Land & Leben Ausgabe Januar 2020
Das Regionalmagazin für den gesamten Bereich in den Landkreisen Rotenburg Wümme, Osterholz-Scharmbeck und drumherum, mit Veranstaltungskalender und ganz vielen interessanten und unterhaltsamen Beiträgen.
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STADT ROTENBURG<br />
QUERELEN IN ROTENBURG<br />
Interview mit Bürgermeister Andreas Weber zum Thema Rücktritt/Oberstufe IGS Rotenburg<br />
Andreas Weber (SPD) ist enttäuscht<br />
und verärgert über die Situation,<br />
die sich rund um die Entscheidung,<br />
eine Oberstufe an der integrierten<br />
Gesamtschule (IGS) aufzubauen,<br />
bildet und droht mit Rücktritt. Wir<br />
haben am 13.12.2019 ein Interview<br />
zu diesem Thema mit ihm geführt:<br />
<strong>Land</strong> & <strong>Leben</strong>: Herr Weber, man<br />
hat in den letzten Wochen viel<br />
zum Thema „Oberstufe IGS“ gelesen<br />
und gehört, wir wollen Ihnen<br />
hier die Möglichkeit geben,<br />
unseren Lesern zu erklären, was<br />
denn überhaupt los ist. Bitte sagen<br />
Sie uns doch zuerst, worum<br />
es im Groben geht.<br />
Andreas Weber: Ich nehme nun<br />
fünf Jahre die Aufgabe als Bürgermeister<br />
der Stadt Rotenburg wahr<br />
– mit großer Freude und großer<br />
innerer Überzeugung, dass wir viele<br />
positive Dinge erreicht haben:<br />
Verbesserung der Wohnsituation,<br />
Weiterentwicklung in Sachen Gewerbe,<br />
„Stadtradeln“, Kinderbetreuung,<br />
wozu eben auch die Zusammenlegung<br />
der Haupt- und<br />
Realschule zur sog. „IGS“ zählt.<br />
Noch vor sechs Wochen war ich bereit<br />
bei den Wahlen im September<br />
<strong>2020</strong> erneut für eine weitere Amtszeit<br />
anzutreten, doch die momentane<br />
Entwicklung lässt mich damit<br />
hadern. Eine meiner wichtigsten<br />
Aufgaben und Herzensangelegenheit<br />
ist die Weiterentwicklung der<br />
Schullandschaft. Wenige politische<br />
Wortführer haben schon lange unsere<br />
Pläne und Entscheidungen für<br />
eine modernisierung der Schullandschaft<br />
kritisiert, das ist von ihnen<br />
nicht erwünscht – ganz unabhängig<br />
davon, wie hier die Meinung bei<br />
Lehrern, Schülern und Eltern ist (80<br />
Prozent der Befragten Eltern haben<br />
sich für eine Oberstufe ausgesprochen<br />
– Beteiligung 84 Prozent der<br />
Eltern). Nun ist es trotzdem zum<br />
zweiten Mal zu einem negativen<br />
Beschluss gekommen, insbesondere<br />
vor dem Hintergrund, dass der<br />
Schulausschuss (besteht auch aus<br />
Lehrern und einem Schüler), der<br />
auch stimmberechtigt ist, von einigen<br />
Ratsmitgliedern bei der Befragung<br />
nicht nur ignoriert, sondern<br />
auch noch von den Fraktionssprechern<br />
der CDU und des „WIR“/FDP<br />
verhöhnt wurde – meiner Ansicht<br />
nach aus politischem Interesse. Der<br />
Schulausschuss selbst hat sich mit<br />
7:5 für eine Oberstufe und den<br />
dann von uns zu beantragenden<br />
Fördermitteln ausgesprochen – dies<br />
wird ignoriert, Argumente wurden<br />
nicht angenommen und das kann<br />
auch ich so nicht hinnehmen. Ich<br />
konnte den Schulausschuss vor einer<br />
solchen Behandlung nicht<br />
schützen, das geht mir nah.<br />
<strong>Land</strong> & <strong>Leben</strong>: Zwischenfrage:<br />
Wie sieht es denn momentan mit<br />
der Mehrheit im Rat aus?<br />
Andreas Weber: Das ist an dieser<br />
Stelle eine berechtigte Frage, denn<br />
die Mehrheitsverhältnisse haben<br />
sich ganz kurios vor Kurzem verändert.<br />
Bisher hatte die SPD eine<br />
knappe Mehrheit, die Zeiten sind<br />
vorbei. Der ehemals parteilose Michael<br />
Niestädt kam Ende September<br />
für Hermann Martin über die<br />
Nachrück-Liste der SPD in den Rat<br />
und wechselte jüngst unter fragwürdigen<br />
Umständen in die CDU-<br />
Fraktion. Das könnte natürlich auch<br />
für die am 19.12.2019 anstehende<br />
Ratssitzung mit dem Beschluss für<br />
den Jahresetat <strong>2020</strong> (und der Gelder<br />
für die IGS-Oberstufe) mitentscheidend<br />
sein. Nun ist die SPD-<br />
Fraktion von ursprünglich elf auf<br />
nur acht Mitglieder geschrumpft.<br />
Die CDU kommt nun auf 13 Sitze,<br />
zusammen mit „WIR“ (zwei Sitze),<br />
FDP (zwei Sitze) und der AfD (ein<br />
Sitz), kann damit auf bis zu 18<br />
Stimmen zählen. Die SPD kommt<br />
mit den Grünen und mir nur noch<br />
auf 16 Stimmen, somit haben sich<br />
die Mehrheitsverhältnisse drastisch<br />
geändert.<br />
<strong>Land</strong> & <strong>Leben</strong>: Wie sieht es denn<br />
jetzt mit den Gerüchten zu Ihrem<br />
Rücktritt aus?<br />
Auch durch Vorgänge wie den oben<br />
geschilderten Fall geht Glaubwürdigkeit<br />
verloren und das Bild der<br />
Politiker in der Bevölkerung leidet<br />
und darunter leide ich persönlich.<br />
Wenn es nicht möglich ist, wichtige<br />
Ziele wie die IGS-Oberstufe zu<br />
realisieren und sich Kollegen derartig<br />
am Willen der Bevölkerung<br />
vorbei verhalten, macht es für<br />
mich keinen Sinn mehr, weiter<br />
dieses Amt zu führen. Dass ich im<br />
Laufe der letzten Woche Anfeindungen<br />
aus den verschiedensten<br />
Ecken erhalten habe, hat mich verwundert,<br />
aber auch enttäuscht, da<br />
ich stets nach bestem Wissen und<br />
Gewissen für Rotenburg, die Bürger<br />
und meine eigene Überzeugung<br />
gehandelt habe. Ein Rücktritt<br />
wäre nicht etwa aus monetären<br />
Gründen (wie man lesen konnte)<br />
nötig, sondern aus persönlichen<br />
und politischen Gründen. Ich kann<br />
und will nicht gegen mein Mandat<br />
und die Bürger, die mich mit meinen<br />
Zielen und Vorstellungen gewählt<br />
haben, handeln. Wenn hier<br />
auf Zahlen und Fakten keine Rücksicht<br />
mehr genommen werden<br />
soll, dann wird hier offensichtlich<br />
nicht mehr „der Stadt Bestes“ gesucht.<br />
<strong>Land</strong> & <strong>Leben</strong>: Herr Weber, wir<br />
bedanken uns für diese offenen<br />
Worte.<br />
Nach der Ratssitzung am 19.12.<br />
2019 teilte uns Andreas Weber<br />
mit, dass er trotz der schwierigen<br />
Lage die Verantwortung spürt, das<br />
Bürgermeisteramt weiterzuführen<br />
– auch weil er in den letzten Wochen<br />
von verschiedenen Seiten<br />
(nicht nur von Parteifreunden) ermuntert<br />
wurde, weiter zu machen.<br />
Wir wünschen ihm erstmal bis zur<br />
Wahl eine gute Hand und appellieren<br />
an alle Politiker, bei ihren<br />
Entscheidungen zu berücksichtigen,<br />
dass sie in erster Linie für die<br />
Bürger arbeiten und nicht für die<br />
Partei. (hg)<br />
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