ZETT4
Die neue Ausgabe des Zett. Magazins ist auf dem Markt - mit meinen beiden Beiträgen a) über den Freiburger Künstler und langjährigen Salsa-Freund Celso Martinez-Naves (S. 52) und b) das Tanzen im Mensabrunnen (S. 59) - wie man sieht, entstanden die Beiträge und Fotos noch vor Corona, sind aber gerade rechtzeitig wieder aktuell - viel Freude beim Schmökern und bei Gefallen gerne weiter empfehlen: https://zett-magazin.de/leben-in-freiburg sowie zum Download unter: https://zett-magazin.de/wp-content/uploads/2020/06/ZETT4.pdf
Die neue Ausgabe des Zett. Magazins ist auf dem Markt - mit meinen beiden Beiträgen a) über den Freiburger Künstler und langjährigen Salsa-Freund Celso Martinez-Naves (S. 52) und b) das Tanzen im Mensabrunnen (S. 59) - wie man sieht, entstanden die Beiträge und Fotos noch vor Corona, sind aber gerade rechtzeitig wieder aktuell - viel Freude beim Schmökern und bei Gefallen gerne weiter empfehlen:
https://zett-magazin.de/leben-in-freiburg
sowie zum Download unter:
https://zett-magazin.de/wp-content/uploads/2020/06/ZETT4.pdf
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waren. Als der Mann mir gesagt hatte, dass schon viele Trainer
gekündigt hatten, hatte ich einfach gedacht, dass die Mannschaft
ein Problem hatte. Jetzt aber ging mir auf, dass die Trainer ein
Problem gehabt hatten. Und zwar ein Großes: Sie waren zu
klein – viel zu klein. Wahrscheinlich hatten sie für die Riesen
nur wie Fliegen gewirkt, die man nicht einmal Summen hörte.
Ich stolperte zurück, als sich ein weißer Fuß so groß wie ein
Auto neben mir absetzte. Der Riese beugte sich hinab. Schnee
bröckelte von ihm ab und fiel schwer auf mich herunter. Sein
riesiges Mondgesicht wurde von einem breiten Grinsen geziert,
als er mich belustigt von oben herab musterte. „Noch so einer“,
teilte er seinen Kollegen mit, die sich nach seinen Worten
enttäuscht auf den Boden setzten. „Er zittert sogar noch mehr
als die anderen.“ Er streckte seinen weißen Zeigefinger aus
und piekste mich hart in die Brust. Alle Luft wurde aus
meinen Lungen gepresst und ich wurde mindestens
zwei Meter nach hinten geworfen. Es fühlte sich so an,
als hätte mich soeben ein Rammbock getroffen. Kurz
lag ich benommen auf dem Boden und hörte das
abfällige Lachen meiner großen Mannschaft nur
wie durch ein Kissen. Doch nachdem der Schmerz
leicht abgeflaut war, richtete ich mich mühsam
auf und rief den Riesen zu: „Hey, ich bin euer
Trainer. Ihr hört auf mich.“ Der Riese, der mich
umgeschubst hatte, runzelte seine Stirn und
fragte ironisch: „Tut mir leid, was hast du
gesagt?“ Seine Freunde brüllten vor Lachen,
sodass die Felswände wackelten.
„Ich bin euer Trainer!“, schrie ich sie an.
Der Riese nickte, so als ob er einer dummen
Behauptung eines Kindes zustimmte, nur
damit es Ruhe gab. Seine Freunde warfen sich
jetzt auf den Boden. Ihr Gelächter brachte die
Bäume zum Zittern… Und dann hörte ich ein
Krachen. Erst dachte ich, dass einer der Bäume
umgefallen war, doch als ich meinen Blick hob,
flog ein riesiger Felsklotz herunter. Wie in Zeitlupe
sah ich, wie einer der Riesen nach oben zeigte und
alle anderen ihre Münder dümmlich öffneten und
ein nebelhornartiges Geräusch sich ihren Kehlen
entrang… Dann krachte der Stein auf die Finger meines
Streitgegners. Er heulte laut auf und nahm vorsichtig
seinen Stumpen wieder hoch. Zwar wuchs seine Hand
schnell wieder nach, doch ich wettete, dass es trotzdem
sehr wehgetan hatte. Die Überreste seiner alten Hand waren
als Schneehaufen unter dem Felsstück vergraben.
Die anderen Riesen sahen mich ehrfürchtig an. „Warst du
das?“, fragte einer von ihnen mit vor Schreck geweiteten Augen.
Erst legte ich den Kopf schief
und sah ihn erstaunt an, doch
dann sah ich meine Chance, ihr
Vertrauen zu gewinnen, oder
besser ihren Respekt, und mein
Gesichtsausdruck wechselte
von Erstaunen zu überlegener
Gelassenheit. „Natürlich
war ich das“, sagte ich lässig
und hatte meine Augen halb
geschlossen. „Und wenn ihr
mich noch einmal ärgert, mach
ich das nochmal!“ Ich hatte
mich gegen den Felsbrocken
gelehnt und selbst ich konnte
hören, dass meine Stimme
Sie liest rund 60 Bücher pro Jahr, hat selbst schon unzählige
Kurzgeschichten und Gedichte sowie ein Fantasy-Roman-Manuskript
verfasst, in dem den Menschen der Wind
geklaut wird – Helen Duppé (14) besucht die achte Klasse im
Freiburger Kepler-Gymnasium und hat den jüngsten Jugendschreibwettbewerb
des Literaturhaus‘ Freiburg gewonnen.
„Weiße Riesen“ war das Thema. Ältere Zeitgenossen denken
dabei vielleicht an Waschmittel. Nicht so die junge Autorin,
die sich ein klein wenig darüber ärgerte, nicht den fünften
Platz belegt zu haben, weil sie dann einen Büchergutschein
erhalten hätte. So gab es diverse Bade- und andere Gutscheine,
aber eben keinen für weiteres Lesefutter. Dabei ist Helen
so lesehungrig, dass sie auch unser jüngstes ZETT.-Magazin
verschlang. Hier ihre Gewinner-Kurzgeschichte.
BÜCHER
vor schlechter Lügerei nur so triefte. Der Riese zog kurz seine
Augenbrauen misstrauisch zusammen, entspannte sich jedoch
gleich wieder, als ob ich, falls er an mir zweifelte, noch einen
Brocken auf sie niederbrettern lassen würde. „Der ist anders“,
sagte er seinen Freunden.
„Noch nicht bemerkt?“, murmelte ich leise zu mir selbst.
„Okay“, ich hob meine Stimme, um die Ohren meiner Mannschaft
zu erreichen. „Habt ihr einen Ball, weil meiner…“ Ich ließ
den Satz unbeendet und nahm meinen Basketball aus dem
Ballnetz, das ich neben mir abgelegt hatte. Für mich war er genau
richtig, aber für die Riesen… Naja. Einer von meinen weißen
Schützlingen nickte beschwichtigend und zog einen riesigen
Ball, so groß wie ein Lieferwagen, hinter seinem Rücken hervor.
„Wir haben schon vorgesorgt, falls wir wieder einen so
kleinen Trainer haben… Nichts gegen dich!“, sagte er
schnell. Ich nickte knapp. „Also gut“, rief ich. „Bildet zwei
Mannschaften und spielt eine Partie. Ich korrigiere euch
wenn nötig.“ Meine Mannschaft gehorchte und die, die
noch saßen, standen schnell auf und teilten sich in
zwei Gruppen auf.
Alles in allem waren sie eigentlich eine gute
Mannschaft. Ich hatte allerdings ein paar Probleme.
Erstens: Wenn ich pfiff, um einen von ihnen zu
verbessern, spielten sie einfach weiter. Ich wusste
jetzt, dass ich nächstes Mal ein Nebelhorn oder eine
Feuersirene mitnehmen sollte. Zweitens wäre ich
schon mindestens zweimal fast von dem Basketball
zermatscht worden, hätte ich nicht noch in
letzter Sekunde einen 20 Meter Sprint hingelegt.
Und drittens rieselte dauernd Schnee von meinen
Sportlern herunter und ich musste mich mehr als
einmal aus einem ganzen Haufen freikämpfen.
Irgendwann gab ich es auf, die ganze Zeit hin
und her zu laufen und so ging ich mit schnellen
Schritten – mit ab und an einem oder zwei Schlenkern,
um dem Ball zu entgehen – auf einen der Riesen zu und
klammerte mich an seinen großen Zeh. Ich hing eine
Weile an seinem Fuß, bis ich endlich bemerkt wurde.
Als er mich erkannte, nahm er mich beim T-Shirt, hob
mich hoch und setzte mich auf seine Hand.
„Okay“, brüllte ich, sodass auch wirklich jeder
mich hörte. „Ich weiß nicht, wie lange ich dort unten
rumgeschrien hab, aber das ist jetzt zu Ende. Ich werde
jetzt immer bei einem von euch auf der Schulter
sitzen und von dort rufen, damit ich auch ja nicht
ignoriert werde, okay?“ Die Riesen nickten.
„Du da“, ich zeigte dem, auf dessen Handrücken
ich gerade stand, mitten ins Gesicht. „Wie
heißt du?“
„Jonuk.“
„Ja, du trägst mich.“ Ich
stapfte seinen Arm hoch und
auf seine Schulter. Ich verbesserte
die Riesen mal hier, mal
dort. Jeder hörte und respektierte
mich. Und ich glaubte,
dass ich damit auch der Erste
war. Über irgendwelche Spiele
und Meisterschaften machte
ich mir im Moment keine Sorgen.
Ich war einfach nur glücklich,
einen Job zu haben und
eine Mannschaft, mit der ich
mich verstand.
ZETT. JUNI 2020
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