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Familienchronik - auf der überarbeiteten Webseite der ...

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nehmen kann als die Haare ohne Ilse. Die Gedanken an meine Mutter, sie noch<br />

einmal lebend wie<strong>der</strong>zusehen, halfen mir immer wie<strong>der</strong> weiter.<br />

Ich arbeitete zuerst auch im Bergwerk unter Tage. Im Schacht standen wir oft bis<br />

zu den Knien im Wasser. Meine Kräfte ließen nach, und ich wurde so schwach,<br />

daß ich diese Arbeit nicht mehr schaffte. So wurde ich zur Arbeit über Tage eingesetzt<br />

und mußte vom För<strong>der</strong>band die Steine aus <strong>der</strong> Kohle entfernen.<br />

Auch das schaffte ich bald nicht mehr und wurde dann <strong>auf</strong> eine Kolchose versetzt<br />

und mußte dort Feldarbeit verrichten. Aber das Heimweh, das schlechte Essen<br />

und die schwere Arbeit verbrauchten schnell meine Kräfte. Bis April waren wir in<br />

Höhlen untergebracht, <strong>auf</strong> kahlen Brettern mußten wir liegen. Bei vielen machten<br />

sich jetzt die Schwangerschaften bemerkbar. Infolge <strong>der</strong> Unterernährung u. a.<br />

kam es zu Fehlgeburten. Fieber stellte sich ein, <strong>der</strong> Blutverlust war groß und die<br />

jungen Mädchen und Frauen starben. Nachts wurden sie dann alle in eine große<br />

Grube gebracht. Es waren unzählige und das Mitleid mit diesen Frauen, die<br />

immer noch an eine Heimkehr glaubten, schwächte mich zusätzlich. Immer war<br />

bei mir <strong>der</strong> Gedanke da: Wirst du morgen noch da sein?<br />

Bis April 1945 waren wir, wie ich ja schon schrieb, in Höhlen untergebracht. Nach<br />

dem Bau von Baracken kamen wir in ein an<strong>der</strong>es Lager. Aber immer war meine<br />

»Tante Erna« um mich und sprach mir Mut zu.<br />

Ich weinte viel, war unfähig zu arbeiten und auch zum Essen. Dachte nur immer<br />

an zu Hause. Bekam auch starke Schmerzen in den Knien und im Rücken. Und<br />

immer wie<strong>der</strong> ließ sie mich nicht allein. Sagte oft: »Ilse, denke immer daran, daß<br />

daheim deine Mutter <strong>auf</strong> dich wartet und sie auch immer für dich betet. Du mußt<br />

durchhalten!« Diese Worte rüttelten mich immer wie<strong>der</strong> <strong>auf</strong>. Ich bekam Kraft und<br />

Willen und konnte wie<strong>der</strong> zu Arbeit gehen.<br />

Als <strong>der</strong> Krieg zu Ende war, wurde bekannt, daß <strong>der</strong> Russe alle Kranken nach<br />

Hause entlassen mußte. Wir hofften alle, dabei zu sein.<br />

Wir Kranken kamen in ein Sammellager. Von 50 Personen wurden 11 herausgesucht.<br />

Ich hatte großes Glück, daß ich zu den ausgewählten zählte und auch<br />

»Tante Erna« Pfehr dabei war. Ich wog da nur noch 41 kg. Die Klei<strong>der</strong>- und Kopfläuse<br />

begleiteten mich. Die Glatze war auch noch da. Im August 1945 konnte ich<br />

Sibirien verlassen und kam ins Lager Hoyerswerda.<br />

Dort erhielt ich meine Entlassung. Zu Hause in Deutschland ging es mir dann<br />

bald besser. Ich wurde von meiner Cousine <strong>auf</strong>genommen und bald auch eine<br />

Beschäftigung im Haushalt <strong>auf</strong>nehmen.<br />

»Die Zeit heilt Wunden«, so sagt man, aber es gibt Erlebnisse, die sich so eingebrannt<br />

haben, daß sie niemand vergißt.<br />

Ilse Jörgens geb. Poerschke<br />

Heimatort: Mohrungen/Ostpr.<br />

jetzt 58509 Lüdenscheid<br />

Weststraße 21<br />

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