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22 BIEL BIENNE 4./5. DEZEMBER 2019 CINÉMA

BIEL BIENNE 4/5 DÉCEMBRE 2019

Hors Normes HHH

Eine gesellschaftskritische

Tragikomödie - und Anklage

gegen das französische

Gesundheitssystem.

VON

MARIO

CORTESI

Ein orthodoxer Jude mit

Kippa (Vincent Cassel) und ein

praktizierender Muslim (Reda

Kateb), zwei Religionen, zwei

Helden des Alltags, beide mit

grossem Herzen und mit der

gleichen Berufung: Aussenseitern

unserer Gesellschaft, die

niemand mehr will, zu helfen

und nach Möglichkeit wieder

zu integrieren. Das ist seit 20

Jahren die Aufgabe ihrer sozialen

Institutionen «Le silence

des justes» und «L’escale», die

eigentlich illegal arbeiten und

den zuständigen französischen

Ministerien längst ein Dorn im

Auge sind. Sie betreuen, mit

freiwilligen (nicht ausgebildeten)

Helfern, vier Dutzend

schwer benachteiligte Autisten,

die von Eltern, Heimen und

Kliniken verstossen worden

sind. Und die man vorher mit

Medikamenten vergeblich ruhigzustellen

versuchte. Eine

authentische Geschichte.

Zuversicht. Die Schöpfer

des unvergesslichen Hits «Intouchables»

(«Ziemlich beste

Freunde», 2011) haben nach

zwei eher durchschnittlichen

Filmen zum Thema zurückgefunden,

das ihnen am besten

liegt: Jenen Härtefällen, die

im Leben keine Chance mehr

haben, mit Optimismus und

Zuversicht das Leben zurückzugeben.

Dafür verzichten Bruno

und Malik, die beiden Leiter der

Institutionen, auf alles, sogar

auf mögliche Liebschaften –

denn ihre Menschlichkeit, ihre

Aufopferung verdrängen alles,

was bei üblichen Menschen

Platz gehabt hätte. Sie müssen

stündlich Krisen bewältigen,

werden immer wieder zu einem

Notfall gerufen, müssen sich

dazwischen mit Geldsorgen

und mit den Bürogummis des

Gesundheits-Ministeriums befassen.

Die ärgern sich, dass

von 80 000 französischen

Autisten vier Dutzend inoffiziell

und illegal von einer

Non-profit-Organisation betreut

werden.

Chaot. Im Mittelpunkt

steht der unkonventionelle

Bruno (Vincent Cassel), ein

Leuchtturm in diesem Sturm

der Gefühle. Eigentlich ein

Chaot, dem die Zeit davonläuft

und dem administrativer

Aufwand ein Graus ist, aber

voller Güte und Geduld, mit

seinem Mantra: «Ich finde eine

Lösung – wir sind nahe daran.»

Berührend. Éric Toledano

und Olivier Nakache, die beiden

Filmemacher, kennen

die authentischen Vorbilder

von Bruno und Malik seit

Jahren, haben auch schon

einen Dokumentarfilm über

sie gedreht. Wie schon in «Intouchables»

bleiben sie feinfühlig

und berührend, lockern

mit amüsanten Szenen auf

und haben – neben autistischen

Laiendarstellern – mit

Cassel einen ausgezeichneten

Schauspieler zur Hand. Und

erinnern uns daran: Diese für

viele unsichtbaren psychisch

Kranken sind unter uns. Wir

sollten sie zur Kenntnis nehmen

und ihnen eine Chance

für Lebensqualität geben. n

Une tragicomédie sociale

sous forme d’accusation

contre le système

de santé français.

PAR

MARIO

CORTESI

Un juif orthodoxe coiffé de

la kippa (Vincent Kassel) et un

musulman pratiquant (Reda

Kateb), deux religions, deux

héros du quotidien, tous deux

avec un cœur gros comme ça

et une même vocation: deux

personnages qui veulent aider

les gens en marge de la société,

Darsteller/Distribution:

Vincent Cassel, Reda Kateb

Regie/Mise en scène:

Éric Toledano, Olivier Nakache (2019)

Länge/Durée: 113 Minuten/113 minutes

Im Kino Lido 1 & 2 /Au cinéma Lido 1 & 2

Zwei Gutmenschen:

Bruno

(Vincent Cassel),

Malik

(Reda Kateb).

Deux bonnes âmes:

Bruno

(Vincent Cassel),

Malik

(Reda Kateb).

dont plus personne ne veut, et

si possible les réintégrer.

C’est depuis vingt ans la

tâche de leurs institutions sociales,

«Le silence des justes»

et «L’escale», qui travaillent

illégalement et sont une épine

dans le pied des ministres français

responsables. Ils encadrent

avec des bénévoles (sans formation)

quatre douzaines d’autistes

lourdement handicapés

exclus par les parents, les foyers

et les hôpitaux. On les a gavés

en vain de médicament pour

chercher à les neutraliser. Une

histoire authentique.

Confiance. Les créateurs

de l’inoubliable succès «Intouchables»

(2011) ont retrouvé

leurs racines après deux films

plutôt moyens: les cas sociaux

désespérés auxquels ils

redonnent un sens à la vie avec

optimisme et confiance. Pour

ce faire, Bruno et Malik, les

deux responsables des institutions,

renoncent à tout, même

à la possibilité de l’amour parce

que leur humanisme, leur sacri-

fice évincent toute forme de vie

privée à laquelle une existence

normale aurait droit.

Ils doivent surmonter des

crises à toutes heures, sans

cesse affronter des urgences

et se consacrer à résoudre des

soucis financiers et se confronter

à la bureaucratie du ministère

de la santé qui s’agace que

quatre douzaines des 80 000

autistes français soient pris en

charge de manière inofficielle

et illégale par une organisation

à but non-lucratif.

Bordélique. Au centre de

l’histoire, on trouve Bruno

(Vincent Cassel), un phare

décalé dans cette tempête de

sentiments. En fait, un bordélique

à court de temps qui

a la gestion administrative en

horreur, mais plein de bonté

et de patience avec un mot

d’ordre: «Je trouverai une

solution, nous sommes tout

près du but.»

Touchants. Eric Toledano

et Olivier Nakache, les deux

réalisateurs, connaissent depuis

des années les modèles

que sont Bruno et Malik. Ils

ont déjà tourné un documentaire

sur leur histoire.

Comme déjà dans «Intouchables»,

ils restent émotifs

et touchants avec légèreté et

amusement. Aux côtés d’acteurs

amateurs autistes, le film

vit de l’excellente interprétation

de Vincent Cassel. Il

nous rappelle la présence de

beaucoup d’handicapés psychiques

parmi nous et nous

suggère d’en tenir compte en

leur offrant la qualité de vie

qu’ils méritent. n

Immer eine

Überraschung:

der Neue von

Woody Allen.

VON LUDWIG HERMANN

Er wird demnächst 84

Jahre alt, gilt als einer der

produktivsten Filmregisseure

der Gegenwart und

hat eine Besonderheit: Der

Drehbuchautor, Schauspieler,

Komiker und Musiker

Woody Allen (viermal mit

dem Oscar ausgezeichnet,

24-mal nominiert) ist in New

York verliebt. Er hat über 50

Filme gedreht – die meisten

spielen im Big Apple, in «der

Stadt, die niemals schläft».

Mit «Annie Hall» («Der

Stadtneurotiker») hat sich

Woody Allen einen Namen

gemacht, mit «Manhattan»

hat er New York eine Hommage

erwiesen und mit

«Match Point» zeigt der

kleine Mann mit dem stets

nachdenklich-besorgten Gesicht,

dass er auf der Leinwand

auch für Spannung

sorgen kann. «A Rainy Day

in New York», sein Neuster,

gehört in die Kategorie

«Woody Allen, der amüsante

Entertainer», eine Komödie,

die Ernst und Schwermut

(aus früheren Werken) über

Bord wirft.

Interview. Der junge Student

Gatsby (Timothée Chalamet)

und seine Freundin

Ashleigh (Elle Fanning) aus

Arizona planen ein romantisches

Wochenende in New

York. Grund für den Kurztrip

in die Millionenstadt: Ashleigh

darf für ihre College-Zeitung in

Manhattan ihren Lieblings-Regisseur

interviewen. Er heisst

Roland Pollard (Liev Schreiber)

und gehört nicht gerade zur

pflegeleichtesten Sorte in der

A Rainy Day in New York HHH

Wenn Liebe aufflammt, geht auch

das Regenwetter vergessen:

Chan und Gatsby

(Selena Gomez,

Timothée Chalamet).

Gilde der Filmemacher. Pollard

ist schwer depressiv, zweifelt

an seinem Können und verabscheut

das eigene Werk.

Während Ashleigh dem bekloppten

Regisseur, später dem

schwermütigen (von der Ehefrau

betrogenen) Drehbuchautor

Ted Davidoff (Jude Law)

und schliesslich dem vereinsamten

Filmstar Francisco Vega

(Diego Luna) auf den Fersen

bleibt, gerät (der vernachlässigte)

Gatsby in die Dreharbeiten

zu einem anderen Film.

Ob er nicht mitmachen will,

fragt ihn der Regisseur, ein ehemaliger

Kumpel. Die Aufgabe:

eine Kussszene in einem Auto

mit der aparten Chan (Selena

Gomez). Gatsby macht mit.

Und weder er noch sie merken

nach der zwölften Wiederholung,

dass es in New York zu

regnen begonnen hat …

Slapstick. Kein Meisterwerk,

aber genial konzipierter

Slapstick, gespickt mit einem

kräftigen Schuss Tiefgang zum

Schluss. Geschrieben und in

Szene gesetzt von einem Fantast,

der auch über eine leerstehende

Telefonkabine einen

spannenden Film drehen

könnte. Ein Nimmermüder,

der mit 84 Jahren noch immer

nicht aufhören kann. Woodys

nächster Film ist schon fertiggestellt,

sein übernächster

liegt in Planung. n

Lorsque l’amour s’enflamme,

on oublie même la pluie:

Chan et Gatsby

(Selena Gomez,

Timothée Chalamet).

Darsteller/Distribution:

Timothée Chalamet, Elle Fanning,

Selena Gomez, Jude Law,

Liev Schreiber, Diego Luna

Kamera/Opérateur:

Vittorio Storaro AIC/ASC

Buch & Regie/Scénario & réalisation:

Woody Allen (2018)

Dauer/Durée: 92 Minuten/92 minutes

Im Kino Beluga & Rex 2/

Au cinéma Beluga & Rex 2

Toujours surprenant:

le petit dernier

de Woody Allen.

PAR LUDWIG HERMANN

Il fêtera prochainement ses

84 ans, il compte parmi les

réalisateurs contemporains les

plus prolifiques et il y a chez

lui une particularité: Woody

Allen, le scénariste, acteur,

comique et musicien (quatre

fois honoré par un Oscar et

24 fois nominé) est follement

amoureux de New York. Il a

tourné plus de cinquante films

qui se jouent principalement

dans la Grande Pomme, dans

la ville «qui ne dort jamais».

Woody Allen s’est fait un

nom avec «Annie Hall», il a

rendu un hommage mémorable

à New York avec «Manhattan»,

le petit grand homme au

regard soucieux a su démontrer

qu’il était également un maître

du suspens du grand écran

AUF EINEN BLICK… EN BREF…

HHHH ausgezeichnet / excellent

HHH sehr gut / très bon

HH gut / bon

H Durchschnitt / médiocre

– verfehlt / nul

avec «Match Point». Son petit

dernier, «A Rainy Day in New

York» appartient à la catégorie

de la comédie dans le genre

«Woody Allen l’amuseur fantaisiste»

qui jette par-dessus

bord le sérieux et le spleen

(de ses œuvres précédentes).

Interview. Le jeune étudiant

Gatsby (Timothée Chalamet)

et son amie Ashleigh

(Elle Fanning), de l’Arizona,

planifient une fin de semaine

romantique à New York. La

raison de ce court séjour dans

la métropole démesurée: une

interview du réalisateur préféré

d’Ashleigh pour le journal de

son collège. Il s’appelle Roland

Pollard (Liev Schreiber)

et, parmi les cinéastes, ne fait

pas vraiment partie de l’espèce

facile à vivre. Roland Pollard

est gravement dépressif, doute

de son savoir-faire et déteste

ses propres œuvres.

Pendant qu’Ashleigh suit

les traces du réalisateur barjo,

plus tard d’un scénariste maus-

Mario

Cortesi

Ludwig

Hermann

l The Lighthouse (Lido 2,23.00) HHH(H) HHH(H)

l Les Hirondelles de Kaboul (Rex 2) HHH(H) HHH

l Frozen 2 (Rex 1, Lido 1+2, Apollo) HHH HHH

l La Belle Époque (Rex 2) HHH HHH

l Bruno Manser (Rex 1+2) HHH HHH

l Le Mans '66 (Apollo) HHH HHH

l Fahim (Rex 2) HHH HHH

l Where’d you go, Bernadette? (Rex 1) HH(H)

l Das perfekte Geheimnis (Rex 2, 22.45) HH(H)

sade (trompé par sa femme)

Ted Davidoff (Jude Law) et

enfin de l’acteur vedette esseulé

Francisco Vega (Diego Luna),

Gatsby, le délaissé, atterrit au

sein du tournage d’un autre

film. Veut-il participer, le questionne

le réalisateur, un ancien

copain? Sa tâche: la scène d’un

baiser en voiture avec la charmante

Chan (Selena Gomez).

Gatsby accepte. Et ni lui, ni

elle ne constate qu’il s’est mis à

pleuvoir sur New York…

Burlesque. Ce n’est pas

un chef-d’œuvre, mais un

film burlesque génialement

conçu qui se termine par un

solide coup d’introspection.

Un film écrit et réalisé par un

personnage lunaire avec suffisamment

de talent pour faire

d’une cabine téléphonique

vide une œuvre palpitante. Un

travailleur infatigable qui, à 84

ans, ne pense toujours pas à

s’arrêter. Le prochain film de

Woody Allen est déjà en boîte,

le suivant est planifié. n

BIEL BIENNE-Bewertung / Cote de BIEL BIENNE: HHHH ausgezeichnet / excellent HHH sehr gut / très bon HH gut / bon H Durchschnitt / médiocre – verfehlt / nul

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