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* BERLINER KURIER, Dienstag, 7. Januar 2020<br />
Alfred Heil ist Stammgast in der Schwimmhalle Buch. Sie wurde gerade saniertund wiedereröffnet<br />
Schwangere<br />
BERLIN 11<br />
Von<br />
STEFANIE HILDEBRANDT<br />
Berlin – „Wir werden uns<br />
wohl nicht wieder sehen, machen<br />
sie es gut“. Vor fast zwei<br />
Jahren drückte Alfred Heil<br />
seinem Bademeister in der<br />
Schwimmhalle die Hand und<br />
verabschiedete sich. Damals<br />
war er, der einmal in der Woche<br />
zum Schwimmen kam,<br />
gerade 97 Jahre alt geworden.<br />
Die alte DDR-Volksschwimmhalle<br />
sollte saniert,<br />
das Bad für zwei Jahre geschlossen<br />
werden.<br />
Und weil man in Berlin nicht sicher<br />
sein kann, dass Bauvorhaben<br />
im anvisierten Zeitrahmen<br />
beendet werden, und man im<br />
hohem Alter kaum Termine für<br />
das nächste Jahrzehnt macht,<br />
ist es eine kleine Sensation, dass<br />
Alfred Heil gestern als einer der<br />
Ersten „seine“ Schwimmhalle<br />
im Nordosten der Stadt in Augenschein<br />
nahm.<br />
Journalisten sind gekommen,<br />
eine Kapelle spielt, Aleksander<br />
Dzembritzki, Staatssekretär für<br />
Sport, der Pankower Bezirksrat<br />
für Sport, Torsten Kühne, und<br />
einige Vorstände der <strong>Berliner</strong><br />
Bäderbetriebe halten am Beckenrand<br />
Reden. Herr Heil versteht<br />
kein Wort.<br />
„Im Grunde genommen bestehe<br />
ich von Kopf bis Fuß aus<br />
Ersatzteilen“, sagt er und deutet<br />
auf sein Hörgerät. In der<br />
neuen, wirklich sehr schönen<br />
Halle hallen die Grußworte<br />
schwer verständlich durch<br />
Lautsprecher. „Im Zeitrahmen<br />
geblieben, Kosten 6,5 Millionen<br />
Euro, energetisch topsaniert,<br />
tolles Farbkonzept“, Wortfetzen<br />
wehen über Chlorwasser,<br />
es ist mollig warm am Becken.<br />
Als einige Bademeister mit<br />
Kopfsprung ins neue Becken<br />
hechten und eine Staffel<br />
schwimmen, applaudieren die<br />
Gäste und Alfred Heil wird unruhig.<br />
„Wo finde ich denn die<br />
Öffnungszeiten“, fragt er. Am<br />
liebsten schwimmt er mittags,<br />
da ist es nicht so voll. Jetzt<br />
gleich eine Runde ziehen?<br />
Nein, nein. Dazu ist noch Zeit,<br />
wenn der Trubel sich gelegt<br />
hat. Wer zwei Jahre gewartet<br />
hat, der hat es nun nicht eilig.<br />
Alfred Heil ist ein wacher<br />
Mann. Er trägt ein Hemd und<br />
einen gestrickten Pullunder.<br />
„Was ich noch selber machen<br />
kann, mache ich“, sagt er. Nur<br />
beim Überziehen der blauen<br />
Schuhschoner, mit denen der<br />
Tross der Geladenen nun zur<br />
Besichtigung in Richtung Sauna<br />
schlurft, lässt er sich zur<br />
Hand gehen. Bloß nicht stürzen,<br />
jetzt wo das Bad fertig ist<br />
und Heil endlich wieder in der<br />
Nähe seiner Wohnung schwimmen<br />
gehen kann. „Im Wasser<br />
fühle ich mich sicherer als an<br />
Land“ sagt er. Sport war schon<br />
immer Teil seines Lebens.<br />
Die ersten Schwimmzüge absolvierte<br />
er in der Elbe bei Dresden.<br />
Sein Vater lotste den Sohn<br />
durchs Wasser. Mit acht oder<br />
DasFliesenmosaik,gestaltet vom<br />
DDR-Künstler Lothar Scholz, gab<br />
die Blaupause für das Farbkonzept<br />
im Bad. Die Sauna wurde erweitert,<br />
die Halle energetisch saniert.<br />
neun Jahren durchmisst er das<br />
erste Mal den großen Fluss und<br />
von da an gibt es kein Halten<br />
mehr. Die Jungens entern die<br />
Beiboote der Elbdampfer, lassen<br />
sich unter dem Geschimpfe<br />
der Käpt’ns ein Stück flussauf<br />
ziehen, um dann retour mit der<br />
Strömung zu fliegen.<br />
Als Alfred Heil 19 Jahre alt ist,<br />
holt ihn der Krieg. Er hat Glück,<br />
wird auf Kreta bei der Küstenartillerie<br />
eingesetzt. Als er 1946<br />
in ein zerstörtes Dresden heimkehrt,<br />
gibt es nicht mehr so viele<br />
26-jährige Männer in der<br />
Stadt. Viele Altersgenossen<br />
sind im Krieg gefallen. Alfred<br />
Heil hat ein Händchen für die<br />
Kinder in der Jugendarbeit<br />
beim antifaschistischen Jugendausschuss<br />
in Dresden, einem<br />
Vorläufer der späteren<br />
DDR-Jugendorganisation FDJ.<br />
Heil wird dort Sekretär für<br />
Kultur und Bildung, kommt<br />
1948 zum Landessportausschuss<br />
Sachsen. Nach einem<br />
Studium an der Parteihochschule<br />
in Berlin leitete er von<br />
1952 bis 1954 die Abteilung Agitation<br />
und Propaganda im<br />
Staatlichen Komitee für Körperkultur<br />
und Sport. Von 1954<br />
bis 1959 führte er die Zeitschrift<br />
„Deutsches Sportecho“.<br />
Ab 1959 gehörte er als Mitglied<br />
dem Nationalen Olympischen<br />
Komitee der DDR an. Er<br />
ist der einzige, der noch lebt<br />
von den Männern, die in den<br />
60er-Jahren die Teilnahme einer<br />
gemeinsamen Mannschaft<br />
von BRD und DDR an den<br />
Olympischen Spielen aushandelten.<br />
1960 in Rom, 1964 in Tokio<br />
und 1968 in Mexiko traten<br />
die besten Sportler beider deutscher<br />
Staaten nach Ausscheidungswettkämpfen<br />
unter<br />
schwarz-rot-goldener Flagge<br />
mit den olympischen Ringen<br />
auf. Bei Siegerehrungen wurde<br />
Die Kinder einer nahen Kitafreuen<br />
sich aufsAnbaden. Die Halle wird<br />
dringend gebraucht.Über 100000<br />
Gäste besuchten sie bisher im Jahr,<br />
davon46000 Schüler.<br />
Beethovens Neunte statt der<br />
Nationalhymnen gespielt.<br />
Als Alfred Heil 1997 von<br />
Prenzlauer Berg nach Karow<br />
zieht, ist er fast 80 Jahre alt.<br />
Schon damals geht er regelmäßig<br />
schwimmen. Im Sommer<br />
im Liepnitzsee oder im Wandlitzsee.<br />
Im Winter im SEZ, später<br />
dann in Buch. Ab der kommenden<br />
Woche wird er sich<br />
wieder in seinen zwölf Jahre<br />
alten roten Polo setzen und in<br />
die Walter-Hinze-Straße fahren.<br />
„Ich habe drei Pläne. Erstens:<br />
99 werden –am13. Februar.<br />
Zweitens: den 92. Geburtstag<br />
meiner Frau im März feiern.<br />
Drittens: anbaden im Wandlitzsee<br />
im Mai“, sagt er.<br />
Foto: dpa Foto: dpa<br />
Hunderte Hochschwangere wurden<br />
2019von Kliniken abgewiesen.<br />
weggeschickt<br />
Berlin –Mindestens 397<br />
Schwangere sind im vorigen<br />
Jahr von <strong>Berliner</strong> Kliniken<br />
abgewiesen worden. Das<br />
geht aus der Antwort auf eine<br />
Anfrage des Linke-Abgeordneten<br />
Wolfgang Albers<br />
hervor. Die Frauen wurden<br />
an andere Kliniken weiterverwiesen.<br />
Die Zahlen beziehen<br />
sich auf acht der 19<br />
Geburtskliniken, die angefragt<br />
wurden. Weitere acht<br />
hätten keine Angaben machen<br />
können, eine habe<br />
nicht geantwortet, hieß es.<br />
Ermittlungen<br />
gegen Polizist<br />
Berlin –Ein Polizeibeamter<br />
wird verdächtigt, eine Chatnachricht<br />
mit rechtsextremem<br />
Inhalt versendet zu<br />
haben. Gegen den 29-Jährigen<br />
wurde ein Ermittlungsverfahren<br />
eingeleitet. Geprüft<br />
wird nach Polizei-Angaben,<br />
ob er Kennzeichen<br />
verfassungswidriger Organisationen<br />
verschickte. Ein<br />
Vorgesetzter habe Kenntnis<br />
von den Vorwürfen erlangt.<br />
In dem Fall ermittle nun der<br />
Staatsschutz.<br />
Woidkegedenkt<br />
seines Vorgängers<br />
Potsdam –Brandenburgs<br />
Ministerpräsident Dietmar<br />
Woidke (SPD) hat sich am<br />
Montagnachmittag in das<br />
Kondolenzbuch für den verstorbenen<br />
Regierungschef<br />
Manfred Stolpe eingetragen.<br />
Woidkes Amtsvorgänger<br />
war in der Nacht zum 29.<br />
Dezember 2019 im Alter von<br />
83 Jahren seiner Krebserkrankung<br />
erlegen. Auch<br />
Woidkes Stellvertreter, Innenminister<br />
Michael Stübgen<br />
(CDU), trug sich in das<br />
Kondolenzbuch ein.<br />
Dietmar Woidkeerinnertanden<br />
verstorbenen Manfred Stolpe.