Berliner Kurier 20.11.2019
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POLITIK<br />
MEINE<br />
MEINUNG<br />
Von<br />
Andreas<br />
Niesmann<br />
Die Macht von<br />
430000 Genossen<br />
Für alle, die es nicht mehr<br />
hören können, gibt es<br />
eine gute Nachricht: In zehn<br />
Tagen ist der Spuk vorbei.<br />
Dann wird es Klarheit über<br />
die Frage geben, ob die große<br />
Koalition noch in diesem<br />
Jahr zerbricht oder ob sie<br />
gemeinsam in die zweite<br />
Hälfte der Legislaturperiode<br />
startet.<br />
Doch die Entscheidung über<br />
das Schicksal der GroKo fällt<br />
nicht beim CDU-Parteitag,<br />
auch nicht beim SPD-Parteitag<br />
Anfang Dezember.In<br />
Wahrheitfällt diese Entscheidung<br />
in diesem Moment,<br />
in den Wohnzimmern,<br />
Küchen und Arbeitszimmern<br />
von 430 000 Genossen.<br />
Deren Abstimmung über den<br />
SPD-Parteivorsitz ist die<br />
eigentliche Hürde für die<br />
GroKo.<br />
Denn im Grunde ist die Sache<br />
ganz einfach: Gewinnen<br />
Geywitz und Scholz, wird<br />
die SPD das Regierungsbündnis<br />
mit der Union fortsetzen.<br />
Sollten aber Esken<br />
und Walter-Borjans gewinnen,<br />
verlässt die SPD vorzeitig<br />
die GroKo. Die Karten liegen<br />
auf dem Tisch, es gibt<br />
eine klare Alternative. Nun<br />
müssen die SPD-Mitglieder<br />
entscheiden –und am Ende<br />
mit den Konsequenzen leben.<br />
FRAU DESTAGES<br />
Sophia Thomalla<br />
TV-Sternchen Sophia Thomalla<br />
ist unter die Investorinnen<br />
gegangen! Wie die 30-<br />
Jährige auf ihrem Instagramaccount<br />
mitteilt, hat<br />
sie „viel<br />
Geld in die<br />
Hand genommen“,<br />
um in das<br />
Start-up<br />
„Schüttflix“<br />
zu investieren,<br />
„eine<br />
Art Amazon<br />
für Schüttgut“. Tomalla:<br />
„Warum Baubranche? Weil<br />
es Bestand hat und bodenständig<br />
ist, die Typen zu mir<br />
passen und weil ich vegane<br />
Kaffeeläden einfach unsexy<br />
finde!“<br />
Foto: Seskim Photo/imago images<br />
Fotos: Kyodo News/imago images/dpa (3); Billy H.C. Kwok/Getty Images/dpa; Vincent Yu/AP/dpa<br />
Spiel mit dem Feuer: Ein<br />
Demonstrant schleudertan<br />
Hongkongs Polytechnischer<br />
Universität einen Brandsatz auf<br />
Sicherheitskräfte. Die Uni gleicht<br />
einer belagerten Festung.<br />
„Scholzomat“ zeigt Gefühle<br />
Endspurtzur Stichwahlumden SPD-Vorsitz: Fünf Erkenntnisse und die Hoffnung auf Parteifrieden<br />
Berlin – Olaf Scholz und Klara<br />
Geywitz oder Norbert Walter-Borjans<br />
und Saskia Esken?<br />
Wer soll die SPD künftig<br />
führen? Bis zum 29. November<br />
entscheiden nun die Mitglieder.<br />
Ausgang offen. Aber<br />
einige Erkenntnisse lassen<br />
sich aus dem Stichwahlprozess<br />
für die Zukunft ziehen.<br />
Bereitschaftspolizisten leuchten in der<br />
Nähe der Polytechnischen Universität<br />
mit Taschenlampen in die Nacht (o.).<br />
Mit Schirmen versuchen sich<br />
Demonstranten zu schützen. (M. und u.)<br />
▶ Chancen für den GroKo-<br />
Fortbestand leicht verbessert<br />
Scholz/Geywitz wollen die<br />
SPD in der GroKo halten. Esken<br />
hatte noch zu Beginn klargemacht,<br />
dass sie die GroKo auf<br />
jeden Fall verlassen will. Inzwischen<br />
ist sie eher auf die Linie<br />
ihres Partners Walter-Borjans<br />
eingeschwenkt: Nun fordert sie<br />
zunächst einmal Nachverhandlungen<br />
mit der Union, beispielsweise<br />
beim Klima oder<br />
bei der Neuverschuldung. Aber<br />
auch die äußeren Umstände haben<br />
sich geändert. Schließlich<br />
würde ein sofortiger Koalitionsbruch<br />
auch SPD-Erfolge<br />
wie die Grundrente gefährden,<br />
die erst nächstes Jahr vom Bundestag<br />
verabschiedet wird. Allerdings:<br />
CDU-Chefin Kramp-<br />
Karrenbauer hat Nachverhandlungen<br />
bereits abgelehnt.<br />
▶ Scholz/Geywitz „emotional“<br />
Lange wurde der Vizekanzler<br />
wegen seiner floskelhaften<br />
Sprache als Scholzomat verspottet.<br />
Im Wahlkampf-Endspurt<br />
hat er bewiesen, dass er<br />
auch emotional reden und werden<br />
kann. Dann zitiert er alte<br />
SPD-Lieder („Mit uns zieht die<br />
neue Zeit“) oder wettert leidenschaftlich<br />
gegen „Ideologen,<br />
die die gesetzliche Rente<br />
schlechtreden“. Leidenschaft<br />
wäre für einen Kanzlerkandidaten<br />
Scholz ein „Must-have“.<br />
Auch Geywitz hat inzwischen<br />
gezeigt, dass sie auch mal energisch<br />
werden kann: „Du machst<br />
es dir zu einfach. Das lasse ich<br />
dir nicht durchgehen“, fauchte<br />
sie Walter-Borjans an, als dieser<br />
Scholz angriff.<br />
▶ Es gibt mindestens zwei<br />
Zukunftsvisionen für die<br />
SPD<br />
„Ich will zurück zur Partei<br />
von Willy Brandt. Wenn das ein<br />
Linksruck ist, dann bin ich der<br />
Linksruck“, sagt Walter-Borjans.<br />
Die Partei müsse Anwalt<br />
derjenigen sein, die keine Lob-