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28 REISE BERLINER KURIER, Sonnabend, 11. Januar 2020<br />
Rund 400.000 Einwohner hat die<br />
marokkanische Stadt Tétouan. Die<br />
Medina wurde vonder Unesco als<br />
Weltkulturerbe ausgezeichnet.<br />
EinParadiesin<br />
WeißundBlau<br />
Tamouda Bay will nicht weniger als die neue Rivierasein –Doch hat es auch das Zeugdazu?<br />
Fotos: dpa<br />
Die Sandstrände sind einladend<br />
breit und millionenfach<br />
gespickt mit Muschelstückchen.<br />
Marokkos König<br />
urlaubt hier angeblich gerne.<br />
Tamouda Bay heißt dieser<br />
Küstenabschnitt südlich<br />
von Fnideq, der mit dem<br />
klangvollen Wort „Riviera“<br />
angepriesen wird. Zurecht?<br />
Bis auf das Fischerstädtchen<br />
M'Diq gibt es entlang der 25<br />
Kilometer langen Tamouda<br />
Bay keinen authentisch gewachsenen<br />
Ort. Sonst finden<br />
sich dort nur verstreute Resorts<br />
und abgeschirmte Apartmentanlagen.<br />
Und die künstliche<br />
Marina Smir mit Caféterrassen<br />
und Protzjachten.<br />
Wer sein Basislagerander Tamouda<br />
Bay aufschlägt, muss<br />
sich auf Mittelmaß am Mittelmeer<br />
einstellen. Aber die Ausflüge<br />
reißen es raus. Ein Muss<br />
ist der historische Bezirk von<br />
Tétouan,der von der Unesco als<br />
Weltkulturerbe ausgezeichnet<br />
wurde.<br />
Abir Mourabet, 25, ist Tourguide<br />
in der Stadt. Die Marokkanerin<br />
ist selbstbewusst und<br />
tough.Essei eine täglicheHerausforderung,<br />
sichimHaifischbecken<br />
der Männerwelt zu behaupten,<br />
sagt sie. Was ihr offenbar<br />
gut gelingt. Als Muslimin<br />
praktiziert sie den Ramadan, betetabernichtund<br />
trägt auch keinen<br />
Schleier. Dafür steckt sie<br />
sicheine Zigarette nach der anderen<br />
an.<br />
Für die Medina, eine der<br />
besterhaltenen Altstädte Marokkos,<br />
gibt sie eine Farbenlehre<br />
an die Hand: Grüne Türen<br />
bedeuten Shops, braune<br />
Türen Privathäuser. Die Medina<br />
komplett zu erkunden,<br />
ist unmöglich: 4000 Gassen<br />
gebe es, rund 10 0000 Menschen<br />
wohnten hier.<br />
Plötzlich riecht es nach Tier.<br />
Aber so richtig. Die Gerberei an<br />
den Stadtmauern existiert seit<br />
Menschengedenken, die Arbeit<br />
ist archaisch geblieben. Die<br />
Sonne siebt Licht in schmale<br />
Gassen. Kätzchen streunen<br />
umher, Alte schleppen sich<br />
mühsam voran. Etwas weiter<br />
duftet es verführerisch aus einer<br />
Backstube. Stereotype von<br />
aufdringlichen Händlern gehen<br />
selbst an Touristenständen<br />
mit Goldarmbändern und Ledertaschen<br />
nicht auf. Jeder ist<br />
überaus freundlich und zurückhaltend.<br />
Im Rif-Gebirge<br />
im Inland und damit abseits<br />
der wenig spektakulären Küste<br />
wartet ein weiterer Höhepunkt:<br />
Chefchaouen. Im Spätmittelalter<br />
begründeten Vertriebene<br />
aus Südspanien den<br />
Ort als neue Heimat und bauten<br />
ihre Häuser zu Füßen der<br />
markanten Gipfel.<br />
Die Bewohner haben die<br />
Stadt in Blau angestrichen, damit<br />
das ursprüngliche Weiß<br />
nicht so in den Augen sticht.<br />
Wände, Fassaden, Treppen,<br />
Portale, Fenstergitter, ja ganze<br />
Gassenböden fügen sich zu<br />
Postkartenansichten und bringen<br />
massenhaft Likes im Netz.<br />
Noch mehr Blautöne bringt<br />
das Ende des Tages, zurück an<br />
der Tamouda Bay. Am Strand<br />
von M'Diq haben sich Angler<br />
positioniert. Männer mit entblößter<br />
Brust spielen Fußball.<br />
Fischerboote tuckern in die<br />
Dämmerung, später flackern<br />
ihre Positionslichter durch die<br />
Nacht. Nein, das macht noch<br />
keine Riviera aus.<br />
Andreas Drouve<br />
Blick über die<br />
Tamouda Bay:<br />
Marokkobewirbt<br />
den Küstenabschnitt<br />
als Rivieraund will<br />
Urlauber anlocken.