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Familienchronik - auf der überarbeiteten Webseite der ...

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Ein »Jung-Mädchen-Treff« im Schloß<br />

Zöpel mit Diphtherie 1938<br />

Schnee und Kälte hielten auch im März 1938 in Ostpreußen noch lange an.<br />

Wir wohnten in Groß Bestendorf.<br />

Am Sonntag, den 3. März 1938 wurden mein Bru<strong>der</strong> Helmut und mein Vetter<br />

Kurt in <strong>der</strong> sehr schönen, ganz in Weiß gehaltenen, Kirche in Groß Wilmsdorf<br />

konfirmiert. An dieser Feier nahm auch meine Großmutter teil, obgleich sie sich<br />

von einem Sturz noch nicht ganz erholt hatte. Sie war die Mutter meines Vaters,<br />

lebte in einer Wohnung bei uns im Haus und hatte sich immer gewünscht, diesen<br />

Tag miterleben zu können.<br />

Es wurde ein Fest für die Familie und die Verwandten, mit denen man sich bei<br />

solchen Gelegenheiten gerne traf. Zu dieser Zeit hatten für uns Kin<strong>der</strong> die Osterferien<br />

begonnen. Für mich bedeutete es am Montag danach, als 12jähriges<br />

Mädchen, an einem Treffen <strong>der</strong> »Jungmädchen« teilzunehmen. Damals eine<br />

Pflicht. Dafür hatte man das Schloß Zöpel ausgesucht.<br />

Ein alter Bau, <strong>der</strong> sich in diesen, noch kalten Tagen nur schlecht mit seinen antiken<br />

Kachelöfen heizen ließ – und sich somit die großen, hohen Räume kaum<br />

erwärmten.<br />

Mit etwa 20 Mädchen aus <strong>der</strong> Umgebung, auch aus meiner Her<strong>der</strong>-Schule in<br />

Mohrungen, sollte ich hier eine Woche bleiben. Das nicht nur kalte, son<strong>der</strong>n auch<br />

unfreundliche und düstere Schloß schüchterte uns alle etwas ein.<br />

Wir waren nicht sehr glücklich.<br />

Im geräumigen Schlafraum mit hohen Fenstern und Wänden rückten wir <strong>auf</strong><br />

unseren Strohlagern eng zusammen, nicht nur weil es wärmer war, auch die Dunkelheit<br />

und <strong>der</strong> Gedanke an spukende Geister beunruhigten uns sehr.<br />

Unser erstes Abendessen war nicht erwärmend. Es gab Hering in kalter Sahnesoße<br />

mit Pellkartoffeln. Meinen Hering verschenkte ich, er gehörte damals nicht<br />

zu meinen Lieblingsessen.<br />

Tagsüber, sobald es möglich war, und vor dem Schlafengehen hielten wir uns in<br />

<strong>der</strong> Nähe <strong>der</strong> kunstvoll verzierten Kachelöfen <strong>auf</strong>. Der Schlafsaal war nicht<br />

geheizt.<br />

Für ein Mädchen gab es dabei eine böse Überraschung. Sie hatte es als beson<strong>der</strong>s<br />

angenehm empfunden, mit dem Rücken vor <strong>der</strong> heißen, eisernen Ofentür zu<br />

stehen, und zu spät bemerkt, daß ihr Rock völlig versengt wurde. Wir trugen alle<br />

die gleichen schwarzen Röcke und besaßen davon nur einen.<br />

Der Tag begann für uns früh mit Gymnastik und Dauerl<strong>auf</strong> im verschneiten Park.<br />

Auf dieses Abhärtungstraining waren wir nicht vorbereitet und dafür wohl auch<br />

nicht richtig angezogen.<br />

Auch das Frühstück brachte unsere Lebensgeister nicht in Schwung. Anschließend<br />

gab es Schulungen, wir hörten Vorträge über das Dritte Reich, es<br />

mußte viel gelernt werden. Geschichtliches, Ziele, die erreicht werden sollten, so<br />

wie man es in dieser Zeit für wissenswert hielt.<br />

Gesungen haben wir gerne, doch dann ging's wie<strong>der</strong> raus in den Schnee.<br />

Kälte draußen und drinnen, einige Mädchen wurden krank und hinzu kam Heimweh<br />

– wer hatte es nicht?<br />

Für mich nahm diese unerfreuliche Zeit schon am 3. Tag ein unerwartetes Ende.<br />

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