<br />
Union-Boss Dirk Zingler<br />
hat das Wort vom Fußball-<br />
Klassenkampf in Berlin geprägt.<br />
Das kann man natürlich<br />
augenzwinkernd sehen,<br />
als cooles Wortspiel<br />
sozusagen. Andere kriegen<br />
bei solchen Aussagen<br />
Bauchschmerzen. Wie ist<br />
Ihre Haltung dazu?<br />
Dirk Zingler hat damit vermutlich<br />
augenzwinkernd auf<br />
den beträchtlichen Unterschied<br />
zwischen beiden Vereinen<br />
angespielt. Der Marktwert<br />
des Hertha-Kaders ist<br />
sechsmal größer als bei Union.<br />
In der Frage, welche Rolle<br />
Investoren spielen oder eben<br />
nicht spielen, unterscheiden<br />
sich die Vereine fundamental.<br />
Aber zwischen Millionenvereinen,<br />
auch wenn der<br />
eine deutlich mehr davon hat<br />
als der andere, ist es nicht<br />
wirklich ein Klassenkampf.<br />
Zu DDR-Zeiten war es Liebe<br />
zwischen Union und<br />
Hertha, jetzt ist es Rivalität,<br />
die sich bis hin zu den<br />
Szenen vom Sonnabend<br />
entlädt. Was ist eigentlich<br />
schiefgelaufen zwischen<br />
den beiden?<br />
Solche Derbys leben immer<br />
von einer gewissen Rivalität.<br />
Aber die Ostdeutschen fühlten<br />
sich zurecht schlecht behandelt<br />
und entwickeln jetzt<br />
ostdeutsches Selbstbewusstsein.<br />
Und für den quasi geborenen<br />
Erstligisten Hertha ist<br />
es nicht leicht, dass es plötzlich<br />
auch Union aus dem Osten<br />
auf Augenhöhe gibt und<br />
sie nun auch noch gewonnen<br />
haben. Ich hoffe, beide gewöhnen<br />
sich aneinander, sodass<br />
es sich nicht so entwickelt<br />
wie zwischen Schalke<br />
und Dortmund.<br />
Was kann Fußball grundsätzlich<br />
leisten – und was<br />
nicht?<br />
In den Vereinen wird eine<br />
beträchtliche Sozialarbeit geleistet.<br />
Aber selbstverständlich<br />
ist Fußball ein Teil der<br />
Gesellschaft und ihrer Probleme.<br />
Er kann aber helfen,<br />
dagegenzusteuern. Dass die<br />
Spieler von Union am Sonnabend<br />
eine Eskalation verhinderten,<br />
als sie ihre Fans<br />
nach dem Spiel aus dem<br />
Innenraum auf die Tribüne<br />
zurückschickten, war ein<br />
wichtiges Zeichen. Sie haben<br />
eine Grenze gesetzt. Die Vorbildwirkung<br />
auf und neben<br />
dem Platz ist nicht zu unterschätzen.