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<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 15 · 1 8./19. Januar 2020 7<br />
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Wirtschaft<br />
Vergleich<br />
in<br />
Sicht<br />
Zahl der Glyphosat-Klagen<br />
steigt auf 85000<br />
Von Hannes Breustedt<br />
Die US-Klagewelle gegen Bayer<br />
wegen angeblicher Krebsgefahrenvon<br />
Unkrautvernichternmit dem<br />
Wirkstoff Glyphosat reißt nicht ab,<br />
doch es könnte schon bald einen Vergleich<br />
geben. Der imRechtskonflikt<br />
vermittelnde Mediator KenFeinberg<br />
sagte dem Finanzdienst Bloomberg,<br />
er sei „verhalten optimistisch“, dass<br />
innerhalb etwa eines Monats eine Einigung<br />
zwischen Bayerund den Klägern<br />
erzielt werden könnte. Zuden<br />
Bedingungen eines möglichen Vergleichs<br />
wollte der US-Staranwalt, der<br />
im Juni als Verhandlungsführer verpflichtet<br />
wurde,sich nicht äußern.<br />
Nach Angaben Feinbergs ist die<br />
Zahl der Klagen inzwischen auf<br />
75000 bis 85000 oder sogar noch<br />
mehr gestiegen. Dem widersprach<br />
Bayer jedoch in einer Stellungnahme.<br />
Bei der Zahl handele es sich um<br />
eine „spekulative Schätzung“, die<br />
potenzielle Kläger umfasse, die ein<br />
möglicher Vergleich umfassen könnte.<br />
Die Bayer bislang tatsächlich zugestellten<br />
Klagen hatte der Konzern<br />
zuletzt im Oktober mit etwa 42700<br />
angegeben,was bereits mehr als eine<br />
Verdopplung gegenüber Juli entsprach.<br />
Nunteilte das Unternehmen<br />
mit, dass die Anzahl zwar weiter gestiegen<br />
sei, aber „deutlich unter<br />
50000“ liege.<br />
Bayer hatte sich 2018 mit dem<br />
über60MilliardenDollarteurenKauf<br />
des US-Saatgutriesen Monsanto immenseRechtsrisikeninsHausgeholt.<br />
Die ersten drei US-Prozesse wegen<br />
angeblich krebserregender Unkrautvernichtungsmittel<br />
von Monsanto<br />
Der Unkrautvernichter Glyphosatist<br />
hochumstritten. FOTO: GAERTNER/IMAGO IMAGES<br />
hatte Bayerverloren undhohe Schadenersatz-Urteile<br />
kassiert. Der Konzern<br />
hat die Schuldsprüche jedoch<br />
angefochtenunderhieltin einemBerufungsverfahren<br />
zuletzt Unterstützung<br />
von der US-Regierung, deren<br />
Umweltbehörde EPA das umstrittene<br />
Pflanzengift Glyphosat nicht als<br />
krebserregend einstuft.<br />
Die meisten Analysten erwarten,<br />
dass sich das Unternehmen über<br />
kurz oder lang auf einen milliardenschweren<br />
Vergleich mit den zahlreichen<br />
Klägern inden USA einigt. Darauf<br />
dringen auch die zuständigen<br />
Gerichte. Nach dem letzten Prozess<br />
im Mai waren alle weiteren geplanten<br />
Gerichtsverhandlungen im vergangenen<br />
Jahr verschoben worden.<br />
Trotz der laut Mediator Feinberg offenbar<br />
voranschreitenden GesprächeübereinenVergleichstehennoch<br />
vereinzelt Prozesse auf der Agenda.<br />
Laut Bloomberg soll bereits an diesem<br />
Freitag einer in Kalifornien und<br />
ein weiterer in St.Louis beginnen.<br />
Die Hoffnung auf einen baldigen<br />
Vergleich sowie die indirekte Unterstützung<br />
der US-Regierung hatten<br />
dem wegen der Glyphosat-Klage arg<br />
gebeutelten Aktienkurs zuletzt Auftriebverliehen.SeitdemMehrjahrestief<br />
von 52,02 Euro im Juni 2019 haben<br />
sich die Papieremittlerweile um<br />
knapp 46 Prozent erholt. Allerdings<br />
kosten sie immer noch fast ein Fünftel<br />
weniger als vorder ersten Glyphosat-Prozessniederlage<br />
im August<br />
2018. Im Falle einer Einigung sehen<br />
zahlreiche Analysten–je nach Höhe<br />
der Entschädigungssumme an die<br />
Kläger –noch deutlich Luft für den<br />
Aktienkurs. (dpa)<br />
Woran die Grundrente scheitern kann<br />
Von Andreas Niesmann<br />
Arbeitsminister Hubertus<br />
Heil (SPD) drückt bei der<br />
Grundrente aufs Gas. Am<br />
Donnerstag schickte er<br />
seinen Gesetzentwurfindie Ressortabstimmung.<br />
Bis zuletzt wurde um<br />
die Details gerungen. Millionen Geringverdiener<br />
sollen im Alter eine<br />
Rente bekommen, die über dem<br />
Hartz-IV-Satz liegt, das ist das Ziel der<br />
SPD. Die Sozialdemokraten wollen<br />
damit die Lebensleistung von Menschen<br />
anerkennen, die viele Jahre<br />
lang gearbeitet, Kinder erzogen oder<br />
Angehörige gepflegt haben.<br />
Auf den letzten Metern hat Heil<br />
die Zahl der Profiteure noch einmal<br />
erhöht. Wer33Jahre Rentenbeiträge<br />
aus Beschäftigung, Kindererziehung<br />
oder Pflegetätigkeit vorweisen kann,<br />
soll einen Rentenzuschlag erhalten,<br />
wenn seine Altersversorgung unterhalb<br />
des Hartz-IV-Niveaus liegt. Der<br />
Zuschlag soll zunächst gestaffelt werden<br />
und bei 35 Beitragsjahren die<br />
volle Höhe erreichen.<br />
Im Koalitionsvertrag hatten<br />
Union und SPD noch 35 Jahreals Bedingung<br />
vereinbart. In späteren Verhandlungen<br />
hatten sich die Koalitionspartner<br />
aber auf eine Gleitzone<br />
geeinigt, um Ungerechtigkeiten<br />
durch harte Abbruchkanten zu vermeiden.<br />
Nach den letzten Plänen sollen<br />
nun insgesamt 1,4 Millionen<br />
Rentnerinnen und Rentner profitieren,<br />
davon 70 Prozent Frauen. Die<br />
meisten davon leben in Westdeutschland,<br />
immerhin ein Viertel<br />
Weit weg von den<br />
alten Rekorden<br />
Chinas Wirtschaft wächst nur noch um 6,1 Prozent<br />
Von Jörn Petring<br />
Vor dem Hintergrund des Handelskonflikts<br />
mit den USA und<br />
einer allgemein schwächeren Konjunktur<br />
ist Chinas Wirtschaft 2019 so<br />
langsamwie seit fast 30 Jahren nicht<br />
mehr gewachsen. Nach 6,6 Prozent<br />
2018 legte die zweitgrößte Volkswirtschaft<br />
im abgelaufenen Jahr nur<br />
noch um 6,1 Prozent zu, wie das Pekinger<br />
Statistikamt am Freitag mitteilte.<br />
Jedoch zeigte sichzum Jahresende<br />
eine leichte Stabilisierung. Wie<br />
schon im dritten Quartal verzeichnete<br />
Chinas Wirtschaft im Zeitraum<br />
von Oktober bis Dezember ein Plus<br />
von 6,0 Prozent. Im ersten Quartal<br />
waren 6,4 und im zweiten 6,2 Prozent<br />
erreicht worden.<br />
Die etwas bessere Stimmung<br />
zum Jahresende dürfte auch mit der<br />
Entschärfungdes Handelsstreit zwischen<br />
Peking und Washington zusammenhängen.<br />
US-Präsident Donald<br />
Trump hatte im Oktober eine<br />
Einigung über ein Teilabkommen<br />
verkündet, das in dieser Woche<br />
unterzeichnet wurde. Das Abkommen<br />
sieht vor, dass sichbeide Seiten<br />
nicht mehr mit zusätzlichen Strafzöllen<br />
überziehen. China hat sich<br />
zudem verpflichtet,seine Einfuhren<br />
aus den USA deutlich zu erhöhen.<br />
Dass der Konflikt zwischen der alten<br />
Weltmacht und dem Aufsteiger<br />
China damit vorüber ist, erwarten<br />
die meisten Beobachter jedoch<br />
nicht. Die Einigung verhindere vorerst<br />
zwareine rasante Verschlechterung<br />
der Beziehungen.„Aber die zunehmende<br />
Rivalität zwischen den<br />
USA und China ist damit nicht ausgeräumt“,<br />
sagte Max Zenglein vom<br />
China-Institut Merics in Berlin. Sie<br />
werde das Verhältnis auch künftig<br />
weit über Handelsfragen hinaus<br />
prägen.<br />
Mit einem schnellen, umfassenderen<br />
Folgeabkommen sei deshalb<br />
nicht zu rechnen. Unternehmen<br />
würden Schritte einleiten, umdas<br />
politische Risiko in ihren globalen<br />
Lieferkettenzuverringern.<br />
Die Finanzierung schon ab 33 Beitragsjahren ist nicht gesichert<br />
WerimBeruf wenig verdient hat, kann späterauf Grundrente hoffen.<br />
aber auch im Osten. Das Bundeskabinett<br />
könnte die Grundrente bald<br />
beschließen, damit sie wie geplant<br />
2021 starten kann. Aber es gibt ein<br />
Problem: die Finanzierung. Die<br />
Grundrente soll aus Steuermitteln<br />
bezahltwerden–undnichtetwaüber<br />
höhereRentenbeiträge.Das Arbeitsministerium<br />
rechnet bereits im ersten<br />
Jahr mit Kosten vonrund 1,4 Milliarden<br />
Euro.<br />
Finanziert werden sollen diese<br />
unter anderem aus der geplanten<br />
europäischen Steuer auf Aktienkäufe.Finanzminister<br />
Olaf Scholz (SPD)<br />
Die Spannungen zwischen den<br />
USA und China beunruhigen einer<br />
Befragung zufolge auch viele Bürger<br />
in der EU. Drei von vier Europäern<br />
seienbesorgt über den Handelskonflikt<br />
der beiden Großmächte, in<br />
Deutschland gar 81 Prozent, berichtete<br />
die Bertelsmann Stiftung am<br />
Freitag. Eine beimInstitut Dalia Research<br />
beauftragte Umfrage in den<br />
28 Mitgliedsländern der EU zeige<br />
auch, dass Europäer sich zueinem<br />
großen Teil nach wie vor den USA<br />
verbunden fühlten. China schätzten<br />
sie dagegen überwiegend als Wettbewerber<br />
ein.<br />
Die Neuausrichtung der Wirtschaftsbeziehungen<br />
mit den USA<br />
bereitet der chinesischen Führung<br />
Kopfzerbrechen. Aber auch daheim<br />
lauern Probleme, die gelöst werden<br />
wollen. Eine hohe Verschuldungbelastet<br />
die Staatsfirmen. Gleichzeitig<br />
versucht die Regierung, das Land innovativer<br />
und produktiver zu machen.<br />
Staatliche Kontrolle<br />
„Die Umstellung auf ein nachhaltigeres<br />
Wachstumsmodell und die Bekämpfung<br />
der Risiken im Finanzsektor<br />
sind dringend notwendig,<br />
drücken aber auch das Wirtschaftswachstum“,soExperte<br />
Zenglein.<br />
Im internationalen Vergleich<br />
sind 6,1 Prozent Wachstum zwar<br />
weiter viel.Expertenverweisen aber<br />
darauf, dass China als Schwellenland<br />
großen Nachholbedarf habe,<br />
den Schwung erhalten und Arbeitsplätze<br />
schaffen müsse. Immer wieder<br />
wird auch auf den Widerspruch<br />
zwischen der wachsenden staatlichen<br />
Kontrolle und der Notwendigkeit<br />
verwiesen, ein dezentrales und<br />
verbrauchergetriebenes Wirtschaftssystem<br />
zu schaffen, um<br />
nachhaltiges Wachstum zu erreichen.<br />
Stützungsmaßnahmen haben<br />
2019 schon dazu beigetragen, die<br />
chinesische Wirtschaftzustabilisieren.<br />
Das wird sich auch 2020 nicht<br />
ändern. (dpa)<br />
FOTO: IMAGO IMAGES<br />
hatte seine Pläne auf europäischer<br />
Ebene vorgestellt. Andere Länder<br />
müssen aber mitziehen. Die Union<br />
pocht darauf, dass erst die Finanzierung<br />
geklärt wird, bevor die Grundrente<br />
beschlossen werden kann.<br />
„Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion<br />
steht zur Grundrente“, sagte ihr<br />
arbeitsmarkt- und sozialpolitischer<br />
Sprecher, Peter Weiß (CDU), der<br />
Deutschen Presse-Agentur.„Biszum<br />
Kabinettsbeschluss muss aber auch<br />
ihre Finanzierung geklärt werden.“<br />
Geschehenseidiesbishernicht,kritisierte<br />
Weiß.<br />
Weiß kritisierte, der Gesetzentwurfzur<br />
Grundrente lasse offen, woher<br />
die Steuermittel zur Finanzierung<br />
kommen sollen. „Die bisherigen<br />
Pläne für eine Finanztransaktionssteuer<br />
sind nicht ausgereift und<br />
ihre Einführung im europäischen<br />
Kontext ist noch nicht absehbar“,<br />
sagte er. Gewährleistet sein müsse,<br />
dass bei einer solchen Steuer Altersvorsorgevermögen<br />
und Kleinanleger<br />
verschont werden.<br />
Nach Informationen des Nachrichtenmagazins<br />
„Focus“ gibt es in<br />
der Union auch verfassungsrechtliche<br />
Bedenken gegen den Entwurf. So<br />
sollten bei der Einkommensprüfung<br />
auch die Einkommen von Ehepartnern<br />
berücksichtigt werden. Bei unverheirateten<br />
Paaren in einem Haushalt<br />
finde diese Prüfung dagegen<br />
nicht statt. Dadurch könnten es Verheiratete<br />
schwerer haben, Grundrente<br />
zu beziehen, und wären unzulässigerweise<br />
schlechtergestellt.<br />
„Der Gesetzentwurf hält die vereinbarten<br />
Bedingungen nicht ein“,<br />
sagte Unionsfraktionsvize Carsten<br />
Linnemann dem Magazin. „Mit diesem<br />
Vorschlag würden neben den<br />
Rentnern mit hohen Vermögen nun<br />
auch Rentner mit einem hohen Einkommen<br />
einen Grundrentenzuschlag<br />
bekommen.“ Nach „Bild“-Informationen<br />
blockierte Bundesgesundheitsminister<br />
Jens Spahn (CDU)<br />
mit seinem Veto eine verkürzte Kabinettsbefassung,<br />
sodass die Beschlussfassung<br />
im Kabinett nicht in<br />
zwei, sondernfrühestens in vier Wochen<br />
stattfinden kann.<br />
#Dorfkinder<br />
haben den<br />
Dreh raus.<br />
Mehr Ärger<br />
über<br />
Zustellung<br />
Der Ärger vieler Bürger über<br />
Probleme bei der Postzustellung<br />
hat sich 2019 erneut vergrößert.<br />
Bei der Bundesnetzagentur<br />
gingen im vergangenen Jahr 18 209<br />
schriftliche Beschwerden ein, wie<br />
aus Zahlen der Behörde hervorgeht.<br />
Das sind rund ein Drittel mehr als<br />
2018. Blickt man noch weiter zurück,<br />
hat sich die Zahl sogar etwa<br />
verdreifacht –2017 gab es 6100 Beschwerden.<br />
Für den meisten Ärger sorgten<br />
dabei Briefe, die zu spät oder gar<br />
nicht bei ihren Empfängern ankamen.<br />
DiePaketelagen,mit den gleichen<br />
Problemen, dicht dahinter. In<br />
den größten deutschen Städten,<br />
Berlin und Hamburg, war der Unmut<br />
–umgerechnet auf die Einwohnerzahl<br />
–amgrößten.Inder Hauptstadt<br />
meldeten sich pro 10000 Bürger<br />
mehr als vier kritisch zu Wort,in<br />
Hamburgetwas über drei.<br />
DieBeschwerden bei der Bonner<br />
Regulierungsbehörde beziehen sich<br />
auf die ganze Branche –also auch<br />
auf die Wettbewerber der Deutschen<br />
Post. Da der ehemalige<br />
Staatskonzernaber mit großem Abstand<br />
Marktführer ist, richtet sich<br />
die allermeiste Kritik gegen die<br />
Arbeit seiner Beschäftigten.<br />
Weshalb die Beschwerden zunehmen,<br />
ist schwer zu erklären. Es<br />
bleibt unklar, obdie Zustellung tatsächlich<br />
immer schlechter klappt<br />
oder sich heute einfach mehr Menschen<br />
beschweren. Diese Möglichkeit<br />
gibt es auch im Internet. (dpa)<br />
Beim Bundeswettbewerb „UnserDorf hat Zukunft“ haben1.900 Dörfer gezeigt:<br />
Gemeinsinn, Tatkraft und gute Ideen machen das dörfliche Leben noch<br />
attraktiver.Soexperimentieren schon die Jüngsten mit neuen Wegen, ihr Zuhause<br />
voranzubringen. Die nächste Wettbewerbsrunde ist gerade gestartet.<br />
Mehr unter: www.bmel.de/dorfkinder