19.06.2020 Aufrufe

ZETT4

Die neue Ausgabe des Zett. Magazins ist auf dem Markt - mit meinen beiden Beiträgen a) über den Freiburger Künstler und langjährigen Salsa-Freund Celso Martinez-Naves (S. 52) und b) das Tanzen im Mensabrunnen (S. 59) - wie man sieht, entstanden die Beiträge und Fotos noch vor Corona, sind aber gerade rechtzeitig wieder aktuell - viel Freude beim Schmökern und bei Gefallen gerne weiter empfehlen: https://zett-magazin.de/leben-in-freiburg sowie zum Download unter: https://zett-magazin.de/wp-content/uploads/2020/06/ZETT4.pdf

Die neue Ausgabe des Zett. Magazins ist auf dem Markt - mit meinen beiden Beiträgen a) über den Freiburger Künstler und langjährigen Salsa-Freund Celso Martinez-Naves (S. 52) und b) das Tanzen im Mensabrunnen (S. 59) - wie man sieht, entstanden die Beiträge und Fotos noch vor Corona, sind aber gerade rechtzeitig wieder aktuell - viel Freude beim Schmökern und bei Gefallen gerne weiter empfehlen:
https://zett-magazin.de/leben-in-freiburg
sowie zum Download unter:
https://zett-magazin.de/wp-content/uploads/2020/06/ZETT4.pdf

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

waren. Als der Mann mir gesagt hatte, dass schon viele Trainer

gekündigt hatten, hatte ich einfach gedacht, dass die Mannschaft

ein Problem hatte. Jetzt aber ging mir auf, dass die Trainer ein

Problem gehabt hatten. Und zwar ein Großes: Sie waren zu

klein – viel zu klein. Wahrscheinlich hatten sie für die Riesen

nur wie Fliegen gewirkt, die man nicht einmal Summen hörte.

Ich stolperte zurück, als sich ein weißer Fuß so groß wie ein

Auto neben mir absetzte. Der Riese beugte sich hinab. Schnee

bröckelte von ihm ab und fiel schwer auf mich herunter. Sein

riesiges Mondgesicht wurde von einem breiten Grinsen geziert,

als er mich belustigt von oben herab musterte. „Noch so einer“,

teilte er seinen Kollegen mit, die sich nach seinen Worten

enttäuscht auf den Boden setzten. „Er zittert sogar noch mehr

als die anderen.“ Er streckte seinen weißen Zeigefinger aus

und piekste mich hart in die Brust. Alle Luft wurde aus

meinen Lungen gepresst und ich wurde mindestens

zwei Meter nach hinten geworfen. Es fühlte sich so an,

als hätte mich soeben ein Rammbock getroffen. Kurz

lag ich benommen auf dem Boden und hörte das

abfällige Lachen meiner großen Mannschaft nur

wie durch ein Kissen. Doch nachdem der Schmerz

leicht abgeflaut war, richtete ich mich mühsam

auf und rief den Riesen zu: „Hey, ich bin euer

Trainer. Ihr hört auf mich.“ Der Riese, der mich

umgeschubst hatte, runzelte seine Stirn und

fragte ironisch: „Tut mir leid, was hast du

gesagt?“ Seine Freunde brüllten vor Lachen,

sodass die Felswände wackelten.

„Ich bin euer Trainer!“, schrie ich sie an.

Der Riese nickte, so als ob er einer dummen

Behauptung eines Kindes zustimmte, nur

damit es Ruhe gab. Seine Freunde warfen sich

jetzt auf den Boden. Ihr Gelächter brachte die

Bäume zum Zittern… Und dann hörte ich ein

Krachen. Erst dachte ich, dass einer der Bäume

umgefallen war, doch als ich meinen Blick hob,

flog ein riesiger Felsklotz herunter. Wie in Zeitlupe

sah ich, wie einer der Riesen nach oben zeigte und

alle anderen ihre Münder dümmlich öffneten und

ein nebelhornartiges Geräusch sich ihren Kehlen

entrang… Dann krachte der Stein auf die Finger meines

Streitgegners. Er heulte laut auf und nahm vorsichtig

seinen Stumpen wieder hoch. Zwar wuchs seine Hand

schnell wieder nach, doch ich wettete, dass es trotzdem

sehr wehgetan hatte. Die Überreste seiner alten Hand waren

als Schneehaufen unter dem Felsstück vergraben.

Die anderen Riesen sahen mich ehrfürchtig an. „Warst du

das?“, fragte einer von ihnen mit vor Schreck geweiteten Augen.

Erst legte ich den Kopf schief

und sah ihn erstaunt an, doch

dann sah ich meine Chance, ihr

Vertrauen zu gewinnen, oder

besser ihren Respekt, und mein

Gesichtsausdruck wechselte

von Erstaunen zu überlegener

Gelassenheit. „Natürlich

war ich das“, sagte ich lässig

und hatte meine Augen halb

geschlossen. „Und wenn ihr

mich noch einmal ärgert, mach

ich das nochmal!“ Ich hatte

mich gegen den Felsbrocken

gelehnt und selbst ich konnte

hören, dass meine Stimme

Sie liest rund 60 Bücher pro Jahr, hat selbst schon unzählige

Kurzgeschichten und Gedichte sowie ein Fantasy-Roman-Manuskript

verfasst, in dem den Menschen der Wind

geklaut wird – Helen Duppé (14) besucht die achte Klasse im

Freiburger Kepler-Gymnasium und hat den jüngsten Jugendschreibwettbewerb

des Literaturhaus‘ Freiburg gewonnen.

„Weiße Riesen“ war das Thema. Ältere Zeitgenossen denken

dabei vielleicht an Waschmittel. Nicht so die junge Autorin,

die sich ein klein wenig darüber ärgerte, nicht den fünften

Platz belegt zu haben, weil sie dann einen Büchergutschein

erhalten hätte. So gab es diverse Bade- und andere Gutscheine,

aber eben keinen für weiteres Lesefutter. Dabei ist Helen

so lesehungrig, dass sie auch unser jüngstes ZETT.-Magazin

verschlang. Hier ihre Gewinner-Kurzgeschichte.

BÜCHER

vor schlechter Lügerei nur so triefte. Der Riese zog kurz seine

Augenbrauen misstrauisch zusammen, entspannte sich jedoch

gleich wieder, als ob ich, falls er an mir zweifelte, noch einen

Brocken auf sie niederbrettern lassen würde. „Der ist anders“,

sagte er seinen Freunden.

„Noch nicht bemerkt?“, murmelte ich leise zu mir selbst.

„Okay“, ich hob meine Stimme, um die Ohren meiner Mannschaft

zu erreichen. „Habt ihr einen Ball, weil meiner…“ Ich ließ

den Satz unbeendet und nahm meinen Basketball aus dem

Ballnetz, das ich neben mir abgelegt hatte. Für mich war er genau

richtig, aber für die Riesen… Naja. Einer von meinen weißen

Schützlingen nickte beschwichtigend und zog einen riesigen

Ball, so groß wie ein Lieferwagen, hinter seinem Rücken hervor.

„Wir haben schon vorgesorgt, falls wir wieder einen so

kleinen Trainer haben… Nichts gegen dich!“, sagte er

schnell. Ich nickte knapp. „Also gut“, rief ich. „Bildet zwei

Mannschaften und spielt eine Partie. Ich korrigiere euch

wenn nötig.“ Meine Mannschaft gehorchte und die, die

noch saßen, standen schnell auf und teilten sich in

zwei Gruppen auf.

Alles in allem waren sie eigentlich eine gute

Mannschaft. Ich hatte allerdings ein paar Probleme.

Erstens: Wenn ich pfiff, um einen von ihnen zu

verbessern, spielten sie einfach weiter. Ich wusste

jetzt, dass ich nächstes Mal ein Nebelhorn oder eine

Feuersirene mitnehmen sollte. Zweitens wäre ich

schon mindestens zweimal fast von dem Basketball

zermatscht worden, hätte ich nicht noch in

letzter Sekunde einen 20 Meter Sprint hingelegt.

Und drittens rieselte dauernd Schnee von meinen

Sportlern herunter und ich musste mich mehr als

einmal aus einem ganzen Haufen freikämpfen.

Irgendwann gab ich es auf, die ganze Zeit hin

und her zu laufen und so ging ich mit schnellen

Schritten – mit ab und an einem oder zwei Schlenkern,

um dem Ball zu entgehen – auf einen der Riesen zu und

klammerte mich an seinen großen Zeh. Ich hing eine

Weile an seinem Fuß, bis ich endlich bemerkt wurde.

Als er mich erkannte, nahm er mich beim T-Shirt, hob

mich hoch und setzte mich auf seine Hand.

„Okay“, brüllte ich, sodass auch wirklich jeder

mich hörte. „Ich weiß nicht, wie lange ich dort unten

rumgeschrien hab, aber das ist jetzt zu Ende. Ich werde

jetzt immer bei einem von euch auf der Schulter

sitzen und von dort rufen, damit ich auch ja nicht

ignoriert werde, okay?“ Die Riesen nickten.

„Du da“, ich zeigte dem, auf dessen Handrücken

ich gerade stand, mitten ins Gesicht. „Wie

heißt du?“

„Jonuk.“

„Ja, du trägst mich.“ Ich

stapfte seinen Arm hoch und

auf seine Schulter. Ich verbesserte

die Riesen mal hier, mal

dort. Jeder hörte und respektierte

mich. Und ich glaubte,

dass ich damit auch der Erste

war. Über irgendwelche Spiele

und Meisterschaften machte

ich mir im Moment keine Sorgen.

Ich war einfach nur glücklich,

einen Job zu haben und

eine Mannschaft, mit der ich

mich verstand.

ZETT. JUNI 2020

41

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!