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Familienchronik - auf der überarbeiteten Webseite der ...

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Die letzten drei Monate vor Kriegsende in<br />

Ostpreußen (bis 30. April 1945)<br />

Die letzten Wochen in Ostpreußen kommen mir mit zunehmendem Alter<br />

häufiger in Erinnerung: Minuten und Stunden <strong>der</strong> Angst vor Tod und Gefangenschaft,<br />

Freude über bestandene Rückzugsgefechte und gelungene<br />

Schritte <strong>der</strong> Flucht. Ich gehörte zu den Soldaten, die Ostpreußen verteidigen sollten,<br />

zur 349. Volksgrenadierdivision. In ihr waren viele ostpreußische Soldaten,<br />

die sich von <strong>der</strong> Luftwaffe o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Marine zur Verteidigung ihrer Heimat gemeldet<br />

hatten, so auch meine Brü<strong>der</strong> Willi und Karl.<br />

Zunächst hatten wir uns standhaft gegen russische Angriffe gewehrt, auch gegen<br />

die Großangriffe im Oktober ‘44 und Januar ‘45 im Raum Schloßberg (Pilkallen),<br />

wenn auch mit schmerzlichen Verlusten. Beim ersten Großangriff ist auch mein<br />

Bru<strong>der</strong> Willi gefallen, beim zweiten mein Bru<strong>der</strong> Karl verwundet und danach ausgeschifft<br />

worden.<br />

Doch ab 22./23. Januar wurde alles schwerer. Russische Truppen stießen hinter<br />

unserem Rücken bis an das Haff bei Elbing vor und schlossen uns ein. In diesem<br />

Kessel waren doppelt so viele Soldaten eingeschlossen wie in Stalingrad und<br />

neben Soldaten viele Zivilisten. Wir sahen sie im Februar und März täglich. Viele<br />

von ihnen flohen mit Pferd und Wagen über das gefrorene Haff und dann über die<br />

Frische Nehrung westwärts, an<strong>der</strong>e mit dem Schiff von Pillau aus über die Ostsee,<br />

zu viele schafften die Flucht nicht.<br />

Unsere Division wurde am 22. 1. an die Westseite unseres Kessels verlegt, nach<br />

Tolkemit. Wir hatten die Absicht, einen Ausbruch nach Westen zu wagen, aber<br />

Hitler erlaubte das nicht. Wir sollten Ostpreußen verteidigen. Uns gelang zwar,<br />

den Flüchtlingen den Weg zum Haff und nach Pillau freizuhalten, die Verteidigung<br />

Ostpreußens jedoch wurde von Tag zu Tag schwerer. Schon wurde unsere Division<br />

aus Tolkemit nach Osten gedrängt und am 8. 2. auch aus Frauenburg ostwärts.<br />

Unser Kessel wurde kleiner und kleiner. Am 21. Januar maß unser »Heiligenbeiler<br />

Kessel« noch 100 mal 50 km, fünf Wochen später nur noch etwa 4 mal 3 km.<br />

Am 27./28. März 1945 im Raum Balga waren von den 10000 Mann unserer 349.<br />

nur noch 30 bis 50 Mann übrig. Deshalb wurden wir <strong>der</strong> 21. Division zugeordnet.<br />

Wir saßen wie Mauerschwalben in <strong>der</strong> niedrigen Steilküste zum Haff, damit die<br />

Geschosse von <strong>der</strong> Landseite uns nicht so leicht treffen konnten. Aber jetzt<br />

kamen russische Flugzeuge von <strong>der</strong> Haffseite <strong>auf</strong> uns zugeflogen und schossen<br />

uns zusammen. Verwundete und Sterbende schrien herzzerreißend.<br />

Ich hielt es nicht mehr aus, hatte keinen Lebenswillen mehr, legte mich <strong>auf</strong> den<br />

Bauch, mein Gesicht in den Sand und meinte, so <strong>auf</strong> das Sterben warten zu können,<br />

Aber dann überkam mich das Bewußtsein: Wenn Du stirbst, werden Deine<br />

Hände und Arme, dein Gesicht und dein ganzer Körper kalt. Nein, noch einmal<br />

wollte ich meinen Eltern erzählen, wie grausam das Schreien und Sterben um<br />

mich herum war. Ich sprang in den Granattrichter zu meinen General zehn Meter<br />

von mir entfernt. Ich schrie <strong>auf</strong>geregt wie ohne Respekt: »Was soll dieses sinnlose<br />

Warten und Sterben?! Entwe<strong>der</strong> wir machen einen Ausbruchversuch, ergeben<br />

uns o<strong>der</strong> flüchten <strong>auf</strong> die Nehrung!«<br />

Mein General sah mich fest an und sagte: »Noch heute Nacht werden die Reste<br />

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