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ZETT4

Die neue Ausgabe des Zett. Magazins ist auf dem Markt - mit meinen beiden Beiträgen a) über den Freiburger Künstler und langjährigen Salsa-Freund Celso Martinez-Naves (S. 52) und b) das Tanzen im Mensabrunnen (S. 59) - wie man sieht, entstanden die Beiträge und Fotos noch vor Corona, sind aber gerade rechtzeitig wieder aktuell - viel Freude beim Schmökern und bei Gefallen gerne weiter empfehlen: https://zett-magazin.de/leben-in-freiburg sowie zum Download unter: https://zett-magazin.de/wp-content/uploads/2020/06/ZETT4.pdf

Die neue Ausgabe des Zett. Magazins ist auf dem Markt - mit meinen beiden Beiträgen a) über den Freiburger Künstler und langjährigen Salsa-Freund Celso Martinez-Naves (S. 52) und b) das Tanzen im Mensabrunnen (S. 59) - wie man sieht, entstanden die Beiträge und Fotos noch vor Corona, sind aber gerade rechtzeitig wieder aktuell - viel Freude beim Schmökern und bei Gefallen gerne weiter empfehlen:
https://zett-magazin.de/leben-in-freiburg
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Hier erlebt man keine fertige Performance, sondern bekommt

vielmehr einen Eindruck über die „Arbeit im Entstehen, eine

Art Zwischenbilanz der kreativen Arbeit von Tänzerinnen und

Choreografen oder Tanzkollektiven.

Damit wollen die Tanzschaffenden den Entwicklungsprozess

hinter den Aufführungen sichtbar machen. Deshalb laden sie das

Publikum zweimal im Jahr ins „Südufer“ ein, eine Mischung aus

Spielstätte und kollektivem Proberaum für die Freiburger Künstlerszene

in der Haslacherstraße. Die konsumorientierte Frage,

ob sich das Ganze „lohnt“, soll hier gar nicht erst beantwortet

werden. „Manchmal fängt ein Prozess bei Apfel an – und man

sieht auf der Bühne Schnitzel“ sagt Julia Klockow, Tänzerin und

Pressefrau beim „Tanznetz Freiburg“. „Aber hätte man nicht bei

Apfel angefangen, würde das Schnitzel ganz anders aussehen.“

Neben dem „Labormanifest“, das sein Experiment mit dem

Verstehen auf die Spitze treibt, wirkt das Konzept des Formats

„Tanzwuchs“ schon fast bodenständig: In einem ‚Speed-Dating‘

zwischen Publikum und Tanzgruppen erklären die Tanzschaffenden

im Anschluss an ihre Performance, was sie sich dabei

gedacht haben, und das

Publikum darf es ruhig

zugeben, wenn es dabei

auf dem Schlauch stand.

Wer einfach nur sein Bier

trinken und sich berieseln

lassen will, darf auch einfach

nach dem letzten

Schluck nach Hause gehen.

Für viele Besucher aber

wird es gerade jetzt erst

interessant: „Meistens sind

das Leute, die nicht einfach

nur was vorgesetzt haben

wollen, die statt dessen

kritisch sind oder auch mal

sagen: Ich hab’s nicht verstanden“,

so Dagny Borsdorf,

eine der Organisatorinnen bei

„Tanznetz Freiburg“. „Das ist

gerade für Leute interessant,

die Tanz nicht so oft sehen,

aber ein Interesse daran haben,

wie das alles abläuft“,

ergänzt Julia Klockow.

Die neugierigen Zuschauer

werden so zum Resonanzkörper

für die Künstler: Wie habt

ihr diesen

und jenen Aspekt wahrgenommen? Habt ihr ihn überhaupt

bemerkt? Was ist das Wesentliche für euch? Bei diesem Date

ist von vornherein klar: Beide sollen profitieren. Nur im Idealfall

hat das Publikum vielleicht auf Anhieb verstanden, was

der Künstler mit der Performance sagen wollte – und wurde

höchstwahrscheinlich zum ersten Mal überhaupt danach befragt.

Die Tanzschaffenden wiederum bekommen eine Idee

davon, was sich hinter irritierten Blicken, offenen Mündern

oder scharrenden Füßen verbirgt. Das Feedback stecken sie in

die Weiterentwicklung des Stücks.

Mit diesem vitalen wie experimentellen Konzept rekultiviert

das „Tanznetz Freiburg“ eine Tanzlandschaft, die vor nicht allzu

langer Zeit fast zur Wüste geworden wäre. Bis vor ein paar Jahren

lagen die Strukturen für die hiesige freie Tanzszene nahezu

brach – es gab kein Profitraining, kaum Weiterbildungsmaßnahmen

und Vernetzungsmöglichkeiten innerhalb der freien

Freiburger Tanzszene.

Kommunikationsregeln im Tanznetz-Proberaum des Südufers.

Die Ohrfeige als Werkzeug für „kreative Gruppenprozesse“.

Kein Wunder also, dass viele nach der Ausbildung die Stadt

verlassen haben. Viele, aber nicht alle. Auch Dagny wollte in

Freiburg leben und arbeiten, also tanzen. Schließlich war sie

eine der verbliebenen Freischaffenden,

die ihre Kräfte in der Initiative „Tanznetz

Freiburg“ bündelten, inzwischen mit

Unterstützung des Kulturamtes, eingebettet

in den Verein „bewegungs-art“,

in Kooperation mit dem E-Werk und

gedüngt mit finanziellen Mitteln des

Bundes aus dem Förderprojekt „Tanzpakt

Stadt-Land-Bund“.

So entstand mit den beiden Tanznetz-Formaten

„Tanzwuchs“ und „Labormanifest“

ein Kunstbiotop, das

nicht nur der freien Tanzszene Freiburgs

als Lebensraum dient, sondern

gelegentlich auch jene erfasst, denen

Kunst, Tanz und Performance

fremd sind: Publikum, Passanten,

Neugierige.

Im experimentellen Charakter

dieser beiden Freiburger Tanzprojekte

werden Performer wie Publikum

herausgefordert Erfahrungen

und Ausdrucksformen zu hinterfragen.

Ein intellektuelles Kunstverständnis

braucht man hierfür

nicht zwingend; spontane Reaktionen

wie jene an der Backpfeifen-Tankstelle

sind ein feiner Sensor der

Erkenntnis, allein schon, weil sie emotional entstehen. Sie

halten uns den Spiegel unserer Erfahrung vor, wenn wir es

vielleicht am wenigsten erwarten.

Performance an einer Tankstelle an der Eschholzstraße.

Foto: Anna Henschel

TANZ

Foto: Anna Henschel

Foto: Anna Henschel

ZETT. JUNI 2020

61

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