Melange No9
Melange No9 - Das Magazin im Süden Bayerns
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M E N S C H E N I N M U R N A U<br />
Der Frisör auf der Walz<br />
E N G E L A U F D E R W A L Z<br />
Ein Jahr Australien, Monate in Namibia, Chile, Bolivien, Peru,<br />
oder London – das sind nur ein paar Stationen eines rastlosen<br />
Frisörs: Michael Engel hat Hummeln im Hintern – zumindest<br />
war das früher so. „Das war eine innere Stimme, die hat geschrien<br />
und dann wollte ich wieder weg.“ Weg in ferne Länder, über den<br />
Tellerrand schauen. Er kann überall arbeiten, das ist das Glück<br />
eines Handwerkers. Und Michael Engel hat es auf allen seinen<br />
Stationen auch getan. Von dem Geld konnte er es sich leisten,<br />
viele Monate die Welt zu bereisen. Und er hat dort viele Erfahrungen<br />
gesammelt, erfahren, wie man mit den unterschiedlichen<br />
Haar-Strukturen und Haarmoden auf der Welt umgeht. „Ich bin<br />
immer irgendwo reinmarschiert und habe gesagt: Hallo, hier bin<br />
ich!“ Und es hat immer geklappt, erzählt der Tausendsassa. Egal<br />
ob im Oberland oder im tiefsten Südamerika. Dort, tausende<br />
Kilometer von zu Hause weg, hat er allerdings schon einen Blick<br />
auf die bayerische Landkarte geworfen. „Wo will ich später leben?“<br />
Die Frage hat sich der 36-Jährige schon lange bevor er<br />
sich in Murnau niedergelassen hat gestellt. „Es kamen nur zwei<br />
Orte in Frage: Landsberg oder Murnau.“ Denn das ist nicht weit<br />
weg von seiner Familie, von seinen Eltern.<br />
E I N L Ä C H E L N I M G E S I C H T<br />
Die Leidenschaft für diesen Beruf hat ihm schon die Frisörin<br />
seiner Mutter im Kindesalter vorhergesagt. Nach der Wirtschaftsschule<br />
in Peißenberg hat Engel ein Praktikum gemacht. Das Arbeiten<br />
mit Menschen gefiel dem jungen Mann. „Man kann Menschen<br />
etwas Gutes tun, sie gehen in der Regel mit einem Lächeln<br />
beim Frisör wieder raus.“ Bei Alten und Jungen, bei gesunden<br />
oder bei Kunden nach einer Krankheit. „Wenn ich jemandem<br />
nach einer Chemotherapie aus den dann dünnen, wenigen Haaren<br />
eine schöne Frisur mache, kann ich ihm zeigen, dass es weitergeht.“<br />
Als Frisör müsse man ein Gespür für Menschen mitbringen,<br />
sonst sei man fehl am Platze in diesem Beruf. Das Fachliche<br />
könne man lernen, die Offenheit, die man braucht, nicht. „Man<br />
lernt so viele unterschiedliche Leute kennen, Manager, Professoren,<br />
Handwerker, Jugendliche, das macht brutal Spaß!“, meint Engel<br />
und ergänzt, dass die Menschen ihm oft das Herz ausschütten.<br />
„Getratscht wird bei uns nicht, das blocken wir ab. Aber viele erzählen<br />
sehr Intimes aus dem Leben, von Krankheiten und Schicksalsschlägen,<br />
aber auch von freudigen Ereignissen.“ Deshalb ist er<br />
auch eine Art Psychotherapeut. „Beim Frisör, da kann man sich<br />
eine neutrale Meinung holen, vielleicht ist es das, was die Menschen<br />
suchen. Einer, der nicht involviert ist, der nicht zur Familie oder<br />
zum Freundeskreis gehört, denn die sind voreingenommen.“ Er<br />
hat nur ein einziges Mal einen Kunden gebeten, nicht wieder zu<br />
kommen. „Er hat eine Mitarbeiterin zum Weinen gebracht.“ Aber<br />
auch über die genauen Gründe verliert er kein Wort.<br />
D E R K U N S T - F A N<br />
Noch etwas prädestiniert Michael Engel für seinen Beruf: Er<br />
mag Kunst und kreatives Arbeiten. „Farbe und Form, das Handwerkliche<br />
verbunden mit der Kreativität“ – das ist es, was den Beruf<br />
eben ausmacht. Engel zumindest hat mit dieser Mischung<br />
großen Erfolg. So großen, dass er schon viermal für den TopSalon<br />
nominiert war, das ist wie ein Stern für Köche. Viermal hat<br />
er es mit seinem Haardesign unter die ersten 25 von etwa 600<br />
angenommenen Bewerbungen geschafft, als bisher einziger Betrieb<br />
im Landkreis. Für den Fachwettbewerb müssen die Teilnehmer<br />
sich bewerben und dann regelrecht die Hosen runterlassen:<br />
Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter, Löhne, alles wird<br />
offenbart. Wenn dann der heimliche Testkunde zufrieden ist,<br />
darf der Haarkünstler teilnehmen. Es zahlt sich aus, dass er<br />
großen Wert darauf legt, seinen Lehrlingen ein perfektes Handwerkszeug<br />
mitzugeben. Ann-Kathrin hat es diesmal geschafft –<br />
mit dem Innungspreis als Beste des Landkreises Weilheim-<br />
Schongau. Jedes Jahr hat er einen Lehrling, und natürlich wurden<br />
sie bisher alle übernommen.<br />
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